Vielleicht wird es bald eine Impfpflicht geben. Wie sie aussehen könnte, weiß im Moment noch niemand. Um auf eure Fragen zu antworten, haben wir uns an anderen Ländern wie etwa Österreich und der Masern-Impfpflicht in Deutschland orientiert.
Die wichtigsten Fragen im Überblick:
- Welche Schritte wären in Deutschland die nächsten?
- Welche Zwangsmaßnahmen sind in Deutschland möglich?
- Braucht eine Impfpflicht strenge Strafen?
- Beispiel Österreich: Muss ins Gefängnis, wer sich nicht impfen lässt?
- Beispiel Frankreich: Halten sich alle an die Pflicht?
Denn bei den Masern gibt es hier schon Erfahrung mit einer verpflichtenden Impfung per Gesetz. Die gilt zwar nicht für alle. Sie könnte aber als Vorbild dienen. Schon einmal vorweggenommen: Eine Impf-Polizei gibt es nirgendwo, dafür aber Buß- oder Zwangsgelder.
Impfpflicht: Was wären die nächsten Schritte in Deutschland?
Eine allgemeine Impfpflicht kann man in Deutschland nicht mal eben einführen, sagt die SWR-Rechtsexpertin Gigi Deppe. Dafür müsste zuerst das Infektionsschutzgesetz durch den Bundestag geändert werden.
Die Corona-Impfpflicht könnte dann auch von den Gerichten geprüft werden. So prüft das Bundesverfassungsgericht derzeit die Masern-Impfpflicht in Kitas und Altersheim, die seit März 2020 gilt. Die Richterinnen und Richter haben diese Impfpflicht im Eilverfahren nicht gestoppt. Sie wollen sie gründlicher prüfen. Aber weil die Risiken bei den Masern hoch sind, lassen sie sie zunächst weiterlaufen.
Bei ihrer Prüfung würden sie dann eine Reihe von Fragen stellen: Ist eine Impfpflicht notwendig? Kann man das Virus noch auf anderem Wege eindämmen, etwa wenn sich nur bestimmte Berufsgruppen impfen lassen müssen? Gibt es noch andere Wege, um zum Ziel zu kommen? Haben wir wirklich alles ausprobiert? Da gilt es dann aber auch die Corona-Entwicklung in den letzten Monaten zu berücksichtigen.
Wenn wir jetzt merken, es geht nicht mehr richtig weiter, dann kann so eine harte Maßnahme als letztes Mittel zulässig sein, weil die milderen Mittel einfach ausfallen und vielleicht so eine Impfpflicht im Vergleich zu einem harten Lockdown für ganz viele Menschen dann das mildere Mittel ist.
Für die Pockenimpfpflicht hat 1959 das Bundesverwaltungsgericht entschieden, dass diese Pflicht rechtlich in Ordnung ist. Die Erfahrungen in anderen Ländern hätten gezeigt, dass damit Pocken effektiv bekämpft werden. Davon ausgehend kann es sein, dass die Gerichte in Deutschland eine allgemeine Impfpflicht, eine Anti-Corona-Impfpflicht, ebenfalls als angemessen bewerten.
Welche Zwangsmaßnahmen sind in Deutschland möglich?
Mögliche Konsequenzen lassen sich im Infektionsschutzgesetz nachlesen, sagt die SWR-Rechtsexpertin Gigi Deppe. Für die Masern-Impfpflicht stehen sie dort nämlich schon. Es wäre dann nicht erlaubt, dass die Polizei mich abholt und mich festhält und mir zwangsweise eine Impfung verabreicht.
Wir haben ja auch eine Gurtpflicht im Auto. Da schnallt mich auch nicht der Polizist an. Aber wenn ich kontrolliert werde und den nicht anhabe, muss ich zahlen. Und das ist so die Aussicht, wie das auch mit einer möglichen Impfpflicht laufen könnte.
Mit Sicherheit gäbe es aber Bußgelder, die übrigens auch wiederholt verhängt werden können. In die Richtung scheint auch der designierte Justizminister Marco Buschmann (FDP) gehen zu wollen, so SWR-Rechtsexperte Frank Bräutigam. Alternativ wären Zwangsgelder eine Möglichkeit — die werden angedroht und wer sich dann impfen lässt, muss auch nicht zahlen.
Braucht eine Impfpflicht strenge Strafen?
In ihrem vieldiskutierten Papier hat die Viola Priesemann untersucht, welche Strategien es in diesem Winter braucht, um das Coronavirus einzudämmen. Die Physikerin forscht zur Modellierung des Infektionsgeschehens, fragt also unter welchen Bedingungen sich die Pandemie wie entwickelt. Eine erfolgreiche Impfpflicht, sagt sie, hat einige Voraussetzungen:
Damit eine generelle Impfpflicht ihre Wirkung entfaltet, darf man kaum Ausnahmen erlauben, müssen empfindliche Strafen verhängt werden, und die Durchsetzung muss flächendeckend funktionieren.
Denn sonst drohe die Gefahr, „dass eine generelle Impfpflicht zögerliche Menschen eher abschreckt, und überzeugte Impfgegner auch nicht erreicht - weil diese dann lieber die Strafe bezahlen als sich impfen zu lassen.“ An diesem Gedanken scheint sich auch Österreich zu orientieren.
Beispiel Österreich: Bußgeld, kein Zwang
Laut der Wiener Zeitung Die Presse sieht das Arbeitspapier zum Impfpflicht-Gesetz in Österreich zwar keine Zwangsmaßnahmen vor. Ganz ausdrücklich heißt es da:
„Die Schutzimpfung [...] ist nicht mit Zwang durchzusetzen.“
Wer sich nicht impfen lässt, soll aber ein Bußgeld zahlen, so ebenfalls Die Presse. Im dort zitierten Arbeitspapier ist von bis zu 3600 Euro die Rede, im Wiederholungsfall sollen es bis zu 7200 Euro sein. Ähnlich wie in Deutschland bei Geldbußen kann ersatzweise eine Freiheitsstrafe von bis zu sechs Wochen verhängt werden.

Vieles, dazu gehört auch die Bußgeldhöhe, ist also auch in Österreich noch ungeklärt. Offen ist zum Beispiel, ob die Bußgelder sozial gestaffelt werden sollen oder ab welchem Alter die Pflicht greift.
Deutlich wird in dem Papier, dass die Impfpflicht am ehesten mit sehr, sehr teurem Falschparken zu vergleichen ist. Aber im Gegenteil dazu soll Umparken auch später noch möglich sein: Gegen wen ein Bußgeld verhängt wird, könnte sich dann immer noch impfen lassen — und ginge dann nicht mit leerem Portemonnaie nach Hause. In diese Richtung äußert sich jedenfalls die österreichichische Verfassungsministerin Karoline Edtstadler (ÖVP) laut Frankfurter Allgemeine Zeitung.
Beispiel Frankreich: So viele Menschen verstoßen gegen die Pflicht
Rund 2,7 Millionen im Gesundheitswesen Beschäftigte müssen sich seit Mitte September in Frankreich gegen Covid-19 impfen lassen. Und die allermeisten tun es auch. Zwischen 10.000 und 15.000 Menschen hätten gegen die Pflicht verstoßen und seien daher beurlaubt oder suspendiert worden, zitiert die Frankfurter Allgemeiner Zeitung den französischen Gesundheitsminister Olivier Véran. Zusätzlich hätten zur Umgehung der Impfpflicht zwischen 1500 und 2000 Menschen die Branche verlassen. Zusammengenommen verstoßen oder umgehen die Pflicht in Frankreich also nur etwa 0,4 bis 0,6% der Beschäftigten.