„Globuli wirken – oder wie sonst ist dann bitte meine Erkältung weggegangen?“ Homöopathie ist der Klassiker, wenn es um Streitereien zwischen Freunden, aber auch Ärzten geht. Wir wollten es mal ganz genau wissen: Was weiß man heute im Jahr 2021 über diese Produkte?
Was ist Homöopathie?
Homöopathie ist eine Form der alternativen Medizin, sie hat wenig mit der klassischen Schulmedizin zu tun. Entsprechend taucht sie in wissenschaftlichen Lehrbüchern nicht auf.
Sie basiert auf der Grundidee des sogenannten Ähnlichkeitsprinzips. Das bedeutet: Ein Mittel erzielt dann gewünschte Wirkung, wenn es gleiche oder ähnliche Symptome hervorrufen kann wie die Krankheit selbst. Dafür wird das Mittel verdünnt.
Eine der ersten Thesen der Homöopathie ist es, dass wenn man ein Mittel verdünnt und gleichzeitig rituell mit zehn oder mehr Schlägen Richtung Erdmittelpunkt auf eine federnde Oberfläche stampft oder schüttelt, sich dann eine sogenannte geistige Information in diesem Mittel freisetzt. Dieser Prozess ist das sogenannte Potenzieren. Durch jeden Verdünnungsschritt und jedes erneute Schütteln, was dabei stattfindet, sollen diese Mittel nicht etwa schwächer, sondern stärker wirken.
Vereinfacht dargestellt sieht das so aus: Möchte man ein homöopathisches Mittel gegen Schwellungen durch Bienenstiche herstellen, dann nimmt man einen Tropfen Bienengift und verdünnt ihn beispielsweise mit Wasser. Diese Mischung wird geschüttelt. Dann wird ein Tropfen des bereits verdünnten Gifts erneut mit Wasser verdünnt und so weiter. Der Ausgangsstoff wird kontrolliert in seiner Konzentration reduziert beziehungsweise „potenziert“. Die Lösung, die am Ende dieses Prozesses steht, wird dann meistens auf kleine Zuckerkügelchen geträufelt. Das ist das bekannteste Mittel der Homöopathie: die Globuli.
Warum steht Homöopathie in der Kritik?
Manchmal werden homöopathische Mittel mit einer Hyposensibilisierung verglichen, also einem Verfahren aus der Medizin, das bei Allergien durchgeführt wird. Die betroffenen Patient*innen bekommen jeden Monat eine Spritze mit geringen Mengen des allergieauslösenden Stoffes. Die Konzentration wird im Laufe der Behandlung gesteigert mit dem Ziel, das Immunsystem an den Stoff zu gewöhnen und nicht mehr allergisch darauf zu reagieren. Eine Methode also, bei der das Allergen in verdünnter Form gespritzt wird.
An der Frage, ob man eine Hyposensibilisierung mit der Homöopathie vergleichen kann, scheiden sich die Geister. Fakt ist: in der Hyposensibilisierungsspritze sind die Allergene klar nachweisbar. In einem Globuli nicht. Der Grund: Bei einer gängigen Potenzierung wird ein einziger Tropfen von der sogenannten Urtinktur, also zum Beispiel Bienengift, auf ein Volumen von rund 360 Badewannen verteilt. In der Potenzierung ist dann lediglich ein Milliardstel der Urtinktur enthalten. Das ist praktisch nichts und es stellt sich die Frage, ob es ein Mittel in dieser Konzentration einen Effekt erzielen kann.
Es gibt mittlerweile elf systematische Übersichtsarbeiten, die viele Einzelstudien zusammengefasst haben. Sie sind im Moment die Methode der Wahl, jedwede Therapie zu beurteilen, nach empirischen Maßstäben. Sprich: Ob irgendwas wirkt oder irgendwas nicht wirkt über den Placebo-Effekt hinaus. Und alle diese elf Übersichtsarbeiten sind zu dem exakt selben Schluss gekommen, dass es eben keine hinlängliche Evidenz gibt.
Wissenschaftlich gesehen gibt es also bis heute immer noch keinen Nachweis dafür, dass die Stoffe in Globuli einen medizinischen Effekt auslösen. Das sagt die Lobby der Homöopathie dazu:
Den zugrundeliegenden Wirkmechanismus für diese Regulationsfunktion homöopathischer Arzneimittel können wir allerdings bis heute nicht erklären.
Nicht verwechseln darf man Homöopathie beispielsweise mit pflanzlichen Mitteln, in denen durchaus viel Wirkstoff enthalten sein kann, und über die es von Fall zu Fall tatsächlich wissenschaftlich nachgewiesene Wirkszenarien gibt. Oder anders gesagt: In einer Arnika-Salbe ist Arnika-Wirkstoff, in Arnica-Globuli dagegen nicht.
Auf der anderen Seite ist ebenfalls Fakt: Obwohl es keinen wissenschaftlichen Nachweis zum Wirkmechanismus von Homöopathie gibt, sind recht viele Menschen von ihr überzeugt.
Risiko Alternativmedizin – Unerforschte Wirkstoffe, dubiose Heiler
Warum ist Homöopathie so beliebt?
Tatsächlich nimmt die Beliebtheit von Homöopathie ab, die Zahlen der Befürworter*innen sind rückläufig. Während in Umfragen vor 20 Jahren noch rund drei Viertel der Befragten sagten, dass Homöopathie ein wirksame Heilmethode sei, sind es in diesem Jahr nur noch knapp ein Drittel. Das hat die Gesellschaft zur wissenschaftlichen Untersuchung von Parawissenschaften (GWUP) erfasst.Dabei handelt es sich um einen Verein, der zur Skeptikerbewegung gehört. Er besteht vor allem aus Wissenschaftler*innen und steht der Homöopathie kritisch gegenüber.
Trotzdem haben die Menschen in Deutschland das Interesse an der Homöopathie nicht verloren. Laut einer Forsa-Umfrage von 2020 waren mehr als 50 Prozent der Befragten stark oder sehr stark an Informationen homöopathischer Mittel als Präventivmaßnahmen zum Schutz gegen das Coronavirus interessiert.
Wirkt Homöopathie nur als Placebo?
Auch hier wollen wir natürlich wissenschaftlich herangehen – und das geht auch: An dieser Stelle müssen wir den Placeboeffekt erklären. Und der funktioniert so: Leidet ein Patient beispielsweise unter Kopfschmerzen, verabreicht man ihm ein Glas Wasser mit der Aussage, dass es ein Schmerzmittel enthalte. Die Kopfschmerzen der Person verschwinden, obwohl sie kein Schmerzmittel genommen hat. Eine Erklärung hierfür ist der Placeboeffekt, also die Wirksamkeit von Mitteln, die keinerlei Wirkung haben und trotzdem den Anschein erwecken, dass sie für die Heilung verantwortlich sind.
Neben dem Placeboeffekt gibt es einen weiteren psychologischen Mechanismus, nämlich den der Erwartungshaltung. Diese tritt ein, wenn eine Person immer wieder hört, dass ein Medikament besonders gut wirkt und mit dieser Erwartung eine Behandlung beginnt.
Ein weiterer Effekt ist die Konditionierung, die nach dem Motto funktioniert: „Das schmeckt bitter, das muss wirken“. Studien haben sogar gezeigt, dass bei Menschen Produkte mit gleichen Wirkstoffen dann besser wirken, wenn sie außergewöhnlicher schmecken oder aussehen. Und das, obwohl eine Kontrollgruppe die gleichen Wirkstoffe erhalten hat, lediglich in einer langweiligeren Form.
Faktencheck Vorsicht vor Homöopathie gegen das Coronavirus
Können Globuli gegen das Coronavirus helfen? Das wird in sozialen Netzwerken diskutiert und teilweise mit Wunderheilungsberichten konkret angepriesen und empfohlen. Ein gefährliches Spiel, vor dem sogar Homöopathen-Verbände warnen.
Globuli: Auf den Anschein kommt es an
Bei homöopathischen Produkten könnte also eine Mischung dieser Effekte eine Rolle für eine Verbesserung einer Krankheit spielen. Diese kleinen Kügelchen, die Globuli, haben etwas besonderes, kein anderes Gesundheitsprodukt hat diese Form. Sie sind seriös verpackt in Arzneifläschchen, haben ein entsprechendes Etikett. Das würde dafür sprechen, dass Leute schon allein durch diese besondere Form Hoffnungen auf Globuli setzen. Dazu kommt die riesige Erwartungshaltung, die dadurch entsteht, dass Freunde oder Bekannte erzählen, wie wirksam Globuli seien – dazu zählen eben auch Heilpraktiker und manchmal Ärzte.
Homöopathische Beratungen dauern oft um einiges länger und das Gefühl, dass der Behandelnde sich Zeit nimmt, kann auf Patienten ebenfalls einen positiven Effekt haben.
Es kann natürlich immer individuell Gründe geben, warum ein*e Ärzt*in einen Placebo-Effekt generieren will, und Homöopathie ist nunmal eines der bekanntesten Placebos, das wir im Moment auf dem Markt haben. Das möchte ich nicht in Abrede stellen. Ich glaube aber auch, dass es zum anderen natürlich viele ärztliche Kolleg*innen gibt, die selber fälschlicherweise an die Homöopathie noch glauben.
Kritisch werden Situationen dann, wenn Menschen die klassische Schulmedizin ablehnen und durch Homöopathie ersetzen – und ernste Erkrankungen mit Globuli behandeln wollen. Die Deutsche Homöopathie Union sagt sogar selbst, dass Globuli z.B. keine notwendige Operation am offenen Herzen ersetzen kann.
Die Homöopathie sieht sich selbst grundsätzlich als ganzheitliche Methode. Jeder Mensch soll individuell betrachtet und immer als Ganzes betrachtet werden. Gegen diese Generalisierung ist erst mal nichts zu sagen, aber genau das macht präzise wissenschaftliche Forschung eben kompliziert und bietet den Befürwortern ein Schlupfloch.
Wer verdient an der Homöopathie?
An der Homöopathie verdienen eine Menge Menschen eine Menge Geld. Obwohl Krankenkassen es nicht müssten, übernehmen viele die Kosten für homöopathische Behandlungen. Die Krankenkassen wiederum werden von uns allen finanziert, ob wir Homöopathie nun unterstützen oder nicht.
Homöopathie auf Kassenrezept: verbieten?
Allerdings brauchen homöopathische Produkte – anders als Arzneimittel – keine Zulassung. Sie müssen nur registriert werden, und die Hersteller müssen „Qualität und Unbedenklichkeit“ der Mittel nachweisen. Die Wirksamkeit dieser homöopathischen Mittel wird nicht geprüft. Und wie wir anhand der Fakten gesehen haben, macht es auch wenig Sinn, da sie rein biochemisch nicht wirken können.
Auf die Frage, warum Krankenkassen die Kosten für Homöopathie dann überhaupt übernehmen, war eine Begründung, dass die Nachfrage groß und den Patienten sei diese Behandlungsmöglichkeit wichtig sei. Der Umsatz mit homöopathischen Mitteln lag im Jahr 2020 bei 550 Millionen Euro, laut Bundesverband für Arzneimittelhersteller. Für sich genommen eine stolze Summe, der Vergleich relativiert aber die Summe: Der Gesamtumsatz des Apothekenmarktes zur selben Zeit bei 61,4 Milliarden Euro. Der Anteil der Homöopathie entspricht also weniger als einem Prozent.

Ob Krankenkassen die Übernahme homöopathischer Leistungen anbieten, weil sie Kunden nicht verärgern wollen oder weil sie finanziell nicht sonderlich ins Gewicht fallen, sind oft bemühte Vermutungen, bestätigen wollte uns das keiner.
Was sagt die Politik zur Homöopathie?
Das Thema Homöopathie sorgt für Streit, im Privaten wie im Politischen. Die einen sagen, dass Homöopathie helfe und nur einen kleinen Anteil der Arzneimittelausgaben in Deutschland ausmache. Die anderen warnen vor den Folgen: Was koste es, wenn die Homöopathie auf grund ihrer Wirkungslosigkeit einen Krankheitszustand durch zu langes Warten nur verschlechtert hat? Dazu gibt es keine Untersuchungen. Es ist schwer, hier die Fakten herauszusortieren.
Fazit zur Homöopathie
Rein biochemisch können Globuli nicht wirken, und es gibt auch keinen wissenschaftlichen Nachweis für einen Wirkmechanismus – außer den Placebo-Effekt und der greift nachweislich auch bei Traubenzucker oder Wasser, wenn man es nur originell genug verpackt. Fakt ist aber auch: Einige Menschen glauben an Homöopathie und sagen, es helfe ihnen. Ihnen ist egal, ob dahinter ein Placebo-Effekt steht oder nicht.
Obwohl sich Politiker streiten und Naturwissenschaftler sagen, dass Homöopathie nicht wirke, übernehmen einige Krankenkassen trotzdem die Kosten für die kleinen Kügelchen. Und das ist aus Sicht der Kritiker*innen sogar ein echtes Problem, das ernste gesundheitliche Folgen für die Patienten nach sich ziehen kann. Auch wer bisher gute Erfahrungen mit Homöopathie gemacht hat, sollte wissen, dass uneingeschränktes Vertrauen oder gar eine übertriebene Überzeugung bei ernsten Krankheitsbildern gefährlich werden kann.