So wichtig ist die Autowirtschaft für SWR3Land
In Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz hängen tausende Jobs an der Automobilindustrie. Viele großen Automarken haben ihre Werke in SWR3Land: Daimler in Stuttgart (Sindelfingen und Untertürkheim), Wörth, Rastatt und Gaggenau, Opel in Kaiserslautern, Audi in Neckarsulm und Porsche in Stuttgart-Zuffenhausen. Hinzu kommen zahlreiche Unternehmen, die den großen Konzernen direkt zuliefern und wirtschaftlich von ihnen abhängig sind. Rund eine Million Arbeitsplätze hängen in Deutschland an der Branche – im Südwesten sind mehr als 280.000 Menschen in der Automobilwirtschaft beschäftigt. Damit ist sie hier eine Schlüsselbranche.
Das zeigt sich auch auf dieser Karte: Je dunkler die Felder eingefärbt sind, desto mehr Menschen sind dort in der Automobilbranche beschäftigt.
Es sind nicht nur Arbeitsplätze – und damit Existenzen und Familien – die mitleiden, wenn es der Branche nicht gut geht. Für viele Gemeinden im Südwesten ist die Gewerbesteuer essenziell. Ein Beispiel ist die Stadt Uhingen in Baden-Württemberg, die der SWR für die Dokumentation Hat das Auto Zukunft? Der Kampf um unseren Wohlstand besucht hat. Hier gibt es viele Betriebe, die direkte oder indirekte Zulieferer für die Automobilbranche sind. Umsatzrückgänge machen sich bei der Gewerbesteuer bemerkbar und das reißt wiederum ein Loch in den Finanzhaushalt der Stadt. Geld, was zum Beispiel für die Sanierung von Straßen, Schulen und Kindergärten verwendet werden könnte.
Wenn die Automobilindustrie gut läuft, dann geht es uns gut und wenn die eine Erkältung hat, ist die Stadt Uhingen richtig krank.
Warum geht es der Automobilbranche schlecht?
Der Grund für die Situation der Autowirtschaft ist nicht nur die Corona-Krise – das Problem gibt es schon länger. Handelskonflikte mit den USA und China und der Brexit setzten der Branche zu: Die sorgten für Unsicherheit – zudem machten steigende Preise Käuferinnen und Käufer im Ausland vorsichtig. Und dann gibt es natürlich noch das große Thema: Der Wandel.
Ein Blick auf die Zahlen des Statistischen Bundesamtes zeigt: Die Automobilproduktion geht in Deutschland zurück. Im Oktober 2009 wurden noch mehr als 508.000 Pkw produziert, im Oktober 2020 liegt diese Zahl nur noch bei mehr als 382.000. Die Statistik zeigt auch: Im Corona-April 2020 brachen die Zahlen gravierend ein, es wurden demnach nur noch etwas mehr als 11.000 Pkw produziert.
Bei den Herstellern und Zulieferern entstand Überkapazität – sie sind also nicht ausgelastet. Automobilexperte Stefan Bratzel sagte zu tagesschau.de:
Die Corona-Krise hat bestimmte Trends beschleunigt, die aber vorher schon da waren. (...) Schon 2019 wussten wir, dass die Branche Überkapazitäten hat und dass die fetten Jahre vorbei sind.
Seit Jahrzehnten setzt die Branche auf den Verbrennungsmotor. Aktuell entsteht der Eindruck: Wohin die Zukunft der Automobilindustrie steuert, ist in Deutschland nach wie vor offen. Klar scheint nur eines: Es muss sich etwas ändern. Fahrtrichtung: Möglichst umweltschonender. Die Unsicherheit, welcher Antrieb für die Zukunft Verbindlichkeit hat, zeigt sich auch bei einem Blick darauf, welche Autos Menschen in Deutschland neu zulassen.
In den letzten Jahren ist die Anzahl der Pkw-Neuzulassungen nach Angaben des Statistischen Bundesamts kontinuierlich gestiegen. 3,61 Millionen Autos wurden im Jahr 2019 neu zugelassen. Bis zum Dieselskandal 2016 waren beide Verbrennungsmotoren, Benzin und Diesel, gleichermaßen beliebt. Danach sinken die Zulassungen von Diesel-Pkw drastisch. Elektro- und Hybridantriebe spielen nach wie vor eine geringe Rolle. Und das trotzt staatlicher Prämien: In Deutschland gibt es momentan den sogenannten Umweltbonus. Der gilt für alle, die sich ein Elektroauto kaufen wollen. Wenn ein reines E-Fahrzeug einen Listenpreis von unter 40.000 Euro nicht überschreitet, bekommen Käuferinnen und Käufer einen Zuschuss von 6.000 Euro. Kostet der Wagen mehr gibt es 5.000 Euro. Für Plug-In-Hybride bekommen Käuferinnen und Käufer bei einem Preis unter 40.000 Euro 4.500 Euro, kostet das Fahrzeug mehr, gibt es 3.750 Euro. Die Kosten dafür teilen sich der Bund und die Automobilindustrie.
Wer ist verantwortlich für die Auto-Krise?
Die Automobilindustrie muss nicht nur den Umstieg auf alternative Antriebe stemmen – sie muss sich auch fragen, wie viele Arbeitsplätze das am Industriestandort Deutschland kosten wird. Viele Automobilzulieferer in SWR3Land haben bereits angekündigt, Stellen einzusparen. Die Transformation kostet Arbeitsplätze.
Erst kürzlich gab die Bundesregierung bekannt, dass sie mit weiteren drei Milliarden Euro der Autobranche aus der Corona-Krise helfen wolle. Bereits im Sommer hatte sie zwei Milliarden Euro zugesagt. Regierungssprecher Steffen Seibert begründete die neuen Hilfen mit einem „langfristigen Strukturwandel“, der „große Herausforderungen“ mit sich bringe. Allerdings zeigten sich nach starken Absatzeinbrüchen in der ersten Jahreshälfte wieder erste Anzeichen der Erholung, so Seibert.
Was ist das für ein Signal?“, kommentiert SWR-Wirtschaftsredakteur Michael Wegmer. „Es werden die Unternehmen gefördert, die eine Entwicklung jahrelang verpennt, die Tesla verspottet haben. Und die Jahre und jahrzehntelang Milliardengewinne mit Verbrennern gemacht haben.“

Nachrichten Kommentar: Autogipfel nerven!
- Dauer
Für mich das Unwort des Jahres 2020: Autogipfel. Wer von außen auf Deutschland schaut, könnte zu dem Schluss gelangen, dass unsere Zukunft nur noch von Autogipfeln im Kanzleramt und der Zahl an E-Autos auf deutschen Straßen bestimmt wird.
Die deutschen Autobauer haben den Wandel verschlafen. Vom alten Verbrenner auf neue Technologien umzusteigen ist nichts, was schnell geht – und es wird wahrscheinlich noch mehr Arbeitsplätze kosten. Denn einfach so umrüsten geht nicht. Arbeitnehmer, die mit Verbrennungsmotoren gearbeitet haben, können nicht einfach so für die Produktion eines Elektroautos eingesetzt werden. Vor der Automobilbranche liegt eine Mammutaufgabe. Es liegt jetzt an den führenden Köpfe dort, Verantwortung für hunderttausende Beschäftigte zu übernehmen, und – wenn auch mit gravierender Verspätung – zu versuchen, die großen Autokonzerne möglichst sicher durch den Strukturwandel zu führen.