Til Schweiger ist skeptisch: Was er in einem Film-Trailer sagt, geht ihm offenbar nahe. Er kritisiert die Risikoabwägung: Was ist schädlicher für die Kinder, die Impfung, die „man noch nicht erforscht hat“, oder das Virus selbst? Außerdem kritisiert er Gesetzesänderungen, die „praktisch unser Grundgesetz aushebeln.“ Wir sortieren seine Aussagen und ordnen sie ein, so dass sich jeder eine Meinung bilden kann. Was also ist das Beste für unsere Kinder? Die Antworten sind überraschend:
Til Schweiger gecheckt: Wurde das Grundgesetz ausgehebelt?
Das Grundgesetz wurde in der Corona-Zeit nicht außer Kraft gesetzt. Und die Grundrechte wurden nicht abgeschafft. Im Grundgesetz steht, dass der Staat unter bestimmten Voraussetzungen Grundrechte einschränken darf. Die entscheidende Frage lautet: Ist der Staat bei diesen Einschränkungen zu weit gegangen? Zum Beispiel bei Ausgangssperren oder Kontaktbeschränkungen. Darüber kann man trefflich streiten. Verwaltungsgerichte in den Bundesländern haben bislang viele Maßnahmen gebilligt, einzelne aber auch für rechtswidrig erklärt.
Das Bundesverfassungsgericht hat über die Gesetzesänderungen der sog. „Bundesnotbremse“ bislang nicht abschließend entschieden. Im Oktober oder November 2021 soll es dazu einen Beschluss geben. Dann werden wir wissen, ob bestimmte Corona-Einschränkungen gegen das Grundgesetz verstoßen oder nicht.“
Til Schweiger gecheckt: Wie sicher ist der Impfstoff für Kinder?
Kinder oder Jugendliche – um wen geht es eigentlich genau? Die Impfung ist ohnehin für Kinder unter 12 Jahren nicht zugelassen, sondern für die 12- bis 15-Jährigen, also für die jüngeren Jugendlichen. Und das gilt übrigens nicht für alle Corona-Impfstoffe, sondern nur für die Impfstoffe von Biontech und Moderna.
Ob der Impfstoff für Kinder geeignet ist, wurde bereits geprüft. Dafür ist die Europäischen Arzneimittelbehörde (EMA) zuständig. Deren Ergebnis: Der Impfstoff von Biontech sei sicher. Die EU-Kommission hat anschließend die Zulassung für Kinder ab 12 Jahren für die EU und damit auch für Deutschland erteilt. Direkt danach erfolgte auch die Freigabe des Impfstoffs von Moderna.
Das heißt aber nicht, dass die Impfung auch allen Jugendlichen empfohlen wird. Für eine solche Empfehlung ist in Deutschland die Ständige Impfkommission zuständig. Sie arbeitet unabhängig von der Politik und war bis vor kurzem bei der Kinder-Impfung skeptisch. Dafür gab es gute Gründe:
Impfstoffe sind für Gesunde und nicht für Kranke. Wem mutet man das Risiko einer Nebenwirkung, einer Komplikation zu? Denn er ist ja eigentlich gesund. Daher haben wir neben der Zulassung, beziehungsweise als nächsten Schritt nach der Zulassung, die Frage der Empfehlung.
Der Vorsitzende von der Stiko, Thomas Mertens, hat Anfang August 2021 gesagt: „Den Kindern bietet man ja kein Lakritzbonbon an, sondern es ist ein medizinischer Eingriff und der muss entsprechend indiziert sein.“ Die Stiko empfahl daraufhin die Corona-Impfung für Kinder und Jugendliche nicht allgemein, sondern nur bei einem höheren Risiko für schwere Corona-Verläufe. Das ist demnach zum Beispiel bei Erkrankungen wie Diabetes der Fall. Aber: Jugendliche konnten schon zu dieser Zeit ohne eine Empfehlung geimpft werden, wenn sie selbst, ihre Eltern und ihre Ärztinnen oder Ärzte das sinnvoll finden.
Am 19. August 2021 hat sich das geändert: Die Stiko hat eine Empfehlung für alle Jugendlichen ab 12 Jahren ausgesprochen. Geändert hat sich der Umfang der Datenlage, was die Gefährdung von Kindern angeht. Mit anderen Worten: Es wurde immer klarer, dass Kinder extrem selten unter den Nebenwirkungen der Impfung leiden – und das ist eben doch ganz anders als bei der echten Krankheit.
Wie viele Kinder mit Covid erkranken schwer?
Kaum Nebenwirkungen? Für eine echte Erkrankung mit Covid gilt das bei weitem nicht: Hier müssen 0,1 bis 0,3 Prozent der 12- bis 15-jährigen deswegen im Krankenhaus behandelt werden. Und auch ohne Krankenhaus kann die Lage für viele Jugendliche sehr knifflig werden: In einer Untersuchung der Gesundheitsbehörde Publi Health London hatten 14% genesener Jugendliche nach drei Monaten 3 oder mehr Symptome als eine nie erkrankte Kontrollgruppe (alles Stand September 2021). Die Gefahr für Long-Covid ist also erheblich, und wie sich das auf die gesundheitliche Zukunft der Kinder auswirkt, ist vollkommen unklar.
In diesem Fall hat Til Schweiger mit seiner „Nutzen-Risiko-Abwägung“ eindeutig nicht Recht, wenn man einmal unterstellt, dass er als schwere Erkrankung eine Krankenhauseinlieferung oder Long-Covid annimmt. Leider bleibt er in seiner Aussage sehr allgemein. Wir haben ihn um eine Stellungnahme gebeten, aber eine Absage erhalten.
Weitere Checks zur Impfung rund um Kinder
Gibt es bald Strafen für Impfgegner unter Eltern und Erzieher? Zu diesem Thema gibt es ein angebliches Schreiben des Bundesministeriums für Gesundheit, markiert mit rot: „Nur zur internen Verwendung.“ Dabei soll es sich um ein „Diskussionspapier zu Maßnahmen gegen Erziehungsberechtigte“ handeln. In dem Schreiben ist von Strafen für Eltern und Erziehungsberechtigte die Rede, die eine Impfung für ihre Kinder ablehnen. Eltern sollen dem Schreiben nach sogar die Kinder weggenommen werden.
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Unsere Kolleginnen und Kollegen von Mimikama hat dieses Schreiben genauer unter die Lupe genommen und herausgefunden: Es handelt sich um eine Fälschung. Unter anderem ist der Name des Ausschusses, der das Papier angeblich erlassen hat, falsch. Das Datum, an dem das Thema in einer Sitzung besprochen worden sein soll, ist auch falsch, weder Bundestag noch Bundesrat haben an diesem Tag Sitzungen abgehalten.
Das Schreiben ist voller Fehler und Ungenauigkeiten, inhaltlich wie grammatikalisch. Aktenzeichen, Ansprechpartner und Ort sind nicht vermerkt, die sind aber auf solchen Dokumenten immer vermerkt. Und der rote Schriftzug müsste ein Wasserzeichen sein. Mimikama hat außerdem das Bundesministerium für Gesundheit kontaktiert und um eine Stellungnahme gebeten. Dort wurde bestätigt: Es ist ein Fake.
Auch auf der Internetseite des Bundesministeriums für Gesundheit wird deutlich gesagt: Die Impfung gegen das Coronavirus ist freiwillig. Gesundheitsminister Jens Spahn hat betont, dass es sich bei der Impfung um eine „gemeinsame, individuelle Entscheidung“ von den Eltern, ihren Kindern und deren Ärztinnen oder Ärzten handelt.
Impfen ohne Zustimmung der Eltern?
Jakob Maske, Bundespressesprecher vom Berufsverband der Kinder- und Jugendärzte, hat gesagt: „Wenn mir ein 14-Jähriger klar erklären kann, warum er geimpft werden will und das Thema auch versteht, dann ist eine Impfung ohne Einwilligung der Eltern möglich“. Und tatsächlich gibt es hier keine klaren gesetzlichen Regelungen. Am besten treffe man diese Entscheidung gemeinsam, betont Jakob Maske.
Ist der Impfstoff für Kinder sicher?
Die EU-Zulassung des Impfstoffs von Biontech basiert auf einer Studie aus den USA, für die 2.260 Kinder untersucht wurden. Etwa die Hälfte hat den Impfstoff bekommen, die andere Hälfte ein Placebo. Jeweils sieben Tage nach der Impfung haben die Teilnehmenden dann Impfreaktionen notiert. Das Ergebnis: Laut der Studie wirkt der Impfstoff bei Kindern zu 100%. Labortests haben die eine sehr gute Wirksamkeit bestätigt. Die Nebenwirkungen waren vergleichsweise selten, wie auch heftige Impfreaktionen. Am häufigsten waren die Klassiker: Schmerzen an der Einstichstelle, Müdigkeit, Kopfschmerzen und Fieber. Die kanadische Zulassungsbehörde hat allerdings Daten ausgewertet, die zeigen, dass Kinder etwa 20% häufiger mit Impfreaktionen zu tun haben als Erwachsene (gemeint sind klassische Impfreaktionen: beispielsweise Schmerzen an der Einstichstelle, Hautrötungen, Kopfschmerzen oder Fieber).
Aber: Es fehlen die Langzeiterfahrungen. Das ist auch ein wesentlicher Kritikpunkt der Stiko und der EMA. Beide betonen aber trotzdem, dass die Vorteile der Impfung größer seien als die Risiken, auch übrigens, wenn die Teilnehmerzahl der bisherigen Arbeiten recht klein ist.
Ein zentraler Punkt der Diskussion ist das Entwicklungsstadium von Kindern und Jugendlichen: Bei jungen Menschen ab 12 Jahren verändert sich noch einiges im Körper. Die Organe funktionieren beispielsweise anders als bei Erwachsenen. Rezeptoren werden gebildet und das Gehirn entwickelt sich noch. Welche Auswirkung ein neuer Impfstoff in dieser Altersgruppe hat, kann man also noch nicht abschließend sagen.
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Ist die Impfung für Jugendliche sinnvoll?
Bei dem Verhältnis von Vorteilen und Risiken der Impfung für Jugendliche gehen die Meinungen auseinander, denn Gesunde haben ein geringes Risiko, dass eine Covid-Infektion schwer verläuft. Wichtig sind Vorerkrankungen, wenn es um die Frage geht, wie sinnvoll die Impfung ist:
Wir haben Todesfälle, auch bei Kindern und Jugendlichen, aber die sind um ein Vielfaches seltener als sie es bei Erwachsenen sind. (...) Wir sind etwa bei 11 Todesfällen. Wenn man das vergleicht mit den 80 bis 90.000 Todesfällen bei Erwachsenen, dann merkt man: Da ist ein ganz krasser Unterschied. Und das heißt, die Impfung muss für Jugendliche besonders sicher sein, damit ich nicht am Ende mehr Schaden anrichte als ich nutze.
Was ist mit der Herdenimmunität?
Verschiedene Schätzungen gehen davon aus, dass 70 bis 80 Prozent der Bevölkerung geimpft sein müssen, damit in Deutschland eine Herdenimmunität, erreicht wird. Wenn die Jugendlichen nicht geimpft werden, ist das fast nicht zu schaffen, weil dann ca. 90 Prozent aller Erwachsenen geimpft sein müssten. Dazu sind aber nicht alle bereit.
Dazu kommt der Faktor, dass die Jugendlichen nicht mehr in Quarantäne gehen oder sich ständig testen müssten, wenn sie geimpft sind. Das gilt auch für Jugendliche mit Familienangehörigen, die ein geschwächtes Immunsystem haben. Die Impfung kann für solche Personen eine enorme Erleichterung im Alltag sein. Die Rückkehr zur Normalität ist ein wichtiger Aspekt, der eng mit der psychischen Gesundheit junger Menschen und auch derer Familien verknüpft ist. Eine Impfung soll und darf aber keine Voraussetzung für ein normalen Leben sein. Davor warnen Wissenschaftler*innen ausdrücklich.
Wenn wir uns mal angucken: Worunter leiden denn die Kinder und Jugendlichen am meisten in der momentanen Situation, dann ist das nicht Covid, sondern das ist eher Long-Lockdown, will ich mal sagen. Die Kinder leiden am meisten unter den Regeln, die wir aufstellen mussten, um die Pandemie in Schach zu halten.
In den USA und Kanada werden seit Mai 2021 Jugendliche geimpft. Auch in diesen Ländern ist die Herdenimmunität ein Argument. Der Impfstoff gilt als sicher und wird uneingeschränkt empfohlen. Auch weil man sehr gute Erfahrungen mit der Impfung von älteren Jugendlichen im Alter ab 16 Jahren gemacht hat: Die Daten und Erfahrungen von diesen Impfungen sehen Wissenschaftler*innen deshalb als Ergänzung zu der Zulassungsstudie, die eben sehr klein war.
Fazit: Risiko oder Nutzen?
Die EMA hält die zugelassenen Impfstoffe für sehr sicher. In den USA und Kanada werden sie schon bei Jugendlichen eingesetzt. Eine Studie aus den USA kommt auf 100% Wirksamkeit bei Kindern. Aber es ist nicht klar, wie sich der neuartige Impfstoff auf den Organismus und die Entwicklung von Jugendlichen auswirkt. Auch Langzeiterfahrungen fehlen, um Risiken und Nutzen besser abwägen zu können.
Aber: Covid-19 ist auch für Kinder und Jugendliche nicht immer harmlos. Jedes 300ste bis 1000ste Kind muss mit Covid ins Krankenhaus. 14% bekommen offenbar Long-Covid mit unvorhersehbaren Folgen.
Die Stiko empfiehlt die Impfung für Kinder ab 12 Jahren aufgrund der guten Datenlage grundsätzlich.
Für die Herdenimmunität hilft es, wenn Jugendliche geimpft werden, auch wenn das nicht das Hauptargument sein sollte. Sicherheit und der eigene, individuelle Nutzen ist wichtiger.
Ob Jugendliche sich impfen lassen, bleibt eine individuelle Entscheidung, die wird am besten von den Jugendlichen selbst, aber gemeinsam mit Eltern und Ärztinnen oder Ärzten getroffen werden sollte. Denn die Impfung ist ein Angebot, ausdrücklich kein Muss.