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Dennis Tinat
SWR3 Moderator Dennis Tinat (Foto: SWR3)
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Vanessa Valkovic
Vanessa Valkovic (Foto: SWR3)

Das eigene Baby nicht lieben können. Es am liebsten weggeben wollen. Angst haben, ihm etwas antun zu können und dabei von Schuldgefühlen erdrückt zu werden. Zehn bis 15 Prozent aller Mütter leiden unter einer solchen postpartalen Depression – auch „Wochenbettdepression“ genannt. Und viele wissen es nicht. Das ist nicht nur für die Mutter schlimm, sondern auch für das Baby. Wie erkennt man eine solche Depression und wie lässt sie sich behandeln?

Ich habe ständig geweint und konnte keinen Grund dafür nennen. Entweder ich war traurig oder ich habe gar nichts gefühlt“, erzählt Monja aus dem SWR3 Mama-Podcast Chaos². Bei ihr begann die Depression am vierten Tag nach der Geburt ihres ersten Kindes. Bei manchen Müttern beginnt sie erst sechs bis 12 Monate danach oder schon während der Schwangerschaft. „Ich habe überlegt, ob ich das Kind vielleicht im Krankenhaus lassen kann und einfach gehe. Meine größte Angst war, dass es an mir liegt. Dass ich vielleicht einfach nicht fürs Muttersein gemacht bin - und dann kamen die Schuldgefühle,“ berichtet Monja.

„Man hat Angst, dass dir jemand sagt: 'Du bist eine schlechte Mutter'“

Sie hatte die typischen Symptome. Konnte sich über nichts mehr freuen, schon gar nicht über das Kind – sie war müde, fühlte sich kraft- und wertlos und konnte nicht schlafen.

Ich habe gelebt wie ein Zombie. Ich habe nur funktioniert, habe mein Kind versorgt und so kam ein monotoner Tag nach dem anderen

Einmal sei sie vor Erschöpfung auf dem blanken Teppich eingeschlafen, während ihr Sohn auf dem Sofa lag. Hilfe zu suchen, fiel ihr schwer. „Man hat Angst, dass dir jemand sagt: 'Du bist eine schlechte Mutter, man kann dir nicht helfen'. Obwohl das ja eigentlich absurd ist, weil man es lernen kann.“ Ihr Partner und die Familie waren mit der Situation genauso überfordert: „Die hatten dadurch glaube ich noch mehr Angst als ich, dass ich keine Mutter sein kann.

Podcast Lebenslänglich – der Mama-Podcast

(Ehemals Chaos² – der Mama-Podcast) Zwei Mütter reden über alles, was Mamas eben so beschäftigt: Kinder, Familie, Erziehung, Väter und das ganz normale Alltagschaos hoch zwei. Wir sind Anneta und Monja, beide Zweifachmamis, beide mit vollem Terminkalender. Die eine moderiert die Morningshow bei SWR3, die andere ist die „Mama mit Kamera“ bei Instagram. Die eine ist verheiratet, die andere alleinerziehend. Und wir haben Redebedarf: Ehrlich, direkt, klar auf den Punkt! So wie Mamas eben reden, wenn der Tag gelaufen ist und die Kids im Bett sind.

Warum bekommen manche Mütter eine Wochenbettdepression?

Was eine Wochenbettdepression auslöst, ist weitgehend unbekannt. Als Ursache werden die hormonellen Schwankungen durch die Schwangerschaft angenommen, auch genetische Veranlagungen können eine Rolle spielen.

Mütter mit perfektionistischen Persönlichkeitszügen sind öfter betroffen, weil sie das auch auf das Mutter sein übertragen.

Was sind die Symptome einer Wochenbettdepression?

Häufig haben die betroffenen Mütter auch Selbstmordgedanken oder Angst ihrem Kind etwas antun zu können“, sagt Dr. Anja Agyemang, Fachärztin für Psychiatrie und Psychotherapie an der Uniklinik Freiburg. Dabei lasse sich die Depression sehr gut und schnell behandeln.

Oft helfen bereits stützende Gespräche mit Hebammen oder den Schwestern im Krankenhaus. Wichtig sei auch, dass der Partner die Mutter von Anfang an entlastet. Ihr Schlaf ermöglicht, in dem er das Kind mit abgepumpter Milch oder durch Zufüttern versorgt und ihm das gibt, was die Mutter durch die Wochenbettdepression nicht mehr leisten kann. Es Liebe und Nähe spüren lassen, es auf den Arm nehmen, streicheln und mit Ammensprache beruhigen. Denn sonst könne ein Teufelskreis für Mutter und Kind entstehen. „Schreikinder sind oft ein Ergebnis der Depression der Mutter“, sagt Dr. Christiane Hornstein, Psychiaterin aus Heidelberg.

Einen Hinweis darauf, ob eine Wochenbettdepression vorliegt, gibt ein Screening-Fragebogen – die Edinburgh Postnatal Depression Scale – kurz EPDS-Test. So einen Test können Mütter auch selbst im Internet machen. Wer hier auf über zehn Punkte kommt oder die letzte Frage mit mindestens einem Punkt bewertet, sollte sich Hilfe bei einer psychologischen Beratungsstelle oder einem Psychiater suchen.

Wie kann eine Wochenbettdepresson behandelt werden?

Selbst bei schweren Symptomen können hier betroffene Mütter schnell Hilfe finden. Behandelt wird dann meist medikamentös. „Oft helfen entsprechende Antidepressiva schon nach zehn Tagen bis spätestens drei Wochen, schlaffördernde Mittel lassen die Mutter zur Ruhe kommen“, so Psychiaterin Hornstein.

Angst und Schuldgefühle sind dabei die größte Hürde für den Beginn einer erfolgreichen Behandlung, ihrer Freiburger Kollegin Dr. Anja Agyemang ist es daher wichtig klarzustellen: „Die Frauen können nichts dafür und es ist kein Zeichen dafür, dass sie ihr Kind nicht lieben oder keine gute Mutter wären.

Und sie hat noch einen Tipp: „Viele wissen nicht, dass sie in solchen Fällen zur Entlastung eine Haushaltshilfe verschrieben bekommen können. Übernimmt diese Rolle der Mann, zahlt die Krankenkasse einen Teil des Verdienstausfalls.

„Bloß nicht Zuhause eingraben“

Monja wusste nicht, warum es ihr so schlecht ging und was sie tun soll. Bei ihr verging die Depression über einen Zeitraum von drei Monaten nach und nach. Geholfen habe ihr dabei, ihren Alltag zu strukturieren: „Ich habe Mutter-Kind-Kurse besucht. Bloß nicht Zuhause eingraben. Auf jeden Fall rausgehen, aktiv sein, mit Baby, sich mit anderen Müttern austauschen und den Partner mit einbinden. Auch wenn der genauso vorm Berg steht und nicht weiß, was er tun soll. Nicht alles alleine tragen!

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