Stand
AUTOR/IN
Tilo Bernhardt
ONLINEFASSUNG
Lea Kerpacs
Lea Kerpacs: Website-Redakteurin bei SWR3 (Foto: SWR3, Niko Neithardt)

Niemand ist immun gegen Werbung und wir werden jeden Tag mit ihr konfrontiert; manchmal sogar, ohne dass wir es bemerken. Aber wie weit geht ihr Einfluss?

Die perfekte Werbung: Eine Wissenschaft für sich

Werbung ist überall. Solange man sich nicht komplett von der Außenwelt abschottet und nur noch Bücher ließt, ist es kaum möglich, der Werbeflut zu entkommen. Egal, ob wir auf Werbeanzeigen achten oder nicht, ob wir sie bewusst wahrnehmen oder genervt von ihr sind: Werbung wirkt. Deshalb investieren Unternehmen viel für die perfekte Werbung:

  1. Ressourcen für Forschung und Innovation: Wissenschaftler*innen forschen für Unternehmen an Möglichkeiten, Werbung zu optimieren, um den maximal gewünschten Effekt bei den Rezipienten zu erzielen. Wie kann man die Familie zuhause auf dem Sofa immer wieder neu überraschen? Was spricht sie besonders an? Ein großer Aufwand, der sich für große Unternehmen aber zu lohnen scheint.
  2. Viel Geld: Ein Werbespot für das Fernsehen ist nicht gerade preiswert. 30 Sekunden Werbezeit eines privaten Fernsehsenders nach 20 Uhr kosten rund 60.000 Euro und auch bei öffentlich-rechtichen Sendern werden teilweise fünfstellige Summen aufgerufen.
  3. Zeit für eine penible Planung: Wegen der hohen Werbepreise und der vorangegangenen Forschung wird bei der Gestaltung und Produktion von Anzeigen und TV-Spots nichts dem Zufall überlassen. Jedes noch so kleine Detail wird im Vorfeld für den perfekten Werbespot und die optimale Anzeige geplant.

Hinter gut gemachter Werbung steckt mehr der als simple Versuch, ein Produkt zu verkaufen. Werbung kann kreativ sein, unterhaltsam und sogar informativ. Gut gemachte Werbung ist aber auch vor allem eins: manipulativ.

Wir werden immer manipuliert. Der Grund ist, dass wir in unserem Bewusstsein eigentlich nicht mitbekommen, was unser Gehirn alles verarbeitet. Wir haben zwar das Gefühl, dass wir Herr unseres Bewusstseins seien, aber Neurologen sagen, dass das ist eine Benutzerillusion ist. Durch Werbung kommen Nachrichten und Botschaften bei uns an, die sich in unserem Gehirn auswirken, ohne dass ich das merke. Das ist natürlich immer Teil jeder Manipulation.

Bis zu 80 Prozent unserer Handlungen führen wir laut Experten wie Häusel unbewusst aus. Dazu gehören alltägliche Handgriffe, die wir „nebenbei“ ausführen – etwa ein Buttermesser aus der Schublade nehmen, während man sich unterhält. Wir entscheiden aber auch unterbewusst, mit wem wir überhaupt sprechen. Dabei spielt Attraktivität unter anderem eine wichtige Rolle. Gegen Mechanismen dieser Art können wir uns nicht wehren, unser Gehirn läuft häufig auf Autopilot. Deshalb können wir uns auch gegen äußere Einflüsse wie Werbeanzeigen nicht wehren; wir merken meistens gar nicht, wie viele Reize auf uns einprasseln und was wir unterbewusst alles aufnehmen. Wir können uns diesen Einflüssen nicht entziehen, weil sie uns nicht bewusst sind:

Ich kann drüber nachdenken, aber unser Gehirn denkt nicht so gern. Unser Gehirn ist eine faule Sau und möchte eigentlich in Ruhe gelassen werden.

Die Grenzen der Beeinflussung

Werbung soll verleiten, etwas zu kaufen – vom Sahnejoghurt bis zum Auto: Werbung ist für alle(s) da. Aber: Ein Werbespot wird uns nicht dazu verleiten etwas zu kaufen, das wir weder wollen noch benötigen; egal wie gut oder schlecht er gemacht ist. Menschen ohne Baby brauchen keine Windeln, Vegetarier*innen essen keine Würstchen, egal wie ansprechend die Werbung auch sein mag. Benötigen wir allerdings ein beworbenes Produkt, dann funktioniert effektive Werbung sehr subtil und arbeitet mit vielen kleinen Effekten, die uns bei der Entscheidung beeinflussen sollen. Wenn wir ein neues Auto kaufen möchten, dann soll Werbung unser Bedürfnis auf ein bestimmtes Modell lenken.

Das funktioniert in der Regel, indem man diesem Produkt einen Wert gibt, der dem Konsumenten das Gefühl gibt: Das ist wertvoll. Und was erzeugt einen Wert? Das ist relativ einfach: Es sind Emotionen, die der Welt Sinn, Wert und Bedeutung geben.

Angenommen eine Person möchte sich eine neue Küchenmaschine zulegen, dann fällt ihr die passende Werbung verstärkt auf. Ist etwas für uns relevant, schauen wir genauer und länger hin. Allerdings nehmen wir nicht erst jetzt Informationen zu diesem Produkt war, sondern schon seit vielen Jahren. Plötzlich fällt uns genau diese eine Küchenmaschine ein, mit dem einprägsamen Namen und den vielen verschiedenen Funktionen. Unterbewusst beziehen wir dieses Produkt nicht nur in unsere Suche nach dem passenden Kauf mit ein, sondern halten sogar gezielt Ausschau danach. Ein neutraler Preisvergleich hätte aller Wahrscheinlichkeit nach zu einem ganz anderen Ergebnis, zu einem anderen Produkt, geführt. Emotionen sind es, über die sich Werbebotschaften in unserem Gehirn verankern.

Die Strategien der Werbe-Profis

Um der Werbung die richtige Botschaft zu verleihen, müssen sie Gefühle auslösen. Besonders gut funktioniert das mittels Gerüchen, Farben oder Musik.

Promis werben für Produkte: Nachkaufen soll Nähe schaffen

Werbung nutzt derlei Mechanismen und Prägungen, um Emotionen bei uns auszulösen. Der Effekt von bekannten Werbegesichtern ist auch nicht zu unterschätzen. Wir Menschen orientieren uns mit Vorliebe an den vermeintlich Großen, Starken und Erfolgreichen. Auch das ist evolutionsbiologisch in uns verankert, denn wir wollen so sein wie sie, wollen ebenfalls Erfolg und Einfluss haben. Fährt ein bekannter Filmstar mit einem bestimmten Auto, dann kann das in uns den Impuls auslösen, dieses Auto besitzen zu wollen. Das Auto ist in diesem Fall aber nur die Projektion. Das eigentliche Zentrum ist der Wunsch, so zu sein wie der Star. Wenn wir die gleichen Dinge kaufen und besitzen wie unser Vorbild, vermittelt uns das unterbewusst das Gefühl, ihm oder ihr näher zu sein.

Werbung funktioniert aber nicht nur dank positiver Effekte wie schöner Musik, einem angenehmen Duft oder erfolgreiche Stars, die uns zum Kauf verführen sollen, sondern auch durch Tricks, die eher das Gegenteil von angenehm sind: Sie nerven uns.

Nervige Werbung: Um jeden Preis im Kopf bleiben

Alle Informationen, die wir aufnehmen, ob bewusst oder unbewusst, verarbeiten wir in unserem Gehirn. Je öfter eine Botschaft wiederholt wird, desto wahrscheinlicher bleibt sie uns im Gedächtnis. Auf diese Weise geraten auch Falschmeldungen in Umlauf: Sie werden so häufig wiederholt und verbreitet, dass Menschen ihnen Aufmerksamkeit widmen und schließlich auch Glauben schenken.

Ein bekanntes Beispiel, das vielen Menschen negativ auffällt und die wir trotzdem fast alle im Gedächtnis behalten, ist die Seitenbacher-Werbung. Dass wir sie uns merken, ist ein Zeichen dafür, dass sie wirkt. Der Name von Produkt und Marke wird ständig wiederholt, viermal in 15 Sekunden, und der eindringliche schwäbische Akzent fesselt unsere Aufmerksamkeit. Das sind zwei zentrale Anforderungen, die Werbung, vor allem die im Radio, erfüllen muss: Aufmerksamkeit schaffen und im Gedächtnis bleiben, egal ob der Werbespot uns nervt oder nicht.

Was in Ihrem Gehirn und in Ihrem Unbewussten passiert, das sehen Sie nicht. Das heißt, Sie haben zwar das Gefühl, dass sie es bewusst wahrnehmen und haben das Gefühl, Sie wären Herr im eigenen Haus. Was aber diese Botschaften in Ihrem Gehirn neu miteinander verdrahten, das kriegen Sie nicht mit.

An dieser Stelle sprechen wir nur von gängiger Werbung, die uns womöglich auf die Nerven geht oder besonders penetrant erscheint. Dennoch halten sich die Unternehmen an bestimmte Regeln. Es gibt nämlich bestimmte Arten von Werbung, deren Einsatz verboten ist.

Verbotene Tricks der Werbung

Alle bisherigen Beispiele können wir mehr oder weniger bewusst in einem Werbespot wahrnehmen, wenn wir auf sie achten und Werbung bewusst konsumieren. Das ist allerdings nicht bei jeder Art von Werbung gegeben: Bei „subliminaler“ also unterschwelliger Werbung werden wir mit Reizen konfrontiert, die wir nicht wahrnehmen und deren Einfluss wir gar nicht bewusst mitbekommen können.

Wenn beispielsweise in einem Video immer wieder für den Bruchteil einer Sekunde ein bestimmtes Bild eingeblendet wird, hat das einen starken Einfluss auf uns. Beim eingeblendeten Bild kann es sich um einen Markennamen, ein Getränk eines bestimmten Herstellers oder eine bestimmte Süßigkeit handeln. Zuschauer entwickeln dann unter den richtigen Voraussetzungen spezielle Bedürfnisse. Eine ohnehin durstige Zuschauerin möchte ein bestimmtes Getränk, ein hungriger Zuschauer eine ganz bestimmte Süßigkeit. Das Prinzip funktioniert auch mit Symbolen. Für ein Experiment wurden Smileys in ein Video über ein Hotel eingebaut, ein anderes Werbevideo enthielt diese Bilder nicht. Das Ergebnis: Das Video mit den Smileys führte zu mehr Buchungen.

Das Experiment wurde mehrfach wiederholt und damit bewiesen, dass diese Art der Werbung unter bestimmten Voraussetzungen funktionieren kann, solange die versteckten Botschaften relevant für den Betrachter sind. In diesen Fällen kann sie Entscheidungen von uns beeinflussen, ohne dass uns bewusst ist, dass wir mit Werbung konfrontiert sind. Deswegen ist „subliminale Werbung“ verboten.

Fazit: Werbung manipuliert uns – aber nicht unbegrenzt

Werbung manipuliert uns. Wir können uns nicht dagegen wehren und nehmen die Manipulation häufig nicht einmal bewusst wahr. Dazu werden evolutionsbiologische Mechanismen ausgenutzt, gegen die wir nichts tun können. Musik, Gerüche, Farben und Vorbilder wecken Emotionen in uns, die zum Kauf animieren und uns Produkte begehrenswert oder Kauferlebnisse besonders angenehm im Gedächtnis verankern.

Auch nervige Werbung wirkt, obwohl sie keine positiven Gefühle in uns weckt. Sie funktioniert stattdessen durch Präsenz, Wiederholung und Wiedererkennbarkeit. Konsument*innen greifen im Zweifel häufiger zu bekannten als zu unbekannten Produkten. Subliminale Werbung, die uns Botschaften unterschwellig vermittelt, ohne dass wir bewusst mit ihr konfrontiert werden, funktioniert unter bestimmten Voraussetzungen. Ihr Einsatz ist allerdings verboten.

Sich der Werbeflut zu entziehen scheint angesichts der Masse an Anzeigen, Plakaten, Werbespots in Fernsehen, Radio und Internet geradezu unmöglich. Umso wichtiger, sich bewusste Auszeiten zu gönnen und sich den Einflüssen so gut wie möglich zu entziehen. An dieser Stelle könnte womöglich eine Werbung für einen Spaziergang in der Natur oder ein gutes Buch stehen.

Stand
AUTOR/IN
Tilo Bernhardt
ONLINEFASSUNG
Lea Kerpacs
Lea Kerpacs: Website-Redakteurin bei SWR3 (Foto: SWR3, Niko Neithardt)

Meistgelesen

  1. Nach sintflutartigem Regen New York City: Überschwemmungen nach Tropensturm

    Teile von New York City stehen nach sintflutartigem Regen unter Wasser. Auch U-Bahnen und Flughäfen der Metropole waren am Freitag teilweise lahmgelegt.

  2. Kevin Costner machte ihn zum Star Meistfotografierter Ahorn in England: Teenager fällt Robin-Hood-Baum

    Ein Bergahorn am Hadrianswall wurde der heimliche Star der Robin-Hood-Fans. Jetzt ist der 300 Jahre alte Baum verschwunden.

  3. Aus dem Weltall zu sehen U2 eröffnen „Sphere“: So sieht die mega-moderne Konzerkugel in Vegas aus

    Bei ihrer Residency-Konzertreihe spielen U2 als erste Band in The Sphere in Las Vegas. Die Arena bricht Weltrekorde und ermöglicht Shows, wie es sie bisher noch nicht gab.

    MOVE SWR3

  4. Gaspreis, Heizkostenzuschuss, Steuererklärung Überblick über Neuerungen im Oktober

    Neuer Monat, neue Gesetze und Regelungen: Was es im Oktober für wichtige Änderungen gibt, haben wir hier für euch zusammengefasst.

  5. Liveblog: Krieg in der Ukraine US-Präsident Biden verspricht trotz Spar-Haushalt weiter Ukraine-Hilfen

    Russland versucht weiter, die Ukraine einzunehmen. Der Krieg hat auch Auswirkungen auf Europa und die ganze Welt. Alle Infos dazu.

  6. Feuer-Katastrophe in Spanien Disco in Murcia in Flammen: Mindestens 13 Tote nach Party-Nacht

    Am frühen Sonntagmorgen ist im spanischen Murcia in einer Disco ein Feuer ausgebrochen. Mindestens ein Dutzend Menschen starben, mehrere werden noch vermisst.