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Inga Haupt
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Vanessa Valkovic
Vanessa Valkovic (Foto: SWR3)

Kann es sein, dass in zehn Jahren schwere Nebenwirkungen der Corona-Impfung auftreten? Fußball-Nationalspieler Joshua Kimmich sagte, er habe Bedenken „gerade, was fehlende Langzeitstudien angeht“. Was sagt die Wissenschaft dazu? Wir machen den Faktencheck!

Am vergangenen Wochenende machte Fußballer Joshua Kimmich vom FC Bayern Schlagzeilen – neben dem Platz: Er sagte am Samstagabend, dass er nicht gegen Corona geimpft sei. Er habe „persönlich noch ein paar Bedenken, was fehlende Langzeitstudien angeht“. Kimmich ist nicht der Einzige, der sich deshalb Sorgen macht. Das zeigt sich unter anderem an den Suchanfragen zu diesem Thema, die bei Google anschließend in die Höhe schossen. Eine Umfrage im September 2021 zeichnet ein ähnliches Bild: Fast ein Viertel der Ungeimpften gab an, dass sie Bedenken hätten wegen unbekannter Spätfolgen. Was sagen die Fakten? Sind die Ängste gerechtfertigt?

Was genau ist mit Langzeitstudien gemeint?

Wenn Joshua Kimmich mit „Langzeitstudien“ meint, dass bisher keine jahrzehntelange Erfahrungen zur Wirksamkeit und Verträglichkeit der Covid-Impfstoffe vorliegen, dann hat er natürlich Recht. Die Impfstoffe wurden erst 2020 zugelassen. Die Bedenken richten sich meistens aber weniger gegen die Studienlage als vielmehr gegen mögliche Nebenwirkungen, die erst Monate oder Jahre nach der eigentlichen Impfung auftreten könnten.

Gibt es schwere Nebenwirkungen der Covid-Impfung?

Bisher sind bereits einige, zum Teil auch schwere und sehr seltene Nebenwirkungen der Impfstoffe bekannt. Dazu zählen zum Beispiel Perikarditis, die Entzündung des Herzbeutels, oder Myokarditis, die Entzündung des Herzmuskels. Auch Sinusvenenthrombosen, die Verstopfung von bestimmten Blutgefäßen im Gehirn, sind infolge von Covid-Impfungen aufgetreten und auf den Impfstoff zurückzuführen.

Nebenwirkungen dieser Art werden sowohl vor der Zulassung von Impfstoffen als auch danach beobachtet. Das Paul-Ehrlich-Institut und die Europäischen Arzneimittelbehörde informieren auf ihren Websites über das „Sicherheitsprofil“ zu den bekannten Nebenwirkungen der einzelnen Impfstoffe. Für den Impfstoff Comirnaty von Biontech und Pfizer werden beispielsweise Myokarditis und Perikarditis – also die Entzündung des Herzbeutels oder Herzmuskels – aufgeführt.

Wie stark sich das Risiko für diese Erkrankungen durch eine Impfung erhöht, ist nicht sicher, denn das hängt auch von Faktoren wie Vorerkrankungen, Geschlecht und Alter der jeweiligen Person ab. Dennoch zeichnet sich deutlich ab, dass es sich um sehr seltene Nebenwirkungen zu handeln scheint: Auf 100.000 geimpfte Personen kommen laut dem Immunologen Carsten Watzl ein bis zwei Fälle von Sinusvenenthrombosen. In Bezug auf Herzmuskelentzündungen tritt unter 16.000 geimpften Personen durchschnittlich ein Fall auf. Laut einer Studie aus Israel mit Daten von rund 1,7 Millionen Menschen ist das Risiko, an einer Herzmuskelentzündung zu erkranken, bei einer Covid-Infektion selbst übrigens deutlich höher als bei einer Impfung.

(1) Nachdem ich mich heute bei der dpa zu Langzeitfolgen bei Impfungen geäußert habe, fühlen sich viele Menschen dazu berufen, mir per Email die 'Wahrheit' mitzuteilen. Daher hier mal ein 🧵 Spoiler: Vor Langzeitfolgen der COVID-19 Impfung muss man keine Angst haben!

Wann treten die Nebenwirkungen einer Impfung auf?

In einem aktuellen Sicherheitsbericht (Stand: 26.10.2021) schreibt das Paul-Ehrlich-Institut, dass beispielsweise Symptome von Herzbeutel- und Herzmuskelentzündungen typischerweise nach einigen Tagen auftreten. Kann es aber auch Jahre später noch zu Effekten kommen, die heute noch nicht absehbar sind? Der Vorsitzende der Ständigen Impfkommission (Stiko) in Deutschland, Prof. Thomas Mertens, gibt allgemein Entwarnung.

Bei den allermeisten Impfstoffen, die wir tagtäglich bei Menschen anwenden, sind solche Langzeitwirkungen tatsächlich nie aufgetreten. Es gibt einige Ausnahmen: Das sind einige Grippeimpfstoffe, bei denen in sehr seltenen Fällen – das meint tatsächlich extrem seltene Fälle – es mit zeitlicher Verzögerung zu neurologischen Manifestationen gekommen ist.

Sind die neuartigen mRNA-Impfstoffe gefährlich?

Einige der zugelassenen Covid-Impfstoffe basieren erstmals auch auf der mRNA-Technik. Sie arbeiten mit sogenannten Messenger-Molekülen. Für manche Menschen stellt sich die Frage, wie sicher diese neue Technik ist und ob für diese Impfstoffe Langzeitfolgen mit Sicherheit ausgeschlossen werden können.

Also ich halte das Risiko für außerordentlich gering oder nicht existent. Und es gibt derzeit auch keinen Hinweis darauf, dass ein solches Risiko bestünde. Man muss sich klarmachen, dass ein mRNA-Impfstoff nach zwei Wochen wieder aus dem Körper des Geimpften verschwunden ist. Denn diese mRNA wird wie jede andere mRNA in kürzester Zeit vom Körper abgebaut. Dieser Prozess des Abbaus nach relativ kurzer Zeit ist also sehr gut untersucht .

Vereinfacht kann man sich einen mRNA-Impfstoff als WhatsApp-Nachricht vorstellen. Bei der Messenger-mRNA handelt es sich um Botenmoleküle, die Informationen transportieren. Übertragen auf die WhatsApp-Nachricht ist das vergleichbar mit einer Do-it-yourself-Anleitung für die Herstellung eines bestimmten Spike-Proteins, das ein wichtiger Bestandteil des Coronavirus ist. Im Körper von Geimpften kann dieses Spike-Protein nun nachgebaut werden. Der Körper erkennt dies, bildet Antikörper und baut dadurch eine Immunität auf. Diese Botenmoleküle sind allerdings zerbrechlich. Im menschlichen Körper werden sie schnell wieder abgebaut. Die Nachricht wird quasi wieder gelöscht.

Baden-Baden

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Langzeitfolgen bei anderen Impfungen

Tatsächlich gab es in der Geschichte bereits extrem seltene Langzeitfolgen bei anderen Impfungen. Ein Beispiel ist die Impfung gegen das Dengue-Fieber. Das hat zu Missverständnissen in Bezug auf die Corona-Impfung geführt.

Denn der sprichwörtliche Teufel steckt hier im Detail: Die Folgen selbst traten bereits kurz nach der Impfung gegen das Dengue-Fieber auf. Der kausale Zusammenhang mit der Impfung wurde allerdings erst Jahre später entdeckt und statistisch sichtbar. Grund dafür ist, dass nur eine sehr kleine Gruppe an Geimpften betroffen war: Bei einigen wenigen Kindern, die zuvor noch nie an Dengue-Fieber erkrankt waren, konnte der Impfstoff das Risiko für schwere Krankheitsverläufe erhöhen.

Für die Entdeckung dieser Zusammenhänge war in erster Linie allerdings nicht die Zeit relevant, die seit der Impfung vergangen ist. Es ist durchaus möglich, dass auch länger andauernde Studien diesen Effekt nicht hätten aufdecken können. Entscheidend ist vielmehr die Anzahl der geimpften Personen, denn sehr seltene Nebenwirkungen werden in der Statistik erst erkannt, wenn eine möglichst große Gruppe an Menschen geimpft wurde. Bei dieser Personengruppe werden Erkrankungen erfasst und mit denen von nicht geimpften Personen verglichen. Treten Nebenwirkungen etwa nur bei einer Person unter 100.000 Geimpften auf, dann muss auch eine entsprechend große Anzahl an Menschen geimpft sein, um diese Folge überhaupt feststellen zu können.

Durch die große Gruppe an geimpften Menschen konnten in Zusammenhang mit der Covid-Impfung auch seltene Nebenwirkungen schnell sichtbar und damit auch erfasst werden. Knapp sieben Milliarden Covid-Impfungen wurde bisher weltweit verabreicht. Theoretisch hätten hier auch äußerst seltene Nebenwirkungen bereits auftreten müssen. Die große Anzahl ist auch der Grund, warum die seltenen Sinusvenenthrombosen relativ schnell erkannt werden konnten.

Wissenschaftlich belegt sind hingegen die gravierenden Langzeitfolgen einer Covid-Infektion. Laut einer chinesischen Studie vom August 2021 leiden auch ein Jahr nach einer Covid-Infektion mehr als ein Drittel der Infizierten an Kurzatmigkeit.

Für den Vorsitzenden der Ständigen Impfkommission, Prof. Thomas Mertens, ist die Angst vor Langzeitfolgen „irrational“:

„Das Prinzip, was dahinter steckt, ist, dass man ein völlig angenommenes, unbewiesenes und nicht beobachtetes Risiko postuliert und das auf die Waagschale wirft – und auf der anderen Seite der Waagschale steht eine sehr gute Wirksamkeit des Impfstoffs, der unendlich viele Menschenleben auch bei uns, gerade bei den Älteren, gerettet hat. [...] Das ist das, was man als irrational bezeichnen kann. Irrational deshalb, weil es keinen Hinweis gibt, dass es dieses Risiko überhaupt gibt.”

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Fazit: Gibt es gefährliche Langzeitfolgen der Corona-Impfung?

Führende Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen sind sich einig:

  • Noch unentdeckten und erst spät entstehenden schweren Nebenwirkungen einer Covid-Impfung sind unwahrscheinlich. Es gibt keine Hinweise auf eine solche Gefahr und viele belegbare Argumente, die dagegen sprechen.
  • Die Immunreaktion auf die Impfung ist rasch abgeschlossen. Deshalb ist es unwahrscheinlich, dass Jahre später noch neue, schwere Nebenwirkungen auftreten.
  • Wie schnell mögliche seltene Nebenwirkungen erkannt werden, hängt weitgehend davon ab, wie groß die Gruppe der Geimpften ist. Im Fall der Covid-Impfung ist diese Gruppe sehr groß. Nebenwirkungen im Zusammenhang mit den Impfstoffen konnten daher bereits erkannt und erfasst werden.

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