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In mehreren Sendungen hat der umstrittene Infektionsepidemiologe Sucharit Bhakdi geschildert, dass der neue Corona-Impfstoff des Mainzer Unternehmens Biontech und seines US-Partners Pfizer gefährlich sei. Seiner Ansicht nach gibt es vier große mögliche Gefahren der Impfung. Wir prüfen seine Thesen.

Wir zeigen die Videos an dieser Stelle bewusst nicht, um deren Reichweite nicht zu unterstützen, schlüsseln aber die Kernthesen auf und unterziehen sie einem Faktencheck.

Seit Beginn der Pandemie äußert sich der Professor im Ruhestand, Sucharit Bhakdi, regelmäßig über das neuartige Coronavirus. Seine Thesen sind umstritten. So sehr, dass die Johannes Gutenberg-Universität Mainz sich mehrfach, zuletzt Ende Oktober, von ihrem ehemaligen Leiter des Instituts für Medizinische Mikrobiologie und Hygiene distanziert hat. Die Universität und das Institut betrachtet seine Positionen als „irreführend bis falsch“.

Löst die Impfung von Biontech und Pfizer schwere Nebenwirkungen aus?

Die erste Gefahr ist laut Bhakdi, dass die Impfung viele Nebenwirkungen auslöst, die „recht schwer“ sind. „Junge, gesunde Menschen“ sollen „Fieber, Schüttelfrost, Muskelschmerzen, Gliederschmerzen, Kopfschmerzen und krank“ gewesen sein.

Richtig ist: Der Impfstoff des Mainzer Unternehmens Biontech und seines US-Partners Pfizer gegen das neue Corona-Virus kann Nebenwirkungen haben, darunter auch die, die Sucharit Bhakdi angegeben hat. Eine Studie im New England Journal of Medicine bringt Klarheit darüber, was uns nach der Impfung mit dem Corona-Wirkstoff des Mainzer Unternehmens Biontech und des US-Pharma-Riesen Pfizer erwarten kann. Zu den bereits bekannten Nebenwirkungen gehören Rötungen, Schwellungen oder auch leichte Schmerzen an der Einstichstelle. Außerdem kann es in den ersten drei Tagen nach der Impfung zu Müdigkeit, Fieber, Kopf- und Gliederschmerzen kommen. Im Allgemeinen waren die Nebenwirkungen schwach bis mäßig und klangen nach kurzer Zeit ab.

Aber: Bhakdi schätzt diese Nebenwirkungen als „recht schwer“ ein. Der Direktor des Instituts für Klinische Mikrobiologie, Immunologie und Hygiene an der Uniklinik Erlangen, Christian Bogdan hält den Impfstoff von Biontech und Pfizer für „reaktogener“ im Vergleich zu vielen etablierten Impfstoffen. Die Nebenwirkungen können also häufiger auftreten als etwa bei Grippe-, Tetanus- oder Diphtherieimpfungen. Viele Impfexperten vergleichen die Reaktionen auf den Corona-Impfstoff von Biontech und Pfizer mit denen nach einer Gürtelrose-Impfung. Kein Grund aber für größere Bedenken.

Es ist halt ein bisschen unangenehm. Ganz ohne geht es nicht.

Die Verträglichkeit des Impfstoffes wird aber auch nach der Zulassung der EU weiter überprüft. Das für Deutschland zuständige Paul-Ehrlich-Institut ist daher auf Meldungen von Herstellern, Ärzten, aber auch von Patienten angewiesen.

Mainz

Was der Piks mit uns macht Nebenwirkungen der Corona-Impfung: Unangenehm, aber nicht gefährlich

Mehr als 40.000 Probanden haben den Impfstoff der Mainzer Firma Biontech und des US-Pharma-Konzern Pfizer schon bekommen. Über diese Symptome klagten die meisten Geimpften.

Haben wirklich keine Menschen aus der Risikogruppe die Corona-Impfung von Biontech und Pfizer getestet?

Das behauptet zumindest Sucharit Bhakdi im Interview – ohne dabei seine Quellen anzugeben. Und liegt damit falsch.

Richtig ist: An der Studie mit rund 45.000 Geimpften nahmen nach Angaben der Europäischen Arzneimittel-Agentur auch Menschen mit Asthma, chronischen Lungenerkrankungen, Diabetes, Bluthochdruck und Übergewicht teil. Mehr als 40 Prozent der Teilnehmer der Impfstudie in Phase 3 waren laut Hersteller Biontech zwischen 65 und 85 Jahren.

Löst die Corona-Impfung schlimme allergische Reaktionen aus?

Die dritte Gefahr ist laut Bhakdi, dass der Impfstoff „ganz schlimme allergische Reaktionen“ hervorrufen kann.

Richtig ist: In Großbritannien, wo bereits mehr als 140.000 Menschen den Biontech/Pfizer-Impfstoff erhielten, zeigten zwei Geimpfte größere allergische Reaktionen. Die Behörden riefen daraufhin Menschen mit einer „signifikanten“ Allergiegeschichte auf, sich vorerst nicht impfen zu lassen. Auch in Alaska reagierte ein Mensch nach einer Impfung mit starken Allergie-Symptomen.

Aber: Der Mikrobiologe und Impfexperte an der Uni Wien Herwig Kollaritsch sagt, eine derartige Frequenz von allergischen Nebenwirkungen bei hochallergischen Personen sei nicht ungewöhnlich.

Auch der Infektiologe an der Berliner Charité, Leif Erik Sander, sagt, bei den beiden Fällen in Großbritannien handele es sich um Personen mit einer Geschichte von schwersten, lebensbedrohlichen Allergien, die ständig ein Notfallset mit sich tragen.

Solche Menschen hätten bei jedem Arzneimittel und bei jeder Impfung ein starkes Risiko und seien auch nicht in der Zulassungsstudie berücksichtigt worden. Sehr wohl hätten da aber auch Menschen mit Allergien teilgenommen. Allergische Nebenwirkungen seien in der Studie jedoch nicht erhöht gewesen.

Ich glaube daher nicht, dass wir ein generelles Problem haben.

Reagiere ich durch die Corona-Impfung stärker auf andere Virusinfektionen?

Doch kann die neue Impfung tatsächlich dazu führen, dass wie Bhakdi sagt, eine nachfolgende Infektion, nicht nur mit dem Coronavirus, sondern auch mit anderen Viren, wie dem Grippevirus, verstärken kann? Nach Ansicht von Bhakdi könnte das zu einem „explosionsartigen Verlauf“ führen.

Richtig ist: Theoretisch ist es möglich, dass sich durch eine Impfung sogenannte unerwünschte infektionsverstärkende Antikörper bilden. Das Paul-Ehrlich-Institut gibt an, das sei ein „theoretisches Risiko“ und forscht deshalb bei den Corona-Impfstoffkandidaten dazu und verlangt auch, dass die Impfstoffentwickler selbst dazu Untersuchungen durchführen.

Falsch ist: Bislang gibt es keine Hinweise darauf, dass durch die Impfung eine Infektion verstärkt wird – weder im Tierversuch, noch bei geimpften Personen. Das sagt das Paul-Ehrlich-Institut. Bislang wurden auch bei anderen mRNA-Impfstoffkandidaten für andere Infektionskrankheiten keine solcher infektionsverstärkenden Antikörper beobachtet.

Löst die Impfung eine Autoimmunerkrankung aus?

Bhakdi spricht in dem Interview außerdem davon, dass die mRNA-Impfung gegen das Corona-Virus deshalb gefährlich ist, weil sie eine Autoimmunkrankheit auslösen könnte.

Richtig ist: Es ist theoretisch möglich, dass eine Autoimmunkrankheit entstehen kann. Das sagte der Präsident des Paul-Ehrlich-Instituts Klaus Cichutek auf einer Pressekonferenz am 8. Dezember mit dem Robert-Koch-Institut. Mit solchen theoretischen Gefahren beschäftigt sich das Institut nach eigener Aussage ausführlich – in klinischen Untersuchungen und in Tierversuchen.

Aber: Es gibt laut Klaus Cichutek, dem Präsidenten des Paul-Ehrlich-Insituts, bislang keine Hinweise darauf, dass die Corona-Impfung von Biontech und Pfizer eine Autoimmunkrankheit auslöst.

Macht die Corona-Impfung unfruchtbar?

Laut Bhakdi besteht eine weitere Gefahr darin, dass die Impfung unfruchtbar oder sich auf Schwangere oder ihr Embryo auswirken könnte. Auch diese Gefahr benennt er, ohne seine Quellen offenzulegen.

Falsch ist: Bhakdi behauptet, das alles sei nie geprüft worden. Das stimmt allerdings nach Angaben des Paul-Ehrlich-Instituts nicht. Bislang gibt es keinerlei Hinweise darauf, dass der mRNA-Impfstoff unfruchtbar machen könnte – weder in präklinischen Untersuchungen noch in den klinischen Prüfungen, sagt das Paul-Ehrlich-Institut auf unsere Anfrage. Auch die Tierversuche stellten keinerlei Auswirkungen fest. Weitere Studien mit schwangeren Probandinnen sind nächstes Jahr geplant, das gab Biontech auf der Pressekonferenz am 22. Dezember bekannt.

Wer ist Professor Sucharit Bhakdi?

Wer ist eigentlich dieser Mann, der auf Youtube mit seinen Thesen viele Menschen erreicht? Sucharit Bhakdi ist Professor im Ruhestand, Humanmediziner und Facharzt für Mikrobiologie und Infektionsepidemiologie. Er war bis 2012 Leiter des Instituts für Medizinische Mikrobiologie und Hygiene der Universität Mainz. Auf seinem Youtube-Kanal beschreibt er sich selbst als Experten, aber was heißt das schon?

Die Kollegen vom Bayerischen Rundfunk haben genauer nachgeschaut:

Auf Plattformen wie Web of Science oder researchgate kann man nachvollziehen, wie viel einzelne Forscher veröffentlichen oder wie oft sie von anderen zitiert werden. Das gilt als Gradmesser für die Resonanz, die die Forschung von Wissenschaftlern findet.

Die Suche nach Sucharit Bhakdi auf diesen Plattformen zeigt: Er wird zwar immer wieder zitiert, aber es gibt viele andere Forscher, die genauso viel oder mehr Resonanz erfahren als er. Tatsächlich sagen Fachkollegen, dass Bhakdi in den neunziger Jahren ein renommierter Mikrobiologe war.

Allerdings ist er seit acht Jahren im Ruhestand. Sein Forschungsgebiet waren zum Beispiel Atherosklerose, bakterielle Toxine, Malaria und Dengue. (Wikipedia, Researchgate). Epidemiologische Fragen, wie er sie rund um das neuartige Coronavirus in seinen Videos thematisiert, standen nicht im Zentrum.

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SWR3

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