Alle Buchtipps des SWR3-Teams am Lesetag am 31. März
- „Zwei an einem Tag“ von David Nichols
- „Brenner-Krimis“ von Wolf Haas
- „Die Morgenlandfahrt“ von Hermann Hesse
- „Lennon“ von David Foekinos
- „Martin Beck Krimis“ von Sjöwall und Wahlöö
- „Tagebücher“ von Kurt Cobain
- Gedichte von Robert Gernhardt
- „New York Trilogie von Paul Auster
- „Die Entdeckung des Himmels“ von Harry Mulisch
- Marlowe & Co. Krimis von Raymond Chandler
- „Achtsam Morden“ von Karsten Dusse
- „Lexikon der Fußballirrtümer“ von Roland Loy
- „Die Buddenbrooks“ von Thomas Mann
- „Eine Geschichte der Welt in 100 Objekten“ von Neil MacGregor
„Achtsam Morden“ von Karsten Dusse

Achtsamkeit, was ist das? Das Dasein im Hier und Jetzt. Und nie war Achtsamkeit so wichtig wie im Moment. Und für manche auch so unumgänglich. Ich sitze im Moment auf diesem Sofa und atme. Punkt.
Karsten Dusse hat ein Buch darüber geschrieben, es handelt vom erfolgsgetriebenen Anwalt Björn Diemel und seiner Wandlung zum achtsamen Menschen. Es ist kein Sachbuch, auch kein richtiger Krimi, aber ein wirklich witziger, schwarzhumoriger Roman.
Ich habe tatsächlich öfter mal innegehalten und überlegt, dass das mit der Achtsamkeit vielleicht gar nicht so verkehrt ist und wegatmen auch was für mich wäre. Gerade jetzt in dieser so unübersichtlichen Zeit.
Brigitte Egelhaaf
Gesammelte Gedichte von Robert Gernhardt

Na klar haben viele von uns jetzt mehr Zeit. Auch zum Lesen. Aber nicht jeder will deshalb gleich einen 1000-Seiten-Schmöker aus dem Regal wuchten. Mal so zwischendurch ein paar Zeilen... – kurz mal ein bisschen schmunzeln, das wär cool und ist kein Problem.
„Paulus schrieb den Irokesen, euch schreib ich nicht, lernt erstmal lesen“.
Kenn ich, sagen viele, ist von Otto Waalkes. Ist es nicht, Robert Gernhardt hat lange für Otto geschrieben. Und beileibe nicht nur Quatsch. Trauriges, Lustiges, nix ist ihm fremd.
So’n Gernhardt Gedicht geht immer, mal schnell zum Kaffee, abends auf dem Nachttisch, oder aufm Klo. Als hätte er in die Zukunft geschaut, gibt’s sogar ein Toilettenpapiergedicht!
Michael Wirbitzky
„Lexikon der Fußballirrtümer“ von Roland Loy

Was machen Bundesliga-Fans momentan eigentlich samstags um halb vier? Es gibt ja auf absehbare Zeit keine Fußball-Spiele. Wenn ich an akutem Bundesliga-Entzug leide, schlage ich Das Lexikon der Fußball-Irrtümer auf. Nicht nur was für Fußball-Freaks, ein tolles Buch für alle, die nicht jede Floskel einfach so glauben wollen.
Zum Beispiel „Never change a winning team” – kennen wir alle, klingt einleuchtend, ist aber kompletter Unsinn. Ganz ganz viele solcher vermeintlicher Weisheiten von vermeintlichen Sport-Experten nimmt der Autor Roland Loy auseinander. Der Sportwissenschaftler nervt aber nicht mit Zahlen-Klein-Klein, sondern beschreibt witzig und knackig, was warum Quatsch ist.
Sehr unterhaltsames Buch, wenn man so denkt: Hm, was mach ich jetzt? Na komm, lieste mal ein Kapitel – und am Ende hat man zwei Stunden staunend auf der Couch gelegen.
Jakob Reifenberg
„Die Entdeckung des Himmels“ von Harry Mulisch

Das ist für mich ein ganz besonderes Buch, weil es so vielschichtig ist. Ich habe das jetzt schon dreimal gelesen und ich habe es dreimal neu entdeckt. Da ist die Geschichte zweier Freunde, zwei Männer, die sich rein zufällig nachts auf einer Landstraße in den Niederlanden begegnen und die eigentlich sofort wissen: Das hier, das ist was ganz Besonderes, das ist eine Lebensfreundschaft. Dabei sind diese beiden Männer, Max und Onno, so völlig unterschiedlich. Ein Feingeist der Eine, ein Frauenheld der Andere; ein Philosoph und Politiker der Eine und ein Wissenschaftler, ein Astronom der Andere. Und sie verlieben sich in die eine selbe wundervolle und rätselhafte Frau.
Es ist die Geschichte einer lebenslangen Freundschaft, Verbundenheit, einer tiefgreifenden Eifersucht und großer Hoffnung, die die beiden trennt und verbindet. Es ist eine Geschichte, die nur scheinbar zufällig genau so verläuft und hinter der ein großer, ein göttlicher Plan steckt. Mich hat das schon dreimal fasziniert und wenn ich das Buch ein viertes Mal lese, wird es mir wieder genauso gehen – aber wahrscheinlich aus völlig anderen, neuen Gründen...
Klaus Sturm
„Lennon“ von David Foekinos

Eine Biografie von Pop-Ikone John Lennon und dennoch ein Roman – wie geht das zusammen? Buchautor David Foekinos hat das geschafft, mit viel Recherche einerseits, und mit viel Phantasie und Erzähllust andererseits.
Die Szene: eine Sitzung beim Psychiater. John Lennon erzählt. Mal derbe, mal offen, traurig, intim. John Lennon sehr persönlich. 18 dieser Sitzungen beim Seelenklempner gibt es, und genauso viele Kapitel hat das Buch. Der inzwischen 35-jährige John kann sich an vieles genau erinnern, und viele Erinnerungen schmerzen sehr.
Seine Kindheit ist voller Albträume, ein Junge, herumgeschubst zwischen seinem Vater, einem Matrosen, seiner Mutter, einer lebenslustigen Frau, die ihr Kind - ihr lest richtig - vorübergehend verlässt und deren Schwester, die dem kleinen John das wahre Zuhause bietet. Der erinnert sich 30 Jahre später an viele Details der Kindheit, kommentiert vieles mit britischem Humor, etwa dass sein Vater sich erst dann wieder an seinen Sohn erinnert, als der berühmt wird.
Dann die komplett wahnsinnigen 60er, die John mit den Beatles in die Rolle von Weltstars katapultieren, sein genervtes Verhältnis zu McCartney, die irre Zeit mit Yoko Ono und und und... Hier den ganzen Buchtipp lesen
Gregor Glöckner
„Zwei an einem Tag“ von David Nichols

Es ist eine Art Langzeitportrait einer Liebe – und zwar über 20 Jahre. 20 Jahre, immer wieder der 15. Juli. Und immer wieder Dexter und Emma.
Dieses Buch ist für mich noch so viel mehr als eine Liebesgeschichte. Es geht auch darum, dass Emma und Dexter in 20 Jahren oft genug den Zeitpunkt füreinander verpassen, sich oft genug aus den Augen verlieren, sich aber doch wieder über den Weg laufen. Das so strenge Gerüst – immer nur eine Momentaufnahme – immer nur dieser eine Tag, der 15. Juli, das füllt David Nicholls mit richtig viel Leben. Denn, sind wir ehrlich: Was passiert nicht alles in einem Jahr? Wie sehr verändert sich in einem Jahr auch unser Leben, unsere Einstellungen?
Ich liebe Bücher, bei denen man beim einen Satz Tränen lachen und beim nächsten Tränen weinen kann. Und genau so ein Buch ist das. Mich hat es so gepackt, dass ich es als privates Geschenk sogar selbst als Hörbuch eingesprochen habe.
Simone Sarnow
„Eine Geschichte der Welt in 100 Objekten“ von Neil MacGregor

Geschichte – das klingt erstmal langwierig und trocken. Aber was Autor Neil MacGregor da abliefert, ist Geschichte zum Dabeisein. Ich war sofort in Gedanken da: in der Steinzeit am Feuer, im alten Ägypten bei den Pharaonen oder auf einem Schiff der Royal Navy bei seinen Fahrten über die rauen Meere. Das schafft Mac Gregor mit seinem unglaublich gefühlvollen und bildhaften Schreibstil. Mit der klaren Message: hinter allem steckt eine Story, stecken Menschen mit Gedanken und Gefühlen.
Ich war begeistert mit welcher Leichtigkeit Mac Gregor mich da durch 2 Millionen Jahre Menschheitsgeschichte begleitet, einfach nur anhand von 100 Objekten. Weit weg von trockenen Wortwüsten in Geschichtsbüchern – 2 Millionen Jahre Menschheitsgeschichte vom ersten Werkzeug bis zur Kreditkarte. Großartig.
Kevin Frisch
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„Die New-York-Trilogie“ von Paul Auster

Zum allerersten Mal entdeckte ich die New-York-Trilogie Mitte der 90er Jahre. Ich war eigentlich Austauschstudent in Barcelona und sollte Literatur auf Spanisch oder noch besser Katalanisch lesen. Ein reiner Zufalls-Fund auf einem Flohmarkt, mir gefiel das Cover, es sah irgendwie geheimnisvoll aus. Ich ging in meine kleine Studentenbutze und begann zu lesen. Ab da hatte mich der US-Autor aus Brooklyn fest in seinen Klauen. Ich habe seitdem jedes Buch von ihm gelesen und über die New-York-Trilogie meine Abschlussarbeit an der Uni geschrieben.
Alle drei Romane handeln von Charakteren, die entweder jemanden finden oder observieren sollen. Aber anstatt der Lösung näher zu kommen, verlieren sie sich in immer weiteren Rätseln und Irrwegen. Wie es sich für einen guten postmodernen Roman gehört, wird auch Paul Auster als Autor hier und da in das fiktive Geschehen einbezogen.
Wer New York liebt, wer sich für Detektivromane begeistert und wer es mag, nicht alles gleich beim ersten Mal herauszufinden oder vollkommen verstehen zu wollen, sollte sich in diese drei Geschichten in einem Band unbedingt vertiefen.
Matthias Kugler
„Die Morgenlandfahrt“ von Hermann Hesse

Dieses Buch ist anders – vielleicht leichter als die anderen Titel von Hermann Hesse. Es ist sowas wie ein Märchen für Erwachsene, in dem es unter anderem um die Suche nach der Erfüllung geht – nach dem Platz im Leben.
Die Story: Ein Erzähler versucht die Geschichte eines Geheimbundes aufzuschreiben, scheitert, aber landet dafür bei Fragen, warum es wichtig ist, niemals seine Kindheitsträume zu verlieren. Ich hab es schon mehrfach gelesen. Vielleicht liegt es an den vielen Sätzen, die immer wieder auf die gerade aktuelle Situation passen. Wie dieser:
... auch da unternahmen wir etwas anscheinend Unmögliches, auch da gingen wir scheinbar im Dunkel und richtungslos und hatten nicht die mindeste Aussicht, und doch strahlte in unseren Herzen, stärker als jede Wirklichkeit oder Wahrscheinlichkeit, der Glaube an den Sinn und die Notwendigkeit unsres Tuns. Hermann Hesse
Das gilt auch heute immer wieder für mich persönlich: Wenn man an etwas glaubt und einen Sinn dahinter sieht, dann ist doch am Ende irgendwie alles möglich. Immer.
Rebecca Rodrian
„Tagebücher“ von Kurt Cobain

Kaum ein Buch hatte ich in den letzten Jahren so oft in den Händen wie „Kurt Cobain – Tagebücher“. Fast jedes Mal, wenn ich zum Plattenregal gehe und Nirvana auflege, hole ich auch gleichzeitig das Buch wieder aus dem Schrank. Dabei ist vollkommen egal, welches Album ich auflege: Nevermind mit dem bekanntesten Nirvana Song Smells Like Teen Spirit oder In Utero – das letzte Studioalbum, das die Band vor dem tragischen Tod von Kurt Cobain veröffentlicht hat. Bei jedem Album bekommt man einen tiefen Einblick in die Gefühlswelt von Kurt Cobain.
Mir persönlich hat das Buch einen ganz neuen, anderen und viel intensiveren Zugang zur Musik von Nirvana verschafft. Ein Muss für jeden Musik- und auch Nirvana-Fan.
Patrick Schütz
Krimis Marlowe & Co. von Raymond Chandler

Ich mag keine Krimis. Also die, die nur spannend sind, und wenn der Mörder erwischt ist, ist das Buch aus, und man fühlt sich, als hätte man ’nen Burger gegessen, statt was Richtiges. ABER die Krimis von Raymond Chandler würde man auch lesen, wenn man am Ende gar nicht erfährt, wer der Mörder war!
Liegt sicher an mir, aber Raymond Chandler hat selber gesagt: Es geht nicht um den Plot, es geht um die Szenen. Und die sind halt großartig. Die Charaktere, die Beschreibungen, und Philipp Marlowe, das ist der Privatdetektiv, kein Superheld, tough, aber mit Moral. Man geht einfach mit mit ihm.
Die Bücher, alle mit dieser ganz eigenen trockenen Poesie, spielen im Los Angeles der 30er und 40er. Die Sonne brennt auf die Canyons, die Männer tragen Hüte, die Frauen sind schwer zu durchschauen, die Bad Guys sagen so Sachen wie:
Ich muss einen Haufen Zaster verdienen, um die Kerls zu schmieren, die ich schmieren muss, um einen Haufen Zaster zu verdienen.
Und wenn ihr Krimis mögt, ich bin sicher, euer Lieblingsautor hat von Chandler gelernt. Probiert’s aus.
Bernd Lechler
„Die Buddenbrooks“ von Thomas Mann

Es sind die Sätze, die so phantasievoll und einfach schön sind, dass sie mir seit Jahrzehnten im Kopf kleben. Wie Thomas Mann die Typen in den Buddenbrooks beschreibt, wie Theresa Weichbrodt, die ein Mädchenpensionat leitet. „Sesemi Weichbrodt war so buckelig, dass sie nicht viel höher war als ein Tisch.“
Thomas Mann und vor allem seinen Buddenbrooks habe ich es zu verdanken, dass ich am Germanistikstudium Spaß hatte. Ich habe als Studentin einen dicken Wälzer von Thomas Mann nach dem anderen gelesen und zwar gerne. 10 DM steht noch auf meiner leicht vergilbten Taschenbuchausgabe. Das Geld war es wert, ich schaue noch heute gerne in die 750 Seiten Buddenbrooks. Danach weiß ich wieder, was schöne und gute Literatur ist und habe ganz nebenbei das Werk eines Literaturnobelpreisträgers gelesen.
Kristina Hortenbach
Die Martin-Beck-Krimis von Maj Sjöwall und Per Wahlöö

Die Tote im Götakanal, Verschlossen und Verriegelt, Endstation für Neun – insgesamt sind es zehn Romane, die die Schwedin Maj Sjöwall und ihr Mann Per Wahlöö gemeinsam in den 60ern und 70ern geschrieben haben – und die waren die Auslöser für die Begeisterung für Krimis aus Schweden.
Die Bücher um Kommissar Martin Beck und sein Team von der Stockholmer Reichsmordkommission bauen aufeinander auf und lesen sich auch heute noch sehr gut. Ich finde sie deshalb so toll, weil sie anders sind, weil sie trotz der Crime-Stories dieses lässige schwedische Lebensgefühl rüberbringen.
Ich habe die Reihe schon ein paar mal gelesen – jedes Mal ist mir etwas anderes aufgefallen. Der Themenmix ist heute noch modern: Drogenproblematik, Terrorismus, Polizeigewalt, Probleme im Privatleben.Dazu die Ermittler als Team - in Sachen Krimi war das damals alles neu.
Stefan Troendle