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Judith Schneider
Judith Schneider (Foto: SWR3)
Daniela Hilpp
INTERVIEW
Brigitte Egelhaaf

„Achtung, da kommt das Walross, das Wasser schwappt gleich über!“ Solche Sprüche muss sich Betty immer wieder anhören – sie ist adipös. Nach unzähligen Versuchen abzunehmen, will sie jetzt ihr Leben endgültig ändern.

Nicht mehr in der Lage zu sein, sich die eigenen Fußnägel zu schneiden, weil der eigene Körperumfang so extrem ist – für Betty aus einem kleinen Dorf im Schwarzwald wurde diese unvorstellbare Situation Realität. Sie hat nach ihrer Schwangerschaft Adipositas entwickelt - Übergewicht, weit außerhalb der Norm. Nicht nur ihre Figur änderte sich, sondern auch ihr ganzes Leben. So lange, bis sie es nicht mehr aushielt.

Extremes Übergewicht, dumme Sprüche und die Einsamkeit

115 Kilo bei 1,60 Körpergröße hat Betty jahrelang mit sich herumgeschleppt. Mit den Kilos nahmen auch Krankheiten, die Ausgrenzungen und die blöden Kommentare zu. Um sich davor zu schützen, war für Betty lange Zeit Verstecken die einzige Option. Kurz vor Ladenschluss am späten Abend einkaufen, wenn im Supermarkt kaum mehr etwas los ist. Das wurde für sie genauso normal, wie in der Dämmerung oder Dunkelheit allein an einem menschenleeren See schwimmen zu gehen, um nicht den Blicken und Beleidigungen ausgesetzt zu sein. Diese enorme Belastung und die Aussicht, selbst kleine Alltagstätigkeiten nicht mehr allein ausführen zu können, haben letztendlich zum entscheidenden Klick geführt.

Dann kam die Frage auf, ob ich mein Leben so weiterleben will oder die Zeit nutzen, um wieder rauszugehen, Spaß zu haben, neue Leute kennenzulernen und nicht ganz so einsam zu sterben.

Diäten halfen nichts, ein Magenband muss her

Im Adipositaszentrum Stuttgart hat Betty nach vielen gescheiterten Abnehmversuchen professionelle Hilfe gefunden. Durch eine mehrwöchige, umfangreiche Ernährungsberatung hat sie bereits über 20 Kilo verloren. Zur mentalen Unterstützung begleitet Betty auch ein Psychologe auf diesem Weg. Für ein langfristig, leichteres Leben hat sie sich gemeinsam mit den Ärzten für ein Magenband entschieden.

Dabei wird das Fassungsvermögen des Magens von ehemals 1,5 kg künstlich auf gerade noch 150 Gramm verkleinert. Direkt vor der OP gibt es zur Entgiftung der Leber 14 Tage lang nur noch Pulver in Wasser gelöst.

Man kaut nichts, man hört nichts mehr, man trinkt es nur – das ist hart. Das muss man wirklich wollen. Und der Kopf muss mitmachen.

Weniger Essen für mehr Lebensqualität

Bis an ihr Lebensende werden es nach dem Eingriff für Betty täglich fünf kleine Essens-Portionen sein, um zu lernen, das natürliche Sättigungsgefühl wieder wahrzunehmen. Ein großer Teller Spaghetti zum Mittagessen? Ein absolutes No-Go. Betty wird lernen müssen, diese kleinen Snacks in ihren Arbeitsalltag zu integrieren, Extrapausen sind dafür von ihrem Arbeitgeber nicht vorgesehen.

Adipositas durch kein Gefühl von Hunger und Sättigung

Tobias Meile ist Chefarzt des Adipositaszentrums im Klinikum Stuttgart, in dem Betty behandelt wird. Er sagt, dass Adipositas durch eine Art inneres Ungleichgewicht ausgelöst wird.

Letztendlich haben wir Menschen alle eine eingebaute Tankuhr dafür, wie viel Nahrung wir bräuchten, mit der Anzeige Hunger und Sättigung. Und um adipös zu werden, muss an dieser Tankanzeige irgendetwas verdreht sein.

Frustfuttern, keinerlei Kalorienkontrolle, zu viel Fettiges, keine geregelten Essenszeiten oder Rituale wie die Chipstüte zum Fernsehen, können unter anderem Ursache für diese Anzeigenstörung und dem damit einhergehenden extremen Übergewicht sein.

Was tun bei Adipositas?

Hat man diese übermäßigen Kilos, diese Last an Gewicht erstmal drauf, helfen seiner Meinung nach weder ausschließlich Diäten, noch irgendwelche Abnehm-Apps, Tabletten oder Sport allein.

Sport macht dann sehr viel Sinn, wenn ich schon - durch was anderes angestoßen - Gewicht verliere und meine Muskeln, die bisher mein Übergewicht getragen haben, weiterhin erhalten möchte. Denn Muskeln verbrauchen Energie.

Spätestens dann, wenn man den Hang zur Gewichtszunahme nicht mehr allein stoppen kann, sollte man sich an den Hausarzt wenden und darauf beharren, dass man mit dem Problem ernst genommen und zu einem Spezialisten weitervermittelt wird. Damit Adipositas nicht irgendwann die Bewältigung der Alltagsherausforderungen unmöglich macht und zur unerträglichen Belastung wird.

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Adipositas – Extreme Fettleibigkeit Tobias Meile, Chefarzt des Adipositaszentrum im Klinikum Stuttgart

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Tobias Meile, Chefarzt des Adipositaszentrum im Klinikum Stuttgart

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