Seit einigen Tagen erscheinen in vielen Zeitungen in Deutschland vermehrt vermeintliche Stellengesuche von Menschen, die in der Pflege arbeiten. Am vergangenen Wochenende berichteten der Fränkische Tag und der RBB über auffallend viele solcher Stellengesuche.
In der Zeitung in Bamberg seien es am Samstag mehr als 50 Anzeigen gewesen. „Diese Häufung von sich ähnelnden Inseraten ist ungewöhnlich. Das wirkte auf den ersten Blick fast wie abgesprochen“, sagte Gerhard Staudt, Teamleiter des Auftragsmanagements der Mediengruppe Oberfranken.
Ein RBB-Journalist entdeckte „mehr als 100 vermeintliche Stellengesuche in einem Bautzener Anzeigenblatt“ und versuchte bei einigen unter den angegebenen Telefonnummern jemand zu erreichen.
Nummern in Anzeigen nicht vergeben oder nicht erreichbar
Der Journalist Andreas Rausch schreibt, dass manche Nummern unvollständig oder wie die „0160-1234567890“ nicht vergeben seien, oder es gehe niemand ans Telefon. Bei allen 18 Stichproben habe er mit niemanden sprechen können.
Jetzt gibt es erste Hinweise, dass es dabei um eine gezielte Aktion von Impfgegnern geht. Im Messenger Telegram sind entsprechende Nachrichten im Umlauf – mit ähnlichen Inhalten. „Wir werden alle ein Stellengesuch in der Heilbronner Stimme aufgeben“, heißt es darin. Die Anzeigen sollen demnach am kommenden Samstag erscheinen.

In einer Version der Telegram-Nachricht wird auch der Inhalt des Stellengesuchs genau beschrieben: Die vermeintlich Suchenden sollten sich darin als langjährig beschäftigt und ungeimpft ausgeben und ab dem 16. März einen neuen Job suchen.
Heilbronner Stimme will alle Stellengesuche prüfen
Der Chefredakteur der Heilbronner Stimme sagte, dass alle Stellengesuche, soweit das möglich sei, geprüft würden: „Alle echten Anzeigen werden auch erscheinen. Fake-Anzeigen veröffentlichen wir natürlich nicht.“
Das Portal Indeed Online teilte mit, dass es im Moment kein stark erhöhtes Aufkommen von Stellenanzeigen Ungeimpfter aus dem Gesundheits- und Pflegebereich gebe: „Unsere umfassenden Daten können diese Entwicklung bislang nicht bestätigen“, sagte Sprecher Felix Altmann.
Und auch die SLK-Kliniken in Heilbronn sagten der Heilbronner Stimme, dass bisher kein signifikanter Anstieg der Kündigungen festzustellen. Die Impfquote betrage in der Ärzteschaft 98 Prozent, das Pflegepersonal sei zu etwa 90 Prozent geimpft, sagte SLK-Sprecher Mathias Burkhard.
Flucht aus der Pflege? Das steckt dahinter
Die Krankenhäuser in Deutschland haben Angst, dass die Impfpflicht vom Bund und den Behörden nicht einheitlich umgesetzt wird. Roland Engehausen, der Geschäftsführer der Bayerischen Krankenhausgesellschaft sagte, das könnte den Wettbewerb der Krankenhäuser um das händeringend gesuchte Personal noch anheizen.
„Was nicht passieren darf, ist eine unterschiedliche Umsetzung von Einrichtung zu Einrichtung und von Gesundheitsamt zu Gesundheitsamt“, sagte Engehausen. „Wenn in einer Region ein nicht geimpfter Beschäftigter ohne klar nachvollziehbare Gründe weiter arbeiten darf und in einer anderen nicht, wäre das nicht gut.“
Kliniken: Angst, dass der Bund keine allgemeine Impfpflicht einführt
Die Kliniken haben zudem auch Angst, dass die Regierung bei der allgemeinen Impfpflicht einen Rückzieher macht. „Unsere Befürchtung ist, dass die allgemeine Impfpflicht zerredet wird, die einrichtungsbezogene Impfpflicht unklar geregelt wird, und wir wieder den Fehler machen, im Herbst nicht auf eine neue Virus-Variante vorbereitet zu sein, die nach den Erfahrungen der letzten beiden Jahre so sicher kommen dürfte wie das Amen in der Kirche“, sagt Engehausen.
Sollte die Impfpflicht nur im Gesundheitswesen bleiben, wäre das für Impfunwillige ein natürlicher Anreiz zum Branchenwechsel. Weltweit wechseln unzufriedene Arbeitnehmer seit Beginn der Pandemie die Branche. Im englischen Sprachraum gibt es dafür bereits den Begriff der great resignation – der großen Kündigungswelle.
Gesundheitswesen kämpft in Pandemie noch mehr mit Personalmangel
Im Gegensatz zu der Aktion der Impfgegner kämpft das Gesundheitswesen schon länger mit zu wenig Personal. Die Corona-Pandemie hat den Personalmangel noch verschärft. Beim Jobportal Stepstone sei die Zahl der Stellenanzeigen für Pflegeberufe im Dezember 2021 um 85 Prozent höher als vor Beginn der Pandemie im Januar 2020.
Zum Vergleich: Die Jobausschreibungen insgesamt haben auf dem Portal im selben Zeitraum um 40 Prozent zugelegt. Absolute Zahlen nannte das Düsseldorfer Unternehmen aber nicht.
In einer Stellungnahme des Deutschen Berufsverbands für Pflegeberufe (DBfK) heißt es: „Die Pandemie hat die Personalsituation und die spezifischen Belastungen noch verschärft.“ Auch die Deutsche Krankenhausgesellschaft (DKG) teilte vor kurzem mit, dass der Personalmangel sich in der Pandemie vergrößert habe.