Eine Corona-Zwischenbilanz von Patrick Hünerfeld aus der SWR-Wissenschaftsredaktion:
1. Wie gefährlich ist das Coronavirus?
Am Anfang habe ich noch gedacht: Jetzt kriege ich das hoffentlich bald, dann habe ich es hinter mir – bei mir wird es ja vermutlich ein leichter Verlauf werden. Aber mittlerweile war ich selbst in den letzten Monaten für Dreharbeiten sehr viel auf Intensivstationen und habe da ganz unmittelbar mitbekommen, was das Virus anrichten kann.
Viele Organe sind gefährdet
Es befällt nicht nur die Lunge – das haben wir ja am Anfang gedacht – aber das stimmt nicht. Das Virus kann die Blutgefäße angreifen, Blutgerinnsel verursachen und viele andere Organe direkt oder indirekt schädigen: die Nieren – bis zum Nierenversagen, das Herz – bis hin zum tödlichen Herzinfarkt, das Gehirn – bis hin zu schweren Schlaganfällen.
Zudem richtet nicht nur das Virus Schaden an, auch das eigene Immunsystem reagiert bei einem schweren Verlauf zu stark, läuft gewissermaßen Amok und schädigt den Körper massiv. Und es zeichnet sich ab, dass es vermutlich auch Spätschäden gibt. Die Lunge könnte zum Beispiel langfristig schwer geschädigt sein.
Klar: Ganz oft verläuft die Krankheit harmlos, aber wenn es heftig kommt, kann einen das Virus richtig übel erwischen. Das gilt nicht nur für alte Menschen oder für Menschen mit Vorerkrankungen. Mir persönlich ist das Risiko zu hoch – ich will das nicht haben! Deshalb finde ich das mit dem Abstand halten, den Masken und anderen Maßnahmen gut und wichtig!
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2. Was machen warme Temperaturen mit dem Virus?
Indirekt machen höhere Temperaturen dem Virus Probleme: Da sind wir mehr draußen, da geht oft ein Wind – da wird das Virus nicht so schnell übertragen. Aber es scheint nicht so zu sein, dass das Virus bei höheren Temperaturen verschwindet.
Wärmeren Ländern geht es mit dem Coronavirus nicht besser
Bei uns ist die Lage derzeit ja recht entspannt, aber wenn wir in die USA schauen, nach Brasilien, nach Indien – dort auch in Regionen, in denen es viel wärmer ist als bei uns: Da steigen die Infektionszahlen nach wie vor stark an. Das Virus wird also nicht verschwinden, nur weil jetzt der warme Sommer kommt. Die Hoffnung können wir wohl begraben.
3. Forscher arbeiten an einem Impfstoff – wie ist da der aktuelle Stand?
Es geht mächtig voran, was den Impfstoff angeht. Mehrere Impfstoffkandidaten sind jetzt schon in der Erprobung am Menschen – auch bei uns. Probanden bekommen den Impfstoff gespritzt und man schaut: wird er gut vertragen, wie viel von dem Impfstoff braucht man und wie gut ist die Immunantwort. Das läuft also sehr gut.
Aber: Es dauert noch, bis wir wissen, ob es wirklich funktioniert, ob der Impfstoff uns wirklich schützen kann. Und dann dauert es nochmals Monate bis der Impfstoff in ausreichender Menge produziert ist. Wir brauchen also noch Geduld – im kommenden Herbst und Winter werden wir den Impfstoff aller Wahrscheinlichkeit nach noch nicht haben.
Die zweite Welle
Die große Sorge ist ja, dass wir im Herbst wieder einen Anstieg bei den Corona-Fällen haben werden – zusätzlich zu einer starken Grippe-Welle: Insofern hoffe ich, dass wir in diesem Fall das mit den Schutzmaßnahmen wirklich konsequent durchziehen. Das sind ja recht einfache Maßnahmen mit einer wirklich großen Wirkung.
4. Sind Menschen gegen das Coronavirus immun, wenn sie die Krankheit schon hatten?
Wir wissen es leider nicht genau. Wir hoffen, dass die Menschen zumindest einen leichteren Verlauf haben, wenn sie sich nochmal infizieren. Wir wissen von den anderen Coronaviren, dass Immunität normalerweise nicht so lange anhält – zwei, drei Jahre vielleicht. Bei dieser Erkrankung wissen wir es nicht. Es ist auf gar keinen Fall die Sicherheit da, dass ich es – wenn ich es gehabt habe – nicht noch einmal bekommen kann. Deshalb ist das mit der Herdenimmunität auch schwierig.
5. Von einem Medikament ist gerade aktuell viel die Rede: Remdesivir. Was hilft es?
Es hilft insofern, als dass es – zumindest nach aktuellen Studien – die Zeit der Erkrankung verkürzt. Das heißt, die Erkrankung hat zwei Phasen.
Erkrankungsphase 1: Am Anfang macht das Virus ganz viele Probleme, macht ganz viel kaputt. In dieser Phase hilft Remdesivir, weil es das Virus ein bisschen einschränkt.
Erkrankungsphase 2: Da hilft Remdesivir nicht mehr, wenn nämlich das Immunsystem plötzlich Amok läuft. Aber es hilft Dexamethason. Das ist ein Kortison-Präparat, was es schon seit Jahrzehnten gibt. Das kann wohl tatsächlich Menschenleben retten. Das gibt Hoffnung, falls wir eine zweite Welle bekommen oder deutlich mehr Fälle – dass wir dann den schwer Erkrankten vielleicht doch besser helfen und wirklich auch Menschenleben retten können.
Maskenpflicht, Abstandsregeln: Wie geht es jetzt weiter?
Hoffentlich vernünftig und entspannt. Wir haben ja auch gelernt, dass wir viel richtig gemacht haben: Das Abstand halten, Hände waschen, Hygiene – und ja: auch die Masken. Das alles macht es dem Virus schwer, sich zu verbreiten. Wenn wir das durchhalten, haben wir das Virus einigermaßen im Griff.
Zu wenig Sorgen machen kann gefährlich sein
Aber wenn ich mich so umschaue, habe ich derzeit leider den Eindruck, dass eine gewisse Laschheit einsetzt, was die Schutzmaßnahmen angeht. Und das ist brandgefährlich. Ausbrüche wie bei Tönnies zeigen ganz klar: Das Virus ist noch da und sobald wir ihm die Gelegenheit geben, schlägt es zu.
Meine Hoffnung ist, dass wir das mit diesen wirklich einfachen Schutzmaßnahmen konsequent durchziehen, bis der erhoffte Impfstoff da ist. Damit wir nicht selbstverschuldet in eine zweite Welle und einen erneuten Lockdown stolpern.