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Svenja Maria Hirt
Svenja Maria Hirt (Foto: SWR3)
SWR3

„Rettet die Bienen“ – klingt verantwortungsbewusst und nachhaltig. Die Initiatoren wollen etwas für die Natur tun. Kritiker aber befürchten, das Volksbegehren könnte dramatische Folgen für konventionelle und ökologische landwirtschaftliche Betriebe mit sich bringen.

Das Volksbegehren für stärkeren Artenschutz in Baden-Württemberg ist verfassungskonform und zulässig. Das hat das baden-württembergische Innenministerium den Initiatoren des Volksbegehrens mitgeteilt. Jetzt heißt es für die Initiatoren: Es müssen 770.000 Unterschriften gesammelt werden – das heißt, jeder 10. Wahlberechtigte in Baden-Württemberg müsste unterschreiben. Wäre das Volksbegehren dann erfolgreich, müsste der Landtag das Gesetz so beschließen. Lehnt er dies ab, käme es zu einem Volksentscheid.

Wildbiene und Honigbiene (Foto: imago images / imagebroker / blickwinkel)
Biene ist nicht gleich Biene! Links: eine Wildbiene (Garten-Wollbiene) und rechts: eine Honigbiene. Der große Unterschied: Die Honigbiene ist ein Nutztier und Imkern wird immer beliebter. Vom Aussterben ist die Honigbiene nicht bedroht.

Die Initiatoren sind zwei Berufsimker. Unterstützt werden sie vom Bio-Anbauverband Demeter, vom BUND, dem NABU und vielen mehr. Die Zustimmung aus der Politik ist dabei nicht ganz durchschaubar. Auch der größte Bioanbauverband in Baden-Württemberg, Bioland, verweigert seine Unterstützung – doch warum?

Nun aber der Reihe nach: Was fordern die Initiatoren in ihrem Gesetzentwurf eigentlich? Was wären die Konsequenzen des Volksbegehren Artenschutz – und wie dramatisch wären sie? Und aus welchen Reihen kommt Kritik? Wir stellen es euch vor.

Forderung 1: 50 Prozent Ökolandbau bis zum Jahr 2035

Das fordern die Initiatoren:

Die Initiatoren fordern, dass es mehr Ökolandbau gibt. Die Landesregierung soll die Bio-Landwirtschaft so fördern, dass bis 2025 ein Viertel (25 Prozent) und bis 2035 die Hälfte (50 Prozent) aller landwirtschaftlichen Flächen ökologisch bewirtschaftet werden.

Das ist die Kritik:

Der Präsident des Deutschen Bauernverbands (DBV) Joachim Rukwied mahnt im Agrarfachmagazin Top Agrar, dass „die hohen Auflagen das Aus für Familienbetriebe bedeute, die bereits nach hohen Standards produzieren“.

Der Vorsitzende des Landesnaturschutzverbands (LNV) Gerhard Bronner sagte in der Stuttgarter Zeitung, dass die Forderungen handwerkliche Fehler haben. Wer den Biolandbau voranbringen möchte, müsse dies über Anreize und veränderte Rahmenbedingungen tun, anstatt über ein Gesetz, das die Betriebe zum Ökolandbau zwinge.

Aus Sicht des agrarpolitischen Sprechers der Grünen-Landtagsfraktion, Martin Hahn, drohe den Ökobauern ein ruinöser Preiswettbewerb. Er hatte den Gesetzentwurf der Initiative zudem als ungenau kritisiert.

Hopfenanbau Tettnang (Foto: imago images / Westend61)
Nur 1 Betrieb der 128 Betriebe im Anbaugebiet Tettnang wirtschaftet ökologisch. Bei einer Forderung von 50% Bio müssten 65 Betriebe ökologisch wirtschaften.

In Tettnang schreiben die Hopfenbauer in einem offenen Brief, dass es dort aktuell 128 Betriebe gibt, davon ist 1 Betrieb ökologisch. National und international liege die Ökohopfennachfrage nach deren Angaben auch nur bei 1 Prozent. Ein gesetzlicher Zwang spiegele weder die Nachfrage wider, noch die neuen Kunden.

Der Verband Süddeutscher Spargel- und Erdbeeranbauer schreibt in einer Stellungnahme, die SWR3 vorliegt, dass bei Spargel, Erdbeeren, Him- und Brombeeren der Anteil der ökologisch erzeugten Ware aus Deutschland sehr niedrig sei. „Die Verbraucher sowie der Handel zeigen keine Bereitschaft, den erforderlichen Mehraufwand und Risikoausgleich finanziell für ein Bio-Produkt zu zahlen, besonders bei ohnehin hochpreisigen Lebensmitteln, wie Spargel und Beeren.“ Die Kritik auch hier: Die Forderung gehe am Markt vorbei.

Die Freiburger Ökologin Alexandra-Maria Klein zweifelt an der Umsetzbarkeit. Das Verbraucherverhalten müsse sich ändern, hin zu anderen Lebensmitteln.

FDP-Agrarpolitiker Klaus Hoher sieht in dem Gesetzentwurf massive Eingriffe ins Eigentumsrecht und in das Recht auf freie Berufsausübung. Auch er sieht die Konsequenzen in einem „ungesund schnellen Wachstum und einem Verfall des Preisniveaus“. Außerdem kritisiert die FDP, dass die CDU zu wenig Haltung zeige.

Das ist der Unterschied zwischen konventionell und ökologisch

Das sagen die Initiatoren zur Kritik:

Der Koordinator des Volksbegehrens Sven Prange äußerte sich in SWR3 zur Kritik: Dass die Forderung das Aus für Familienbetriebe bedeute, sei eine Verdrehung der Tatsachen.

„In Baden-Württemberg gibt es bisher ein klares Sterben von kleinen und mittleren Betrieben und ein Wachsen von großen Betrieben, die mehr als 100 bis 200 Hektar bewirtschaften. Also ist es so, dass die bisherige Politik dazu führt, dass die kleinen Betriebe sterben. Es gibt keinen Grund, dass sich das ändert, wenn sich die Politik nicht ändert. Wir glauben, dass unser Gesetzentwurf der entscheidende Impuls ist, um wieder eine Agrarpolitik zu machen, die kleine und mittlere Betriebe in den Fokus nimmt und unterstützt.“

Außerdem seien ökologische Betriebe die profitableren. Deswegen sehe Prange nicht, wie eine Umstellung, in der insgesamt höhere Ergebnisse und höhere Preise erzielt werden, dazu führen solle, dass den Betrieben ihre wirtschaftliche Existenz entzogen werde.

Auf die Kritik, dass Bio-Produkte von Spargel und Erdbeeren am Markt vorbei gehen würde, sagte Prange:

Wir können den Markt für Landwirtschaft nur als Ganzes sehen und nicht einzelne Gemüsesorten rausgreifen. Ehrlicherweise muss man sagen, dass Verbraucher bereit sein müssen, den Wert von Lebensmittel wieder anzuerkennen und auch mehr zu bezahlen.

Die Deutschen geben im europaweiten Vergleich den geringsten Teil ihres Einkommens für Lebensmittel aus. Im Sinne einer Wertschätzung von Landwirten könne dies so nicht bleiben, so Prange weiter.

Forderung 2: 50 Prozent weniger Pestizideinsatz bis 2025

Das fordern die Initiatoren:

Bis 2025 soll der Anteil der mit Pestiziden belasteten Flächen im Land um die Hälfte reduziert werden. Bis 2022 soll die Landesregierung dafür einen Plan vorlegen.

Das ist die Kritik:

DBV-Präsident Joachim Rukwied findet die Vorgabe pauschaler Mengen-Reduktionsziele für Pflanzenschutzmittel fachlich nicht sinnvoll. Ein effektiver Pflanzenschutzmitteleinsatz müsse je nach Schädlingsaufkommen, Krankheits- und Witterungsverlauf erfolgen. Das gelte für den Ökolandbau ebenso wie für die konventionelle Landwirtschaft.

Spargelfliege (Foto: imago images / blickwinkel)
Spargelbauer, die ökologisch wirtschaften, können die Spargelfliege nicht bekämpfen. Wenn sie den Spargel befallen hat, droht ein Totalausfall der Ernte.

Der Verband Süddeutscher Spargel- und Erdbeeranbauer ist sich sicher, dass eine Reduktion des Pflanzenschutzmitteleinsatzes zu Resistenzen bei Schaderregern führt. Denn nur durch einen gezielten Wirkstoffwechsel sei es – zum Beispiel bei Beeren – möglich, diese Schaderreger unterhalb der wirtschaftlichen Schadschwelle zu halten. Eine Bekämpfung der Spargelfliege, welche einen Totalausfall verursachen könnte, sei biologisch nicht möglich. Der alleinige Einsatz von Nützlingen gegen Schadinsekten sei sehr kostspielig und daher schnell unwirtschaftlich und zudem sei die Wirkung häufig alleine nicht ausreichend abgesichert.

Die Dosis macht das Gift: Warum auch Bio-Pestizide wie Kupfer der Umwelt schaden können

Bei pilzlichen Erregern ist beim Bio-Spargel-Anbau der Einsatz von Kupfer und Schwefel erforderlich. Da diese Mittel aber nicht regenstabil seien und der Neuzuwachs nicht geschützt werde, müsste dann öfter behandelt werden. Dies habe allerdings negative Folgen für das Bodenleben. Ein geringerer Einsatz von Herbiziden (Unkrautvernichtern) erfordere mehr Handarbeit. Das wiederum bedeute: mehr Personal oder Anschaffung von Maschinen.

Das sagen die Initiatoren zur Kritik:

Prange sagt: „Nach unserem Wissen gibt es keine wissenschaftliche seriöse Studie, die behauptet, dass Kupfer und Schwefel auf irgendeine Art gefährlicher sind als Glyphosat, Neonicotinoide und Co.“

Ist Glyphosat schuld am Insektensterben? Nach bisherigen Erkenntnissen spielt Glyphosat eher eine untergeordnete Rolle. SWR Wissen klärt auf.

Ganz grundsätzlich halten die Initiatoren wenig von dem Argument, dass ganze Kulturen nicht mehr angebaut werden können, wenn gewisse synthetische Pestizide eingeschränkt werden. „Dass es Totalausfälle geben soll, wenn diese Mittel verboten werden, kann ich in der Praxis nicht nachvollziehen“, ergänzt Prange.

Auf die Frage, wer für das Risiko (eines Totalausfalls) zahlen soll, stellte Prange die Gegenfrage, wer es denn bisher den ökologischen Landwirten zahle. Man müsse aber die Frage der landwirtschaftlichen Umsetzbarkeit mit der Frage nach den Vermarktungsmöglichkeiten getrennt beantworten.

Denn argartechnisch ist es möglich ohne chemisch-synthetische Pestizide Spargel, Erdbeeren und Hopfen zu erzeugen.

Forderung 3: Verbot von Artenvielfalt gefährdenden Pestiziden in Naturschutzgebieten

Das fordern die Initiatoren:

Der Einsatz von Pestiziden, die die Artenvielfalt gefährden, in besonders geschützten Gebieten soll verboten werden. Denn wo Naturschutz draufsteht, soll auch Naturschutz drin sein.

Das ist die Kritik:

Naturschutzgebiet Badberg am Kaiserstuhl (Foto: imago images / blickwinkel)
Das Naturschutzgebiet Badberg am Kaiserstuhl – auch Öko-Winzer kritisieren das Pestizidverbot.

Tettnanger Hopfen schreibt in ihrem offenen Brief auf Facebook dazu, dass der Hopfenbau, wie viele andere Kulturen, aufgrund strengster Zulassungsbestimmungen von Jahr zu Jahr viele Wirkstoffe und damit Pflanzenschutzmittel verliere. Zusätzlich wurden in den letzten Jahrzehnten Schutzgebiete massiv ausgeweitet. Ein Großteil der Produktion von Hopfen, Obst, Wein etc. finde dort unter „eingeschränkten, aber noch praktikablen Bedingungen statt“.

Die Stuttgarter Zeitung erwähnt auch die Kritik von Öko-Winzern. Diese halten das Pestizidverbot in Landschaftsschutzgebieten für überzogen. Fast der gesamte Kaiserstuhl sei ein Landschaftsschutzgebiet, so ein Weingärtner.

Das sagen die Initiatoren zur Kritik:

Der Koordinator des Volksbegehrens Sven Prange bleibt bei der Forderung. Wenn in einem Gebiet etwas spezifisch geschützt werde, dann könne es nicht sein, dass es eine generelle Ausnahme gebe. Sondern dann müssten diese Ausnahmen so spezifisch sein, dass der Schutzzweck nicht unterlaufen werde.

Wenn ich mir angucken, welche Erwartungshaltung Menschen in meinem Umfeld haben, wenn sie hören, dass ein Gebiet als Naturschutzgebiet ausgewiesen ist, dann muss ich feststellen, dass alle außer konventionell arbeitende Landwirte das eigentlich logisch finden.

Forderung 4: Schutz der Streuobstbestände

Das fordern die Initiatoren:

Streuobstwiese in Neuffen, Baden-Württemberg (Foto: imago images / Arnulf Hettrich)
Eine Streuobstwiese in Neuffen, bei Esslingen in Baden-Württemberg.

Streuobst, also Obstbäume, die verstreut auf einer Wiese (mit einer Fläche ab 2.500 Quadratmetern) stehen, müssen geschützt werden, dürften also nicht mehr abgeholzt werden.

Das ist die Kritik:

Bereits das Bienen-Volksbegehren in Bayern zeigte, welche Befürchtungen einige Obstbauern haben: Die Süddeutsche Zeitung zitiert einen Streuobstwiesenbesitzer aus Forchheim, der Obstbäume lieber absägen will, bevor es zum Biotop – also zum Naturschutz – wird. Eine Bewirtschaftung der Bestände sei dann nämlich nicht mehr möglich.

Ein Landwirt aus dem Landkreis Rastatt kritisiert in SWR3 die Forderung, Bestände verpflichtend zu schützen. Wenn solch eine Regelung kommt, befürchtet auch er, dass Bauern Teile ihrer Streuobstbäume fällen. Es lohne sich eine Bewirtschaftung nicht, denn der Mostobstpreis sei bereits sehr niedrig (2018 bei 6,5 Cent pro Kilogramm) und die Pflege, also das Schneiden der Bäume und Ausmähen, koste nur Zeit und bringe nichts ein. „Wir machen das der Landschaft zuliebe.“ Wenn aber Bäume, die sterben, ersetzt werden müssten, bleibe es für immer Mehrarbeit. Die Konsequenz wäre seiner Meinung nach: verwahrloste Streuobstanlagen.

Das sagen die Initiatoren zur Kritik:

Auf die Kritik sagte Prange: „Wir glauben, dass die Sorgen ungerechtfertigt sind. Die ganz normale übliche landwirtschaftliche Nutzung wird nicht beeinträchtigt. Wer seine Streuobstwiesen für Mostobst benutzt, kann das genau so weiter tun.“ Der Bestand, so steht es im Gesetzentwurf, müsse aber erhalten bleiben.

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