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Gábor Paál
Gábor Paál (Foto: SWR, Oliver Reuther)
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Kira Urschinger
Kira Urschinger (Foto: SWR3)

Diese Woche steht im Zeichen des Klimaschutzes, die Politik will sich darauf einigen, wie wir da in Deutschland weiterkommen. Bis dahin wird viel diskutiert, man hört eine ganze Menge Behauptungen: Klimaveränderung gab es schon immer, Elektroautos bringen auch nichts, Deutschland ist eh schon Klimavorreiter... Welche dieser Aussagen stimmen und welche nicht – wir machen den Faktencheck.

1. Klimaveränderungen gab es schon immer.

Ja – und sie haben übrigens auch zum Aussterben vieler Tier- und Pflanzenarten geführt. Dass sich das Klima schon immer verändert hat, ist also kein Anlass zur Beruhigung. Der Blick in die Vergangenheit lehrt übrigens auch, dass bestimmte Gase wie CO2 das Klima erwärmen können.

Allerdings: Die Klimaveränderungen in der Vergangenheit hatten andere Auslöser. Zum Beispiel haben verheerende Vulkanausbrüche oder Meteoriteneinschläge früher immer wieder zu einem Kälteeinbruch geführt. Auch verändert sich die Art, wie sich die Erde um die Sonne bewegt, und auch die Verteilung der Kontinente auf der Erde spielt eine Rolle. Doch all diese Faktoren können die jetzige Klimaerwärmung nicht erklären. Der menschengemachte Treibhauseffekt ist die derzeit einzige plausible Erklärung dafür.

Und: Aus der Vergangenheit gibt es keinen Nachweis für eine Klimaerwärmung, die so rasch vonstatten geht wie die jetzige.

2. Nicht einmal die Klimaforscher sind einig, ob es einen Klimawandel gibt.

Das ist falsch. Gerade die Klimaforscher sind einig. Nicht nur, dass es einen Klimawandel gibt – sondern auch, dass dieser größtenteils durch den Menschen ausgelöst wurde. Sieht man sich die Studien zu dieser Frage an, die in den seriösen Wissenschaftszeitschriften erschienen sind, bestätigen inzwischen mehr als 99 Prozent genau das.

Unter den „Experten“, die in der Öffentlichkeit dem Klimawandel widersprechen, sind praktisch keine Klimaforscher. Richtig ist: In manchen Detailfragen gehen die Meinungen auseinander, insbesondere, was die Folgen betrifft. Zum Beispiel: Führt der Klimawandel schon zu einem Erlahmen des Golfstroms? Wie schnell werden sich Klimazonen verschieben? Wie stark bedroht der Klimawandel bestimmte Tierarten? Gibt es wirklich „Klimaflüchtlinge“?

3. Der Einzelne kann wenig tun.

Doch, jeder von uns kann sich politisch engagieren und seinen persönlichen Klima-Fußabdruck reduzieren. Zum Beispiel durch weniger Fleisch und weniger Flugreisen. Richtig ist aber: Nur das Engagement Einzelner wird das Klima nicht retten. Hier muss die Politik die Weichen stellen und zum Beispiel dafür sorgen, dass klimafreundliche Energien sich schneller durchsetzen oder es Anreize für tropische Länder gibt, Wälder zu pflanzen.

Aber nichts zu tun, weil man nur wenig tun kann, ist so ähnlich wie wenn man nicht zur Wahl gehen würde nach dem Motto: „Auf meine Stimme kommt es auch nicht an.“

4. Deutschland allein kann das Weltklima eh nicht retten.

Das ist völlig richtig. Denn: Deutschland ist zwar ein wichtiges Industrieland, aber global eher klein – verantwortlich für etwa zwei Prozent der Treibhausgase.

Aus China stammen gut 23, aus den USA gut 13 Prozent. Allerdings funktioniert internationale Klimapolitik eben nach dem Prinzip, dass sich ALLE verpflichten, ihre Emissionen zu reduzieren – und dass alle diese Verpflichtungen einhalten. Anders gesagt: Wenn Deutschland schlampt, machen die Chinesen irgendwann auch nicht mehr mit – und so weiter. Außerdem spielt Deutschland eine herausgehobene Rolle, aus zwei Gründen.

  • Es gilt als Vorreiter, wie gut der Klimaschutz hier funktioniert, wird international also genau beobachtet.
  • Deutschland ist das wichtigste Land in der EU, bestimmt wesentlich mit, was Brüssel macht – und alle EU-Länder zusammen blasen dann doch eine Menge Treibhausgase in die Luft, 9 Prozent der weltweiten Emissionen.

SWR3 weltweit CO2 sparen beim Fliegen – was bringt das?

Wir müssen CO₂ einsparen, um das Klima zu schützen. Aber gerade wenn es um Urlaub geht, tun wir uns besonders schwer. Fliegen ist einfach so praktisch – gleichzeitig aber besonders umstritten. Und da fängt die Idee des klimaneutralen Reisens an. Aber wie geht das überhaupt?

Daneben gibt es noch eine weitere wichtige Kennzahl, die zeigt, warum es auf Deutschland wesentlich mit ankommt: Den CO2-Ausstoß pro Kopf. Der ist in Deutschland etwa doppelt so hoch wie im weltweiten Durchschnitt, deutlich höher als in China und fünfmal so hoch wie in Indien. Auch in der Europäischen Union liegt Deutschland im oberen Drittel. Das heißt: Wenn das Ziel ist, dass alle den Ausstoß auf ein erträgliches Maß reduzieren, dann muss Deutschland mehr tun als viele andere.

5. Deutschland ist doch schon Vorreiter beim Klimaschutz.

Stimmt leider nicht. Die groß angekündigten Klimaziele für 2020 werden wir verfehlen. Die Bundesregierung hatte sich vorgenommen, bis 2020 40 Prozent weniger Treibhausgase auszustoßen als 1990. Voraussichtlich schafft Deutschland aber nur rund 30 Prozent weniger. Und das, obwohl wir mit einem ordentlichen Vorsprung gestartet sind: Nach 1990 haben viele Betriebe in Ostdeutschland dicht gemacht – das brachte deutliche Emissionsminderungen. Außerdem läuft der Ausbau der erneuerbaren Energien nicht so wie geplant – knapp 40 Prozent des Stroms im öffentlichen Netz stammen immer noch aus Braun- und Steinkohle. Wind, Sonne, Wasser und Biomasse lagen 2018 bei etwas über 40 Prozent. Weil Genehmigungen lang dauern und Gegner klagen, werden aktuell kaum neue Windräder gebaut. Und auch bei der Elektromobilität geht es nicht so voran wie geplant.

Eigentlich war das Ziel: 2020 sollen 1 Million E-Autos auf deutschen Straßen fahren. Davon sind wir weit entfernt. Ende 2018 waren es gerade einmal gut 80.000, nicht einmal ein Zehntel. Damit Deutschland zum Vorreiter beim Klimaschutz wird, muss also noch einiges passieren.

6. E-Autos sind genauso klimaschädlich wie Autos mit Diesel oder Benzin.

Jein. Ein neues E-Auto ist sogar noch klimaschädlicher als ein Benziner oder ein Diesel-Auto. Das liegt vor allem an der Batterie. Die herzustellen verschlingt viel Energie – und die Batterien werden immer größer, damit die Autos längere Strecken schaffen.

Aber je mehr Kilometer das E-Auto gefahren wird, desto klimafreundlicher wird es: Nach etwa 80.000 Kilometern hat ein E-Golf eine bessere CO2-Bilanz als ein Diesel Golf, bei einem Benziner geht es sogar noch schneller. Autos mit Verbrennungsmotoren stoßen nämlich durch den Verbrauch von Diesel und Benzin beim Fahren immer CO2 aus. Ein E-Auto fährt mit Strom – und der soll immer klimafreundlicher werden. Die Bundesregierung will, dass bis 2030 65 Prozent des deutschen Stroms aus erneuerbaren Energien kommen – also aus Wasser, Biomasse, Sonne und Windkraft. Aktuell sind es gut 40 Prozent. Mehr Strom aus erneuerbaren Energien würde dann auch die CO2-Bilanz bei der Batterie verbessern.

Eine Studie des Fraunhofer Instituts folgert deshalb: Ein heute angeschafftes E-Auto liefert über seine Nutzungszeit hinweg einen relevanten Beitrag zur Senkung der Treibhausgase.

7. Es ist doch gar nicht so schlimm, wenn sich das Klima verändert.

Doch, schon: Ökonomen haben es durchgerechnet: Den Klimawandel zu bremsen, wird teuer. Aber: Ihn nicht zu bremsen, wird noch viel teurer. Vor allem dann, wenn es nicht gelingt, die Erwärmung auf 1,5° bis 2° C zu begrenzen. Immer häufigere Wetterextreme sorgen für Unwetter, Ernteausfälle und geschädigte Wälder; steigende Meeresspiegel und schmelzende Gletscher verursachen Überschwemmungen. In unseren Breiten wird die Hitzebelastung zunehmen – und das Risiko, dass tropische Krankheitserreger hier heimisch werden.

Bestimmte Branchen wie der Skitourismus werden große Probleme bekommen. Und wenn sich das Klima um mehr als 1,5° erwärmt, werden diese Risiken sprunghaft ansteigen. Das jedenfalls ist die begründete Befürchtung vieler Klimaforscher. Wohlgemerkt: Da geht es um 1,5° C Grad gegenüber dem vorindustriellen Niveau. Eine Erwärmung um fast 1° C haben wir jetzt schon!

Was bringt CO2-Ausgleich beim Fliegen dem Klimaschutz?

Natürlich gibt es auch Gewinner des Klimawandels. Dazu wird Russland gehören. Wenn das Polareis schmilzt, sind die arktischen Seewege immer besser befahrbar. Auch verbessern sich die Bedingungen für die Landwirtschaft in Sibirien. Doch unterm Strich – und darin sind sich Forscher auch einig – würden die Kosten einer ungebremsten Erwärmung deutlich höher sein als solche vereinzelten Vorteile.

8. Um das Klima zu retten, sollten wir alle weniger Fleisch essen.

Das stimmt so nicht. Zwar belastet Fleisch das Klima weit mehr als andere Nahrungsmittel, weil dafür viel Tierfutter hergestellt werden muss. Weniger Fleisch essen, hilft deshalb dem Klima. Aber retten lässt es sich so nicht: Denn laut Umweltbundesamt macht die gesamte Ernährung beim Durchschnitts-Deutschen nur etwa 15 Prozent seines Kohlendioxid-Ausstoßes aus.

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Wer reist, hinterlässt Fußspuren – aber nicht nur die am schönen Sandstrand, sondern auch die in Form von CO₂-Emissionen. Wir verraten dir 7 Tipps, wie du klimafreundlicher unterwegs bist.

Wer seinen Fleischkonsum reduziert und beispielsweise statt einem guten Kilo Fleisch pro Woche nur noch 800 Gramm isst, spart laut Umweltbundesamt pro Jahr ungefähr 100 Kilo Kohlendioxid ein. Nicht mal ein Prozent der Gesamtmenge, die jeder Deutsche verursacht.

Wenn alle weniger Fleisch essen, hätte das trotzdem einen Effekt: Würde jährlich 8 Millionen Tonnen CO2 sparen, immerhin viermal so viel, wie alle deutschen Inlandsflüge verursachen. Wer gleich ganz zum Vegetarier wird, spart natürlich noch mehr – eine knappe halbe Tonne CO2 pro Jahr – das fällt dann schon ins Gewicht. Und wer sich vegan ernährt, der spart noch einmal deutlich mehr. Denn neben Fleisch belastet auch die Produktion von Milch das Klima. Im Magen von Kühen entsteht nämlich Methan, ein besonders wirksames Treibhausgas. Aus diesem Grund ist Rindfleisch etwa dreimal so klimaschädlich wie Schwein oder Geflügel – und dreißigmal so schädlich wie Kartoffeln.

9. Das Schneechaos im Januar widerspricht der angeblichen Klimaerwärmung.

Das ist falsch. Es wird auch in Zukunft kalte Winter geben und auch mal verregnete Sommer. Der Begriff „Klima“ beschreibt langfristige Mittelwerte. Üblicherweise umfasst „langfristig“ dabei einen Zeitraum von 30 Jahren. Innerhalb dieser Zeiträume kann es zu besonders heißen oder kalten Ausreißern kommen. Auch ein besonders heißes Jahr wäre also auch noch kein Beweis für eine Klimaerwärmung. Doch wenn vier Jahre hintereinander – nämlich 2015 bis 2018 – heißer waren als alle anderen der letzten hundert Jahre, ist das schon ein Zeichen. Der Klimawandel verteilt sich auch nicht gleichmäßig: Die Arktis erwärmt sich schon viel schneller als der Rest der Welt.

Die AfD sagt: Mehr CO2 fördert das Pflanzenwachstum. Stimmt das?

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