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Stefan Scheurer
Stefan Scheurer (Foto: SWR3)

Kopfschmerzen, Anfälle und Verzweiflung: Migräne gehört zu den schwersten neurologischen Erkrankungen überhaupt. Was hilft wirklich? Und wie kann ich vorbeugen? Unser großer Migräne-Ratgeber gibt dir Hilfe.

Inhalt: Schnell zu Deiner Migräne-Frage

Was ist Migräne? Habe ich es?

Unter Migräne versteht man regelmäßig auftretende, pulsierende Kopfschmerzen, meist einseitig. Manche Mediziner halten Migräne sogar für eine der schwersten neurologischen Erkrankungen. Mindestens jeder zehnte Deutsche ist betroffen, Frauen häufiger als Männer. 

Für Ärzte ist Migräne oft nicht leicht einzuordnen oder zu behandeln, da die Patientinnen und Patienten nun mal keine „messbaren“ Symptome haben. Einen Beinbruch oder eine blutende Wunde lässt sich nun einmal besser verorten als Kopfschmerz. Und: Migräne ist eine sehr individuelle Krankheit, was eine Standardbehandlung ebenfalls schwerer macht. Aber Patienten können selbst viel dazu beitragen, mit Migräne wenigstens etwas besser klarzukommen.

Was hilft bei Migräne sofort?

Was Schmerzmittel angeht, empfehlen Ärzte immer, sie akut so früh wie möglich einzunehmen – eben sobald den Patienten klar ist, dass eine Attacke droht. Weit im Voraus können sich diese Attacken ankündigen und sind von Mensch zu Mensch verschieden.

Frau schaut in die Kamera, ihre Finger am Kopf, die Stirn in rotes Licht getaucht, vermutlich Kopfschmerzen. (Foto: picture-alliance / Reportdienste, picture alliance / Zoonar | Max)
Migräne-Attacken kündigen sich bei einem Drittel der Betroffenen an, in der Regel Stunden davor – bei manchen Betroffenen sogar Tage davor. So schlimm es ist: Man kann sich immerhin etwas auf die Attacke vorbereiten.

Außerdem ist es gut, sich schnell zurückzuziehen: Ruhe, Dunkelheit und Entspannung werden dringend empfohlen. Die wissenschaftlichen Studien konzentrieren sich fast alle auf medikamentöse Einnahmen, die meisten in Tablettenform. 

Migräne: Wann muss ich ins Krankenhaus?

Die Frage ist nicht trivial: Wann ist es ein Notfall? Gerade wenn ein schlagartiger, explosionsartiger, vernichtender Kopfschmerz auftritt – möglicherweise zum ersten Mal –, ist es immer ein Notfall. Wer keine spezialisierte Schmerz- oder Notfall-Ambulanz in der Nähe hat, sollte dann ins Krankenhaus. 

Denn krasse Kopfschmerzen müssen keine Migräne sein, auch andere Notfälle im und am Kopf sind denkbar, Blutungen beispielsweise oder in leichteren Fällen Kopfschmerzen nach dem Sex. In der Regel neigen Menschen dazu, auch extreme Kopfschmerzen erst mit einem Schmerzmittel selbst zu behandeln: Wenn das nicht hilft, ist es ebenfalls ein Notfall!

Übrigens: Acetylsalicylsäure (beispielsweise „Aspirin“) muss immer dann vermieden werden, wenn unklar ist, woher der extreme Schmerz kommt, denn Aspirin verdünnt das Blut, was eine Behandlung bei einer anderen ernsten Krankheit (z. B. einer OP) schwieriger machen kann. Besser Ibuprofen, Diclofenac oder Paracetamol, wenn die Erfahrung gezeigt hat ist, dass man diese Schmerzmittel gut verträgt. Siehe auch: „Welche Tabletten helfen bei Migräne?“.

Chronische Migränepatienten, die ins Krankenhaus gehen, sollten ihren Arztbrief oder Notfallpass immer mitnehmen, damit schneller und gezielter mit hinterlegten Informationen geholfen werden kann – und man nicht nur beispielsweise mit einem fehldiagnostizierten, „einfachen“ Kopfschmerz wieder heimgeschickt wird.

Welche Migräne Tabletten sind die besten?

Medikamente sind nur ein Baustein, mit der Migräne umzugehen, das muss sich jeder klarmachen. Aber sie gehören dazu: Acetylsalicylsäure (beispielsweise „Aspirin“), Ibuprofen, Diclofenac (z. B. „Voltaren“) oder Paracetamol sind natürlich Klassiker, die auch nach wie vor empfohlen werden. Übrigens: Man darf nur einige Präparate und nur nach ärztlicher Rücksprache miteinander mischen, also gleichzeitig nehmen. Wer viel davon nehmen muss, sollte sich ggf. auch einen Magenschutz verschreiben lassen, sonst hat man im Bauch bei Ibu oder Diclo gleich das nächste Problem.

Aber Achtung: Patienten, die sich aus der Apotheke frei zugängliche Schmerzmittel zulegen, vergessen oft: Niemand sollte leichtfertig Schmerzmittel über einen längeren Zeitraum nehmen, da manche Medikamente bei einem zu häufigen Einsatz selbst Kopfschmerzen erzeugen können. Diese Gefahr darf man auf keinen Fall unterschätzen. Selbstmedikation bei Schmerzmitteln kann immer nur eine kurzfristige Lösung sein – und nur vorrübergehend! Wer länger Schmerzen hat, ist krank und muss zum Arzt.

Ein Mann liegt mit Migräne im Bett, im Vordergrund Medikamente (Foto: picture-alliance / Reportdienste, picture alliance / photothek | Ute Grabowsky)
Schnell Ruhe und Dunkelheit kann den Schmerz lindern. Ärzte empfehlen, Schmerzmittel so früh wie möglich zu nehmen, wenn sich die Migräne ankündigt.

Auch viele verschreibungspflichtige Medikamente sollten auf keinen Fall an mehr als 10 Tagen im Monat genommen werden, damit die Gefahr von Dauerkopfschmerzen reduziert wird! Es kann Ausnahmen geben, zum Beispiel bei Erkrankungen wie Corona. Dies setzt aber eine sehr individuelle ärztliche Beratung voraus, siehe unten.

Hilft Ingwer gegen Migräne-Attacken oder kann es vorbeugen?

Die schlechte Nachricht zuerst: Ingwer kann keine Migräne heilen, und die dauerhafte Einnahme von Ingwer führt nicht zu weniger Anfällen, sondern eher zu mehr Sodbrennen. Aber viele kleine Studien lassen die Vermutung zu, dass Ingwer bei einer akuten Migräne-Attacke helfen kann, als erste Hilfe sozusagen.

Dabei bedient sich Ingwer einem ähnlichen Mechanismus wie beispielsweise die Schmerzmittel Ibuprofen oder Diclofenac. Probanden aus der aktuellsten Studie nahmen den Ingwer als Kapsel und hatten 20 Minuten später weniger Schmerzen. In anderen Studien braucht es schon mal länger, ein bis zwei Stunden. Bei keinem der Probanden verringerte sich die Anzahl der Anfälle über einen längeren Zeitraum.

Wie entsteht Migräne? Was löst Migräne aus?

Genau weiß man es nicht, denn es kann bei jedem Menschen unterschiedlich sein. Man geht davon aus, dass sich die Anzahl der Migränepatienten in den vergangenen 40 Jahren mindestens verdoppelt hat. Daher liegt die Vermutung nahe, dass Migräne durch unsere Lebensumstände häufiger geworden ist. Im Zentrum stehen also zu viel Stress, schlechter Schlaf, Nahrungsmittel oder Hormone, wie Metastudien ergeben

Was hilft grundsätzlich bei Migräne?

Natürlich gibt es eine Reihe Schmerzmittel, die sich bewährt haben. Aber ausschließlich Medikamente zu schlucken, ist auch keine gesunde Lösung. Man sollte also versuchen, die Migräne mit vielen unterschiedlichen Strategien in den Griff zu bekommen.

Die Suchanfragen zu Migräne bei Google zeigen: Die meisten Fragen gibt es an Wochentagen (die Grafik zeigt 7 Tage). Das legt den Schluss nahe, dass Stress im Alltag einen erheblichen Anteil an Migräne hat. Außerdem kommen viele Anfragen morgens zwischen 4 und 6 Uhr.

Die eigentlichen Attacken können unterschiedliche Auslöser haben, Stress, Lärm, Medikamente, Wetter usw. Und bei unterschiedlichen Patienten können verschiedene Therapien schneller oder langsamer helfen – oder auch nicht. Viel Ausprobieren hilft viel, gerade im Bereich der Entspannung. Wichtig ist auch, sich so gut wie möglich selbst zu verstehen: Wer die eigene Migräne gut „lesen“ kann, kommt langfristig am besten damit klar. Die Krankheit zu akzeptieren ist ebenfalls auch ein wichtiges und hilfreiches Ziel.

Kann man Migräne vermeiden?

Akupunktur hilft dem einen, während andere besser verstehen, ihre bekannten Attacken-Auslöser zu vermeiden. Häufige Auslöser, auf die man mal achten kann: Lärm, bestimmte Nahrungsmittel, Wetter, Stress usw. So oder so gilt also, dass man verstehen muss, wie der eigene Körper reagiert. Ist ein Anfall da, helfen den meisten Entspannungsübungen, Ruhe und Dunkelheit.

Drei Pictogramme von entstehenden Kopfschmerzen im Gehirn. (Foto: picture-alliance / Reportdienste, picture alliance / Zoonar | Vladyslav Severyn)
Unter Migräne versteht man regelmäßig auftretende, pulsierende Kopfschmerzen, meist einseitig. Auch andere Kopfschmerzen können ein Notfall sein, besonders, wenn sie plötzlich und stark auftreten – und umso mehr, wenn sie sich irgendwann wiederholen. Auch die Notaufnahme kann dann dringend empfohlen sein.

Wenn mit Hausmitteln die Häufigkeit der Attacken nicht abnimmt, können Medikamente zur Einnahme verschrieben werden. Hierbei ist besonders wichtig zu verstehen, ob die Migräne bereits chronisch ist. Je nachdem ist die Behandlung unterschiedlich. Wie so oft sind Ausdauersport und ein stressfreies Leben sehr hilfreich. Wer auf seine Ernährung achtet, kann ebenfalls viel tun: kein Alkohol, Kaffee, nicht zu viele Süßigkeiten oder Fett. 

Migränepatienten haben oft einen intensiven Leidensweg. In Deutschland gibt es auch spezialisierte Kopfschmerzzentren, an die man sich wenden kann. Selbsthilfegruppen können eine wichtige Stütze sein, Hinweise gibt es beispielsweise bei der Deutschen Migräneliga – die übrigens auch 10 sehr gute „goldene Regeln“ zur Migränevermeidung und -verarbeitung veröffentlicht hat.

Habe ich schon eine chronische Migräne?

Wer mindestens fünf Migräneattacken hinter sich gebracht und öfter als 15 Tage im Monat Kopfschmerzen hat, gilt als chronischer Migränepatient. Bei chronischer Migräne sind therapeutisch bisher nur die Wirkstoffe Topiramat und OnabotulinumtoxinA nachweislich erfolgsversprechend, OnabotulinumtoxinA wirkt etwas besser.

Frau fällt auf Sofa (Foto: picture-alliance / Reportdienste, picture alliance / Zoonar | Dasha Petrenko)
Kopfschmerzen müssen nicht nur von Migräne kommen. Sie können einmalig auftreten und harmlos sein – aber auch auf etwas Ernstes hindeuten. Besonders extreme, plötzliche Kopfschmerzen sind häufiger ein Notfall als man denkt.

Für Kinder gibt es noch einige andere Medikamente. Wie immer gilt: Eine chronifizierte Krankheit braucht immer ärztliche Betreuung, damit man selbst nichts verschlimmbessert.

Migräne und Corona-Impfung:

Die Kopfschmerzen im Umfeld einer Impfung können etwa 18 Stunden nach der Impfung auftreten und im Schnitt etwa 14 Stunden bleiben. Die Kopfschmerz-Fachleute empfehlen in individuellen Fällen und bei manchen Migräne-Medikamenten das Dosis-Limit kurzfristig auszusetzen.

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Aber es ist besonders wichtig, sich sowas vom spezialisierten Arzt absegnen zu lassen, einem auf Migräne spezialisierten Neurologen oder Schmerztherapeuten beispielsweise. 

Migräne in der Schwangerschaft

Deutsche Ärzte folgen bei Krankheiten einer jeweils zuständigen Leitlinie. Behandlungskonzepte für Schwangere sind bei Migräne sehr zurückhaltend beschrieben. In den ersten drei Monaten wird Acetylsalicylsäure (beispielsweise „Aspirin“) und ein klassisches Migränemittel zugelassen (Sumatriptan).

In Skandinavien sind allerdings nach dortiger Leitlinie während der gesamten Schwangerschaft genau diese sog. Triptane das Mittel der ersten Wahl. Ob Schwangere also über die deutsche Empfehlung hinaus länger damit behandelt werden können, müsse man mit dem Arzt besprechen, am besten mit einem auf Schmerztherapie spezialisierten Neurologen, meint Dr. Astrid Gendolla (Neurologin, Schmerz- und Psychotherapeutin). In der Schwangerschaft ist Migräne und die Einnahme von Medikamenten stets eine Abwägungsfrage.

Asiatische Frau vor Großstadtkulisse hat Übelkeit und die hand vor dem Mund (Foto: picture-alliance / Reportdienste, picture alliance / PantherMedia | Leung Cho Pan)
Migräne kommt oft mit Übelkeit und Erbrechen. Während die Schmerzen auch mit klassischen Schmerzmitteln kontrolliert werden können, gibt es Spezialmedikamente für die Übelkeit, die man kombinieren darf.

Was tun, wenn mir bei Migräne übel wird?

Das kann passieren, Übelkeit und Erbrechen im Umfeld einer Migräneattacke. Auch hier gibt es spezialisierte Medikamente aus dem Bereich der Antiemetika, die Ärzte verschreiben können. Sie haben erst einmal nichts mit den Schmerzmitteln zu tun, können aber speziell bei Migräne kombiniert werden.

Welcher Arzt ist bei Migräne zuständig?

Die erste Anlaufstelle sollte immer (und frühzeitig) der Hausarzt sein. Da Migräne mit Schmerzen und Nerven zu tun hat, sind Neurologen, Psycho- und Schmerztherapeuten die zuständigen Fachrichtungen. In Deutschland bedarf es keiner Überweisung für einen Facharzt. Die Erfahrung zeigt allerdings, dass eine Überweisung vom Hausarzt (und manchmal auch dessen Nachdruck) schneller zu einem Facharzt-Termin führt.

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