In der Affäre um angeblich minderwertige Corona-Schutzmaßnahmen verstärkt die SPD den Druck auf Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU). Die SPD-Führung forderte Spahn indirekt zum Rücktritt auf. Parteichefin Saskia Esken sagte im ARD-Morgenmagazin, sollten sich die Vorwürfe gegen Spahn bestätigen, sei er in seinem Amt nicht mehr tragbar.
Spahn kontert Kritik: „Es war die Idee des Arbeitsministeriums“
Spahn selbst wies die Kritik wegen der Verteilung der Schutzmasken noch einmal zurück. Entscheidend sei, dass die Masken sicher seien und den Infektionsschutz gewährleisteten. Genau darauf hin seien alle Masken, die verteilt worden seien, geprüft worden.
Und er ergänzte mit Blick auf das SPD-geführte Arbeitsministerium: „Es war übrigens eine Idee des Arbeitsministeriums selbst, mit einem Sonderkontingent an Obdachlose und Eingliederungshilfe Masken zu verteilen.“ Das Ministerium erklärt widerum, dass man von den umstrittenen Plänen des Gesundheitsministeriums zwar gewusst, diese aber abgelehnt habe.
Kanzlerin Merkel verteidigt Spahn im Masken-Streit mit der SPD
Rückendeckung bekommt der Gesundheitsminister von Kanzlerin Angela Merkel (CDU). Die Vorwürfe gegen Spahn in Zusammenhang mit der Affäre um minderwertige Masken seien „von Fakten einfach nicht gedeckt, um es mal ganz vorsichtig zu sagen“, sagte Merkel im CDU-Bundesvorstand, wie die Nachrichtenagentur AFP von Teilnehmern erfuhr.
„Das muss man der SPD ganz ruhig und klar sagen, dass das mit Fakten nichts zu tun hat“, wird Merkel weiter zitiert. Die Argumentation von Spahns Ministerium in der Angelegenheit sei „hieb- und stichfest“.
Wir alle unterstützen Jens Spahn.
Spahn und die neue Corona-Maskenaffäre – darum geht es
Spahn wird vorgeworfen, sein Ministerium mutmaßlich minderwertige Masken aus China gekauft und diese an Obdachlose, Behinderte und Hartz-IV-Empfänger verteilen wollen.
Es war im Frühjahr 2020, von Impfungen war noch keine Rede. Was alle dringend brauchten, aber viele nicht bekommen konnten, waren Masken, um sich vor dem Coronavirus zu schützen. Relativ verzweifelt suchte das Gesundheitsministerium von Jens Spahn (CDU) nach Nachschub – und fand ihn in China.
Streit um Corona-Masken: Gesundheitsministerium gegen Arbeitsministerium
Die Masken von dort mit dem Sicherheitsstandard KN95 galten allerdings als unsicher gegenüber dem europäischen Standard EN149/FFP2. Ein chinesisches Modell der Firma Yi Cheng, so der Spiegel, habe die EU wegen seiner mangelnden Sicherheit gegen Ansteckungen bereits verbieten lassen. Doch unter anderem bei genau dieser Firma kauften die Beamten von Spahn.
Laut Spiegel hatte es der Minister so eilig, sie der Öffentlichkeit zur Verfügung zu stellen, dass er ein ohnehin schon minimalisiertes Prüfverfahren noch weiter verkürzte – zum Ärger der Beamten im Arbeitsministerium von Hubertus Heil (SPD). Sie grätschten dem Gesundheitsminister laut Spiegel immer wieder dazwischen und verhinderten, dass die Masken herausgegeben wurden.
Werden medizinische Masken jetzt zu teurer Mangelware?
Unbrauchbare Corona-Masken für eine Milliarde Euro?
Wegen des verkürzten Prüfverfahrens schließt der Spiegel, die Masken seien „unbrauchbar“ gewesen, was allerdings niemand mit Sicherheit sagen kann. Diese „unbrauchbaren“ Masken habe Spahn dann „großzügig“ an die Schwächsten der Gesellschaft abgeben wollen: Obdachlose, Hartz-IV-Empfänger und Menschen mit Behinderungen.
Nachdem das Arbeitsministerium auch das verhindert habe, plane Spahns Ministerium nun, die Masken für absolute Super-Notfälle einzulagern und sie nach dem Verfallsdatum zu entsorgen – alles, um die Investition nicht schmählich abschreiben zu müssen, so der Bericht, der vom Arbeitsministerium teilweise bestätigt wird. Zur Erinnerung: Die Masken haben eine Milliarde Euro Steuergeld gekostet.
Spahn: zu wenig Impfstoff, Testbetrug – und jetzt die Corona-Masken
Der Minister, der noch Ende 2020 als geschickter Krisenmanager galt, steht ohnehin geschwächt da: Noch immer gibt es zu wenig Impfstoff. Nach dem Auffliegen einer mutmaßlichen Betrügerfirma in Bochum waren zuletzt auch noch die Schnelltestzentren ins Zwielicht geraten. Es heißt, sie würden unter der Verantwortung seines Ministeriums recht unkontrolliert vor sich hinwurschteln – mit vielen Möglichkeiten zur Abzocke.
SPD-Fraktionsvize zur neuen Maskenaffäre: „Wieder einmal Jens Spahn“
Direkt nach Veröffentlichung des Spiegel-Artikels schlug eine gewaltige Woge der Kritik über Spahn zusammen – mitten im anlaufenden Bundestagswahlkampf. SPD-Generalsekretär Lars Klingbeil nannte die unterstellten Vorgänge „ungeheuerlich und menschenverachtend“. SPD-Fraktionsvize Katja Mast:
Der parlamentarische Geschäftsführer der Linksfraktion, Jan Korte, erklärte, es scheine „keine Rolle mehr zu spielen, dass dem Gesundheitsminister einmal mehr die Gesundheit von behinderten und sozial benachteiligten Menschen egal zu sein scheint, wenn sein eigenes Versagen dadurch vertuscht wird. Und wieder einmal scheint es unbedeutend zu sein, dass eine Milliardensumme verbrannt wird.“
VdK: „inakzeptables Menschenbild“
FDP-Fraktionsvize Michael Theurer: „Spätestens jetzt muss ein Sonderermittler vom Bundesrechnungshof ran und für lückenlose und schonungslose Aufklärung sorgen.“
Die Präsidentin des Sozialverbands VdK, Verena Bentele, sagte dem Spiegel, der Vorgang zeuge „von einem inakzeptablen Menschenbild“. Dass die Masken in der nationalen Notreserve jetzt „auf das Überschreiten ihres Ablaufdatums warten sollen, um still und heimlich entsorgt zu werden, macht die Sache nicht besser“.
Spahn: Corona-Masken wurden nach hohen Standards geprüft
Das Bundesgesundheitsministerium wehrte sich: Am Samstag hieß es, bei der Beschaffung von medizinischem Material „in der damaligen Notlage“ sei „strikt auf Qualität geachtet“ worden. Soweit bei Testverfahren die „Mangelhaftigkeit“ festgestellt worden sei, habe das Ministerium die Ware nicht abgenommen und nicht bezahlt. Spahn schreibt auf seinem Twitter-Account:
Die „aufwändige Testinfrakstruktur“ war allerdings laut Spiegel eben jenes stark verkürzte Verfahren, in dem zwei Tests ausgelassen wurden, die man für nicht zwingend notwendig erklärte.
Ministerium: Bericht über Corona-Masken-Skandal „trifft nicht zu“
„Bei der kostenlosen Verteilung bzw. Lieferung von Masken an Einrichtungen der Obdachlosen- und Eingliederungshilfe stand jederzeit der bestmögliche Schutz der dort lebenden Bürgerinnen und Bürger und der Beschäftigten im Vordergrund“, betonte das Ministerium. „Andere Erwägungen haben seitens des BMG keine Rolle gespielt.“
Für Hartz-IV-Bezieher seien Masken über die Apotheken verteilt worden. „Diese wurden von den Apotheken beschafft, Bestände des Bundes wurden hierzu nicht genutzt und dies war auch nicht geplant.“
Zur angeblich geplanten Vernichtung der Masken erklärte das Ressort, Entscheidungen über die Vernichtung von Warenbeständen habe die Bundesregierung nicht getroffen. „Insofern trifft die entsprechende Berichterstattung nicht zu, uns ist auch die Grundlage dieser Berichterstattung nicht bekannt.“