Was kann Wasserstoff wirklich? Diese Frage ist durchaus berechtigt, denn die Bundesregierung steckt mit der Nationalen Wasserstoff-Strategie immerhin neun Milliarden Euro in Forschung, Infrastruktur und internationale Partnerschaften. Ein großer Teil davon fließt in verschiedene Industrieprozesse. Allerdings betrifft die Wasserstoff-Strategie auch Bürgerinnen und Bürger, die nicht in der Stahlerzeugung oder im Chemiewerk arbeiten, zum Beispiel auch im alltäglichen Straßenverkehr. Ist da Wasserstoff die Zukunft? Oder läuft es doch in Richtung E-Auto? Und was ist eigentlich mit synthetischen E-Fuels?
Wie entsteht Wasserstoff?
Bevor wir dann aber in die Feinheiten der Technologie gehen: Was ist eigentlich Wasserstoff und wie können wir den nutzen? Die Voraussetzungen klingen erst einmal ziemlich perfekt: Das Element Wasserstoff gibt es praktisch unbegrenzt auf der Erde. Als Kraftstoff verursacht er neben Wasserdampf fast keine Abgase. Keine CO2-Emissionen, kein Feinstaub durch den Motor, deutlich geringere Mengen Stickoxid. Und im Wasserstoff-Gas steckt ziemlich viel Energie. Viele kennen sicher noch das Experiment aus dem Chemieunterricht, bei dem man Sauerstoff und Wasserstoff mischt und dann anzündet. Das Gemisch heißt Knallgas und der Name hat einen Grund: Beim schnellen Abbrennen des Wasserstoffs entsteht nicht nur Hitze, sondern eben auch ein lautes Geräusch.
Allerdings hat die Wasserstoff-Technologie einen Haken: Die Herstellung von Wasserstoff ist sehr aufwendig. Das Element taucht in der Natur fast nur in Verbindung mit anderen Stoffen auf: mit Sauerstoff im Wasser, mit Kohlenstoff in Methan oder in Erdöl. Damit der Wasserstoff für uns als Energiequelle nutzbar ist, brauchen wir ihn aber als reines Gas: H2. Die größte Herausforderung ist es also, Wasserstoff in reiner Form zu produzieren. Und das ist enorm energieintensiv.
Aktuell läuft das vor allem über die Dampfreformierung. Dabei reagieren unter Energiezufuhr vor allem Erdgas und Wasserdampf. Es entstehen Wasserstoff, H2, und eine große Menge Kohlendioxid, CO2. Das Gas heißt deswegen auch „grauer“ Wasserstoff, denn die Umweltbilanz wird beim Wasserstoff mit Farben veranschaulicht. Und bei der Dampfreformierung ist sie eben weit davon entfernt, klimafreundlich zu sein. Für das globale Klima ist der „grüne“ Wasserstoff am besten. Und das bedeutet, Strom spaltet bei der sogenannten Elektrolyse Wasser in seine Bestandteile Wasserstoff und Sauerstoff. Dabei ist wichtig, dass der Strom eben auch nachhaltig gewonnen wird, denn sonst ist die Klimabilanz wiederum bedenklich. Der Anteil an nachhaltigem Wasserstoff beträgt weltweit aber heute gerade einmal 2 Prozent. Und es gibt noch ein Problem: Das grüne Verfahren ist nicht besonders effizient: Bis zu einem Drittel der nutzbaren Energie geht verloren – vor allem durch Abwärme.
Problem: Transport von Wasserstoff
Aber nehmen wir an, wir hätten ausreichend erneuerbar produzierten Strom, um diese Verluste hinnehmen zu können. Dann haben wir jetzt Wasserstoff als Gas. Das heißt, zwischen den einzelnen Molekülen ist viel Platz, verglichen mit flüssigem Kraftstoff wie zum Beispiel Benzin. Das bedeutet, die Energiedichte ist viel geringer.
Natürlich kann man den Wasserstoff nicht in riesigen Luftballons transportieren, daher muss man ihn kompakter machen. Das geht bei Gasen auf zwei Wegen. Entweder kühlt man das Gas ab, bis es zu einer Flüssigkeit kondensiert. Im Fall von Wasserstoff ist dazu eine Temperatur von minus 253 Grad Celsius erforderlich. Alternativ lässt sich das Gas komprimieren, die meisten Autotanks nehmen den Wasserstoff mit einem Druck von etwa 700 Bar auf. Und auch hier ist das Problem wieder offensichtlich: Diese extremen Bedingungen herzustellen ist wiederum aufwendig und energieintensiv.
Wasserstoff-Auto: So funktioniert es
Wasserstoff-Autos – oder technisch richtig gesagt – Brennstoffzellen-Autos ähneln einem E-Auto. Sie haben ebenso eine Batterie, die ist aber nicht so groß wie die im E-Auto. Die Batterie speichert zum Beispiel Bremsenergie und dient als Puffer. Ansonsten erzeugen Wasserstoff-Autos ihren Strom selbst. Sie sind sozusagen ein kleines Kraftwerk auf Rädern. Ihr Herzstück ist die Brennstoffzelle. In der Zelle passiert im Prinzip das Gegenteil der Elektrolyse, bei der mittels Strom Wasser gespalten wird: Der Wasserstoff aus dem Tank reagiert mit Sauerstoff aus der Umgebungsluft. Dabei wird, wie bei der Knallgas-Reaktion, Energie frei. Allerdings läuft die Umwandlung des Gasgemischs in der Brennstoffzelle chemisch und kontrolliert ab. Sie erzeugt Strom und der wiederum kann dann die Batterie laden oder den Elektromotor antreiben.
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Was ist der Unterschied zum Elektro-Auto und zu E-Fuels?
Der Antrieb ist also mit dem eines klassischen Elektroautos vergleichbar, aber der Wirkungsgrad ist der entscheidende Punkt. Der Wirkungsgrad beschreibt, wie viel Energie der Motor benötigt, um die gleiche Leistung zu erzielen – zum Beispiel, um ein Auto 100 Kilometer weit zu bewegen. Beim E-Auto ist der Weg vom Strom aus dem Windrad bis zum Fahren des Fahrzeugs in wenigen Schritten erklärt: Der Strom lädt die Batterie, die Batterie betreibt den Motor. Nach einer Studie der Agora Verkehrswende von 2018 beträgt der Wirkungsgrad etwa 69 Prozent. Die Effizienz batterieelektrischer Autos wurde zuletzt durch die Forschung ständig weiterentwickelt.
Bei der Brennstoffzelle sind das mehr Schritte: Der erneuerbare Strom wird hergestellt, betreibt eine Elektrolyse-Anlage, die Wasser aufspaltet. Der Wasserstoff muss von dort zur Tankstelle transportiert, getankt und dann wieder zurück zu Strom umgewandelt werden. Erst dann fährt das Auto. Von jeder Kilowattstunde Energie zur Herstellung bleiben nur noch ungefähr 26 Prozent für die Fahrleistung übrig. Das Wirkungsgrad ist demnach deutlich geringer als bei einem klassischen Stromer.

Eine Alternative wurde bisher jedoch noch nicht angesprochen: die synthetischen Kraftstoffe oder E-Fuels. Das sind quasi die gängigen Kraftstoffe, beispielsweise Diesel, Benzin oder Kerosin. Der große Unterschied ist aber: Sie werden nicht aus Erdöl gewonnen, sondern industriell aus erneuerbaren Energien und Wasserstoff hergestellt. Der Vorteil dabei ist, dass keine fossilen Rohstoffe verbrannt werden, außerdem laufen die existierenden Motoren problemlos mit diesem Treibstoff, der sogar eher reiner ist als das Erdöl-Produkt. Doch wie so oft ist auch dieser Lösungsansatz kein Allheilmittel gegen den Klimawandel. E-Fuels haben die gleichen Probleme wie der Wasserstoff, aus dem sie gemacht werden. Nur: Sie erfordern noch einen Umwandlungsschritt mehr. Zudem sind Verbrennungsmotoren wiederum nicht so effizient wie Elektromotoren. Der Wirkungsgrad nach dem aktuellen Stand der Technik beträgt, inklusive der Herstellung der synthetischen Kraftstoffe, gerade einmal 13 Prozent.

Wollen wir also unsere jetzigen Motoren einfach in großem Maßstab mit wasserstoffbasierten Kraftstoffen weiter nutzen, verschwenden wir viel zu viel Energie, sagt der Umweltrat, ein Beratungsgremium der Bundesregierung. Das Ziel des aktuellen Klimaschutzgesetzes schreibt im Verkehrssektor einen Rückgang der Emissionen von 40 bis 42 Prozent im Vergleich zu 1990 vor. Mit dieser Technologie allein – laut Umweltrat – unmöglich. Im großen Maßstab ist das Wasserstoff-Auto in näherer Zukunft also wohl eher nicht zu erwarten. Um den negativen Effekt auf das Klima auszugleichen, müssten deutlich größere Anteile des produzierten Stroms aus erneuerbaren Quellen stammen. Wie aber sieht es im Einzelfall aus? Ist da das Wasserstoff-Mobil für den ein oder anderen doch attraktiv?
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Kann ich mir trotzdem ein Wasserstoff-Auto kaufen?
Wer darüber nachdenkt, sich ein Auto mit Brennstoffzelle zu kaufen, der wird erst einmal merken: Die Auswahl ist sehr beschränkt. Auf dem europäischen Markt sind aktuell nur zwei Modelle serienmäßig zu haben: Der Hyundai Nexo und der Toyota Mirai. Die Produktion des Mercedes GLC F-Cell wurde schon wieder eingestellt. Und die Autos sind ganz schön teuer: Sie kosten zwischen 63.000 und 77.000 Euro. Die Reichweite ist dafür etwas besser als bei den meisten E-Autos.
Je nach Modell sind 550 bis 650 Kilometer pro Tankfüllung möglich. Die meisten Stromer müssen nach spätestens 450 Kilometern an eine Ladesäule. Apropos laden: Das Tanken läuft beim Wasserstoffauto fast wie an einer normalen Zapfsäule und geht auch ähnlich schnell – wenn man eine Wasserstoff-Tankstelle gefunden hat. Bis Ende des Jahres soll es in Deutschland insgesamt 130 Stück geben. Das ist nicht besonders viel, aber im Vergleich mit unseren europäischen Nachbarn ist die Lage in Deutschland sogar noch verhältnismäßig gut: In Frankreich stehen zum Beispiel landesweit nur fünf öffentliche Wasserstoff-Tankstellen zur Verfügung, in der Schweiz drei und in Belgien nur zwei. Automobilhersteller und Tankstellenbetreiber stehen hier vor einem Henne-Ei-Problem: Die Hersteller investieren bei einer so lückenhaften Infrastruktur nicht in diesen Bereich, da sie geringe Absätze erwarten. Solange es aber nicht mehr Wasserstoffautos gibt, lohnt sich der teure Ausbau zur Wasserstoff-Tankstellen nicht.
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Wie sicher sind Wasserstoff-Autos?
Und dann ist da noch ein Gedanke, der beim Wasserstoff auch immer mitschwingt: Ist das Auto überhaupt sicher? Oder fliegt dem Fahrer der Tank beim ersten Zusammenprall um die Ohren? Das Europäische Parlament hat schon 2009 vorgesorgt und genaue Sicherheitsstandards festgelegt, inklusive Crash-Tests. Kommt es aber doch zu einem Brand, hat Wasserstoff sogar einen kleinen Vorteil: Weil das Gas leichter als die Umgebungsluft ist, zieht es eher nach oben weg. Anders sieht das bei schweren Benzindämpfen aus, bei denen das Auto oft komplett ausbrennt. Ausgerechnet diese Sicherheitsmaßnahmen bedeuten allerdings für das Wasserstoff-Auto eine noch schlechtere Umweltbilanz. Denn der sehr stabile Tank aus Carbonfasern verschlingt in der Herstellung eine Menge Energie. Und zwar so viel, dass der Energieaufwand im Vergleich zu allen anderen Antriebsarten schon bei der Produktion höher ist. Dazu kommt der Bedarf an seltenen Mineralien wie Titan für die Brennstoffzelle.
Die Bilanz des Wasserstoff-Mobils ist also insgesamt zumindest durchwachsen. Aber es gibt durchaus Bereiche, in denen der Wasserstoff eben doch eine entscheidende Rolle spielen könnte.
Wo kann Wasserstoff die bessere Alternative sein?
Wasserstoff wird von vielen als aussichtsreicher Energieträger der Zukunft gesehen. Weil wir aber von einer vollständig nachhaltigen Energieversorgung weit entfernt sind, lohnt sich der aufwendige Einsatz von Wasserstoff nur an einigen ausgewählten Positionen. Reicht ein klassischer Elektromotor mit Akku aus, ist der im Normalfall effizienter. Aber manchmal kommt die Elektrifizierung an ihre Grenzen. Beispielsweise für ein Containerschiff oder auch ein Flugzeug liefert eine Batterie nicht mit der notwendigen Ausdauer und Leistung genügend Energie. Eine solche Batterie wäre viel zu groß und bei weitem zu schwer. Hier könnte der Wasserstoff eine Lösung sein. Aber auch schon Züge und LKW fahren weite Strecken mit großem Gewicht und könnten mit einer Brennstoffzelle besser ausgerüstet sein. Gerade bei LKW rüsten einige Hersteller in diesem Bereich auf.
Die Möglichkeiten für den Wasserstoff sind aber auch längst noch nicht alle erforscht. Ständig gibt es da neue Entwicklungen und Innovationen, die einige Nachteile der Wasserstoff-Technologie beheben könnten. Langlebigere und günstigere Brennstoffzellen oder eine sogenannte Wasserstoffpaste mit einer vielfachen Energiedichte sind nur ein paar Beispiele, die in den letzten ein bis zwei Jahren entwickelt wurden. Das Forschungspotenzial ist noch längst nicht ausgeschöpft.
Fazit: Sind Wasserstoff-Autos eine gute Alternative?
- Die Produktion von Wasserstoff ist sehr energieintensiv. Und besonders weil wir aktuell noch weit davon entfernt sind, unseren Energiebedarf nur mit erneuerbaren Energien zu decken, sollten wir gut mit der Energie haushalten.
- Wie klimafreundlich Wasserstoff ist, das hängt entscheidend davon ab, ob er mit erneuerbaren Energien hergestellt wurde. Aktuell wird der überwiegende Teil des Wasserstoffs noch in einem Verfahren mit großem Treibhausgas-Ausstoß gewonnen.
- Oft ergibt es daher Sinn, dass wir elektrischen Strom direkt einsetzen. Zum Beispiel eben auch im alltäglichen Verkehr mit dem Auto in der Stadt. Elektromotoren sind dort deutlich effizienter.
- In anderen Bereichen ist es aber einfach nicht möglich, auf eine Batterie umzusteigen. Beim Flugzeug oder dem Schiff zum Beispiel und in großem Maße bei Industrieprozessen. Da können Wasserstoff und E-Fuels doch noch umweltfreundlichere Alternativen werden – wenn genug grüner Strom da ist.