Fake CSU-Kampagne zur Bundestagswahl: Seehofer überraschte mit Kurswechsel
Der Instagramaccount csu_endlich_dahoam präsentierte die CSU von ihrer besten Kampagnen-Seite – könnte man jedenfalls meinen. In Posts wie „Wir sagen nein zum Tempolimit!“ oder „An unsere Bauern: Danke für eure wertvolle Arbeit!“ wurden seit Mitte April verschiedene Themen für den Wahlkampf der CSU präsentiert. Darunter auch ein Video, in dem sich eine Stimme mit bayrischem Akzent, erinnernd Horst Seehofer, über eindrücklichen Aufnahmen von Menschen auf der Flucht für eine gelockerte Asylpolitik ausspricht:
Ab sofort sollen die Bundesländer, die bereits signalisiert haben, genug Aufnahmekapazitäten zu haben, die Erlaubnis erhalten, Menschen aufzunehmen und wenn rechtens Aufenthaltsgenehmigungen auszustellen.
Das Umdenken hat viele verwundert – waren diese Ansichten doch bisher eher unüblich für den Bundesminister des Innern. Nach kurzer Zeit hatte der Account über 1000 Abonnenten und über 50.000 Abrufe auf dem Video. Auch Personen wie Klaas Heufer-Umlauf und Henning May folgten ihm.

Auf den Instagramaccount folgte am 23. Juni eine professionelle Website, die mit einem offenen Brief, ebenfalls angeblich von Horst Seehofer, eröffnet. In emotionalen Worten erklärt er die Gründe für seinen unerwarteten Kurswechsel:
Die Flüchtlingspolitik ist in unserem Land seit 2015 immer ein Streitthema gewesen. Sie kennen mich und meine Haltung zu dem Thema. In den Worten von Papst Franziskus: „Man kann nicht mehr Flüchtlinge aufnehmen, als man integrieren kann.“ Trotzdem schmerzt mein Herz beim Anblick von Kindern in den Flüchtlingslagern. Stellen sie sich nur ihre eigenen Töchter und Söhne an einen solch unwirklichen Orten vor – geplagt von Angst, Hunger, Kälte und Unsicherheit. Am Ende meiner politischen Karriere plagt mich, dass diese Kinder weder eine Bildung noch eine Zukunft haben.
Für viele Initiativen waren die neuen Töne, die auch lediglich auf dieser Website veröffentlicht wurden, zu schön um wahr zu sein. Und auch SWR3-Recherchen zeigten, dass es sich bei der Online-Kampagne um einen Fake handelt. Inzwischen wurde der Instagramaccount gesperrt.
Das Fake-Problem: Durch Professionalität gut kaschiert

Fake-Websites sind meist durch ein unvollständiges, falsches oder widersprüchliches Impressum leicht zu erkennen. In diesem Fall wurde jedoch mit offiziellen Angaben entsprechend der offiziellen CSU-Website gearbeitet, so dass von dieser Seite ein professionelles Auftreten vermutet werden konnte.
Auch die Posts auf Instagram waren im einheitlichen CSU-typischen Stil gehalten und hochwertig produziert. In das Design und die Inhalte wurde offensichtlich viel Arbeit gesteckt, um Hinweise auf Falschmeldungen gut zu verstecken.
Fake News? So kannst du sie erkennen!
CSU und BMI dementierten die Mitwirkung an der Kampagne
Steve Alter, Sprecher des Bundesministers des Innern, erklärte auf Twitter, dass die Kampagne in keiner Verbindung zum Ministerium oder Horst Seehofer steht:
Die CSU teilte auf Nachfrage von SWR3 ebenfalls mit, dass es sich um keinen offiziellen Internetauftritt der Partei handle. Zudem werden mögliche Beweggründe für die Seitenbetreiber genannt:
Es ist der Versuch, mit Fälschungen politisch zu manipulieren. Da vorgegeben wird, dass es sich um einen offiziellen Account der CSU handeln würde, prüfen wir Schritte dagegen.
Nachdem die eigentlichen Seitenbetreiber zunächst unklar waren, bekannte sich dann aber nach Recherchen und auf Nachfrage von SWR3 eine Verbindung von Aktionskünstlern zu der Aktion.
Creative Sisters United: „Irritation sorgt für Aufmerksamkeit“
Mit der Kunstaktion möchte das Kollektiv auf die noch immer problematische Situation hinweisen, in der sich Geflüchtete befinden. So heißt es in ihrem Schreiben an die Redaktion:
Weder Horst Seehofer noch die CSU setzen sich für Geflüchtete und christliche Werte ein. #Endlichdahoam ist eine Kunstaktion, die dafür sorgen soll, dass geflüchtete Menschen und die unmenschlichen Zustände in Lagern wie Kara Tepe im Wahlkampf nicht in den Hintergrund rücken. Unser Ziel: Aufmerksamkeit! Durch die Irritation und damit Diskussion über die Echtheit des Videos, soll dem Thema #wirhabenplatz #lLeaveNoOneBehind wieder mehr Beachtung bekommen.
Auf einem neu eingerichteten Kanal bezieht das Kollektiv ebenfalls Stellung und veröffentlicht folgendes Bekennungsschreiben:
Fake-Website: Was sind die Anzeichen?
Abgesehen vom professionellen Design der Website gibt es einige Unstimmigkeiten, an denen der Fake erkannt werden konnte:
- Die Website wird von den Seychellen gehostet. Das ist ungewöhnlich, beachtet man, dass alle Websites der CSU in Deutschland gehostet werden.
- Personen, die auf der Website erwähnt werden, existieren nicht. So werden beispielsweise ein Pfarrer und eine Sprecherin aufgeführt. Weder die beschriebenen Vereinigungen wie „Bündnis Aufnahme-Jetzt" noch die angegebenen Namen konnten durch Recherchen bestätigt werden.
- Die Bilder, die anscheinend diese Personen zeigen sollen, sind auf andere Quellen zurückzuführen. Darunter etwa eine Buchautorin, die keine Verbindung zur hier genannten Position hat.

Konsequenzen für das Kollektiv noch nicht bekannt
Welche Konsequenzen die Aktion für die Initiatoren haben wird, ist derzeit noch nicht bekannt. Auf Nachfrage teilte die CSU mit, rechtliche Schritte gegen die Seitenbetreiber zu prüfen. Konkrete Ergebnisse sind allerdings noch nicht veröffentlicht.
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