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Tilo Bernhardt
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Vanessa Valkovic
Vanessa Valkovic (Foto: SWR3)

50 Liter Milch trinkt ein Deutscher durchschnittlich pro Jahr. Immer mehr Menschen wechseln teilweise oder ganz zu Reis-, Soja-, Hafer- oder Mandel- „Milch“. Ist das besser?

Es gibt immer wieder Berichte, die sagen: Milch ist ziemlich schlecht für uns. Berichte wie beispielsweise der der Tiktokerin Haylimaria. Sie sagt, in Kuh-Milch sei Eiter:

Eiter in Milch! Die Kühe in der Massentierproduktion müssen viel zu viel Milch geben und dann können sich die Euter entzünden. Und das Eiter und Blut kann mit in die Milch gelangen. Deswegen trinke ich nur noch Hafermilch.

Eiter in Kuhmilch? Verheimlicht uns die Milch-Industrie da etwas, ist Milch etwa ungesund? Kann ich durch sie Akne bekommen? Und sind Getränke aus Hafer, Mandeln oder Soja wirklich gesünder und besser fürs Klima? Gerade beim Thema Milch schwirren eine Menge falsche Fakten durchs Netz – rund um Laktoseintoleranz, Calcium oder sogar, dass Milch krebserregend sei. Das ist vermutlich einer der Gründe, warum immer weniger Leute in Deutschland Kuhmilch trinken und stattdessen Milch-Alternativen kaufen.

Reis, Soja, Mandel und Hafer: Ersatzdrinks sind auf dem Vormarsch

Allein letztes Jahr gab es bei pflanzlichen Milch-Alternativen ein Umsatzplus von über 40 Prozent. Das bedeutet: In Deutschland wurden mehr als 300 Millionen Liter mehr davon verkauft als im Jahr davor. Das hier sind die beliebtesten Milchersatzdrinks:

Ist pflanzliche Milch besser als Kuhmilch?  (Foto: SWR3)

Offiziell dürfen sich diese Produkte übrigens nicht Milch nennen. Dazu gibt es sogar ein Urteil des Europäischen Gerichtshofs. Im Handel darf nur Milch heißen, was aus einem Euter stammt, also von einem Tier.

Was ist gesünder – Milch oder Reis, Soja, Mandel und Hafer?

Welche „Milch“ ist nun aber gesünder? Kuhmilch oder pflanzliche Milchersatzdrinks? Kuhmilch enthält sehr viele Mineralien und Vitamine. Vor allem Calcium und Vitamin B12. Beides ist in pflanzlicher Milch viel weniger enthalten. In Milch sind auch mehr Fett und Proteine als im pflanzlichen Ersatz. Für Ernährungsmediziner ist Milch deshalb auch ein Nahrungsmittel und kein Getränk. Klar, ist ja auch logisch: Kuhmilch stammt von einer Kuh, die gerade ein Baby bekommen hat. Natürlich sind da viele Nährstoffe enthalten.

Das Calcium soll das Knochenwachstum stärken. So heißt es gern auch mal in der Werbung und vielleicht haben das eure Eltern ja auch gesagt: 'Kind, trink Milch, dann kriegste starke Knochen.' Leider ist das nur ein Mythos. Wir haben eine Menge Studien gesichtet und obwohl das Thema ziemlich komplex ist, finden die meisten Studien keinen Zusammenhang zwischen Milch trinken und Knochenwachstum.

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Ist Milch krebserregend?

Ein anderer Milch-Mythos lautet, Milch solle krebserregend sein. In der Tat gibt es ältere Studien, die das behaupten. Neuere Studien widerlegen das aber und zeigen teilweise sogar das Gegenteil. Außerdem gibt es zu dem Thema zahlreiche Meta-Analysen – das sind Studien, die viele andere Studien zusammenfassen. Die kommen zu einem ähnlichen Schluss: Wer ab und zu ein Glas Milch trinkt, hat kein erhöhtes Krebsrisiko.

Was allerdings nachgewiesen wurde: Es gibt einen Zusammenhang zwischen Milchkonsum und Prostatakrebs. Aber die Studienlage ist nicht eindeutig und die Studien, die einen Zusammenhang gefunden haben, zeigen diesen auch nur bei Menschen, die weit mehr als einen Liter Milch pro Tag trinken. Das heißt: 100 bis 300 ml Milch pro Tag sind überhaupt kein Problem.

Auch beim Thema Herz-Kreislauf-Erkrankungen und Schlaganfälle zeigen große Meta-Studien: Milch wirkt sich nicht negativ auf einen gesunden Körper aus. Sie führt also nicht zu mehr Herzproblemen und Schlaganfällen. Aber: Gerade ganz neu erschienen ist eine Studie von deutschen Wissenschaftlern aus Hannover, die gezeigt haben, dass Milch einen negativen Effekt auf Menschen haben kann, die schon eine Herzerkrankung haben. Das liegt demnach an der sogenannten Rumensäure in der Milch, die sich negativ auf das schon geschädigte Herz auswirken soll.

Zum Glück ist die Studienlage hier relativ klar. Aber wie genau findet man so was denn raus? Wie solche Studien zu Lebensmitteln funktionieren, haben wir den Ernährungsmediziner Matthias Riedl gefragt.

Um herauszubekommen, ob so ein Lebensmittel positive oder Nebeneffekte hat, brauchen wir schon Gruppen von hunderttausend oder Millionen von Menschen. Und das müssten wir über mehrere Jahre beobachten. Das sind Populationsstudien und dort sind die Effekte immer nur relativ gering. Weil diese Menschen ja nicht nur Milch trinken, sondern auch alles Mögliche essen; das muss dann noch heraus gerechnet werden. In diesen Studien sind beispielsweise Raucher, Nicht-Sportler und auch Menschen, die Alkohol trinken.

Solche riesigen Studien mit Millionen Teilnehmern sind aber unglaublich teuer. Der Staat gibt dafür selten Geld.

Und dann war da noch das Argument, dass Milch Pickel mache. Das stimmt tatsächlich: Mehrere Studien haben gezeigt, dass Leute, die Kuhmilch trinken, mit einer höheren Wahrscheinlichkeit Akne bekommen.

Also Milch sorgt für Pickel, ist außerdem schlecht, wenn ich eine Herzerkrankung habe und kann theoretisch Prostatekrebs begünstigen, wenn auch nur bei Leuten, die literweise Milch trinken. Es gibt also schon ein paar Gründe, zumindest für die ganz Vorsichtigen, sich nach Alternativen umzuschauen. Ganz abgesehen natürlich von Leuten, die eine Laktoseintoleranz haben. Die große Frage ist nur: Sind denn Hafer, Mandel oder Soja überhaupt besser? Oder gibt es da nicht auch eine Menge Nebeneffekte? Da ist die Faktenlage echt dünn. Wir konnten keine wirklich belastbaren Studien finden.

Zwei Dinge lassen sich aber festhalten: Sojamilch hat ähnlich wie Kuhmilch einen sehr hohen Eiweißgehalt. Und in die Pflanzenmilch wird oft viel Zucker gerührt – damit sie besser schmeckt. Zucker nehmen wir sowieso schon alle recht viel zu uns. Dass Hafer- und Sojamilch allgemein gesünder sind als Kuhmilch, kann man also nicht sagen.

Warum sind so viele Menschen laktoseintolerant?

Die Gesellschaft für Konsumforschung hat festgestellt, dass 80 Prozent der Leute, die laktosefreie Produkte kaufen, gar keine Laktoseintoleranz haben. Trotzdem steigt die Zahl der Leute, die von sich behauptet, laktoseintolerant zu sein. Das hat eine Befragung der Techniker Krankenkasse ergeben.

Von 2013 bis 2017 ist diese Zahl zwölf Mal so groß geworden, wie am Anfang. Kann das wirklich sein? Werden wir gerade zu einem Land voller Laktose-Intoleranten? Oder ist das nur Einbildung?

Leider wird es nicht immer sauber diagnostiziert. Man müsste tatsächlich einen Provokationstest machen. Und der wird eben nicht immer durchgeführt. Es kommt dann leider auch manchmal dazu, dass man zum Gastroenterologen geht, – und dieser Test wird schlecht bezahlt – und dann sagt der Patient: 'Ich glaube ich habe Laktoseintoleranz.' Dann sagt der Gastroenterologe: 'Wenn Sie Milch nicht vertragen, dann werden Sie es wohl schon haben' und drückt sich um den Test herum. Das habe ich häufig erlebt. Und dann bleibt es immer im Unklaren. Sowas muss man verifizieren.

Laktoseintoleranz ist grundsätzlich natürlich kein Mythos. Es ist nur schwierig, genaue Zahlen dazu zu bekommen. Man kann nur die Tests hochrechnen, die bei den Ärzten gemacht werden. Und da kam tatsächlich raus, dass geschätzt etwa 15 Prozent der Menschen in unserem Land eine Laktoseintoleranz haben. Das heißt, sie vertragen Milch nicht so gut. Ihnen fehlt ein Enzym, die sogenannte Laktase. Dadurch können sie die Laktose, also den Milchzucker in der Milch, nicht so gut verarbeiten. Blähungen sind dann zum Beispiel die Folge. Der Trick bei laktosefreier Milch ist, dass die Hersteller genau dieses fehlende Enzym dazu mischen, die Laktase. Die spaltet die Laktose in der Milch auf, so dass sie der Körper besser verarbeiten kann.

Diese Karte hier zeigt die Verteilung der Menschen mit Laktoseintoleranz weltweit:

Ist pflanzliche Milch besser als Kuhmilch?  (Foto: SWR3)

Die dunklen Stellen sind die Gebiete, in denen ganz viele Menschen Milch schlecht verdauen können. In Südostasien zum Beispiel teilweise mehr als 90 Prozent. In Schweden dagegen sind es nur 2 Prozent. Das hat im weitesten Sinne etwas mit unserer menschlichen Geschichte zu tun: Welche Kultur hat wann angefangen Kühe zu halten. Wir Menschen trinken ja erst seit etwa 10.000 Jahren Kuhmilch. Europäer weit mehr als Asiaten. Bei unseren Vor-Vor-Vorfahren hier in Europa gab es dann einen Gendefekt, der quasi ein Vorteil war. Plötzlich konnten mehr Menschen Milchzucker verdauen, vor allem auch im Erwachsenenalter.

Dass es Leute gibt, die laktoseintolerant sind, ist also eigentlich gar nicht so überraschend. Es ist eher überraschend, dass Milch so vielen von uns nichts ausmacht. Und dass immer mehr Leute angeben, sie seien laktoseintolerant, könnte natürlich daran liegen, dass das immer öfter zum Thema gemacht wird. Es gibt mehr laktosefreie Produkte und deshalb ist ein Bewusstsein für etwas entstanden, dass vermutlich schon die ganze Zeit da war.

Kann in der Kuhmilch Eiter sein?

Gerade in der Massentierhaltung kann es tatsächlich vorkommen, dass sich die Euter der Kühe entzünden. Je nachdem, wie sauber und hygienisch es im Stall zugeht. Oder wie oft die Kuh an die Melkmaschine muss. Dadurch kann tatsächlich Eiter und Blut in die Milch gelangen. Immerhin gibt es strenge Standards für Milch. Da dürfen natürlich keine Unmengen an Keimen drin sein. Wenn zu viele Keime bei einer Kontrolle gemessen werden, kann der Bauer die Milch gar nicht erst verkaufen.

Bevor jemand Kuhmilch in Deutschland verkaufen kann, muss er sie pasteurisieren, also hoch erhitzen, damit alle Keime und Erreger abgetötet werden. Also: Es ist höchst unwahrscheinlich, dass wir Erreger in der Milch mit trinken. Aber theoretisch kann es sein, dass Spuren von Eiter oder Blut drin sind.

Welche Milch ist besser fürs Klima?

Einige – darunter auch viele junge Menschen – sagen, dass sie keine Kuhmilch mehr trinken oder sich generell vegan ernähren, weil das viel besser für das Klima sei. Aber stimmt das so überhaupt? Verbrauchen nicht Mandeln oder Soja auch viel CO2? Schließlich wachsen diese Pflanzen ja nicht bei uns um die Ecke. Und brauchen Mandeln nicht ewig viel Wasser zum Wachsen?

Ist pflanzliche Milch besser als Kuhmilch?  (Foto: SWR3)

Wir haben uns gefragt: Für wie viel Prozent aller vom Menschen verursachten Treibhausgase ist die Milchindustrie verantwortlich? Mit allen Milchprodukten zusammen, also Käse, Joghurt und so weiter? Die Antwort: 3%. Klingt erstmal nicht viel, aber das ist tatsächlich mehr als das, was alle Flugzeuge weltweit an Treibhausgasen ausstoßen. Das liegt daran, dass Kuhmilch eben von Kühen kommt und die leider nicht so eine gute Klimabilanz haben. Stichwort: Weidefläche und Futter. Außerdem stoßen sie auch Unmengen an Methan aus.

Zwei Dinge sind beim Einfluss aufs Klima beim Thema Milch entscheidend: Erstens der CO2-Ausstoß und zweitens der Wasserverbrauch. Dazu gibt es auch ein paar Studien. Eine kommt von der Universität Oxford, die zurecht immer wieder zitiert wird: Die Forscher haben Daten von 40.000 Höfen weltweit ausgewertet.

Das hier ist also der CO2-Ausstoß, den ein Liter der jeweiligen Milch verursacht:

Ist pflanzliche Milch besser als Kuhmilch?  (Foto: SWR3)

Kuhmilch verursacht also tatsächlich viel mehr CO2 als Hafer-, Soja-, Mandel- oder Reismilch.

Beim Wasserverbrauch ist das aber anders. Der ist bei Reismilch am höchsten. Klar: Reis steht die ganze Zeit im Wasser, braucht also viel davon. Das gilt auch für Mandeldrinks und Kuhmilch. Hafer und Soja hingegen benötigen so gut wie gar kein Wasser, deshalb sind die beiden auch besser fürs Klima.

Fazit: Kuhmilch oder Reis, Hafer, Soja und Mandel – was ist besser?

Wir können festhalten: Milch ist nicht per se ungesund. Es sind so gut wie keine negativen Auswirkungen auf den Menschen bekannt. Positive allerdings auch nicht. Bei pflanzlicher Milch ist das genauso. Aufpassen muss beim Milchkonsum nur, wer eine Laktoseintoleranz hat, oder allergisch auf Milch reagiert. Kuhmilch hat allerdings eine bedeutend schlechtere Klimabilanz! Sie verursacht viel mehr CO2 als pflanzliche Milch. Gerade Hafer- und Sojamilch sind im Vergleich deutlich klimaschonender.

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