Panik bei der UEFA? Ihr Verbot, die Münchner Arena in Regenbogenfarben zu beleuchten, um gegen staatliche Schwulenfeindlichkeit in Ungarn zu protestieren, ist schlecht angekommen – sehr schlecht sogar: Viele regen sich auf, darunter Politiker Sportler und Promis.
„Macht die scheiß Arena bunt!“ fordert beispielsweise Liedermacher Joris auf Instagram:
In einer Blitz-Umfrage der Voting-App FanQ im Auftrag des Sport-Informations-Dienstes (SID) kritisierten 69,8 Prozent der befragten deutschen Fans das ausgesprochene Verbot der UEFA, der Europäischen Fußball-Union. 26,3 Prozent begrüßten die Entscheidung des Dachverbandes.
UEFA ändert Logo und übernimmt Regebogenfarben
Und jetzt die UEFA: Ganz plötzlich, am Tag des Spiels, hat sie ihr Logo geändert. Statt in blau oder rot erscheint der Ring um den Schriftzug ganz plötzlich in Regenbogenfarben.
Schauen wir uns ihre Erklärung an, Überschrift: „Die UEFA respektiert den Regenbogen“ – klingt gut! Mal sehen, wie sie das erklärt: „Die UEFA trägt heute mit Stolz die Regenbogenfarben“, heißt es da. Der Regenbogen verkörpere alles, wofür die UEFA stehe. Nämlich eine gerechtere und gleichere Gesellschaft, tolerant jedem Menschen gegenüber, egal, woran er oder sie glaubt oder welches Geschlecht er oder sie hat.
UEFA: Die Regenbogen-Anfrage zum EM-Spiel in München war politisch – nicht wir
Die Entscheidung, München die Illumination des Stadions in Regenbogenfarben zu schmücken, sei von einigen „politisch“ interpretiert worden. Der Dachverband schreibt weiter: „Im Gegenteil, die Anfrage selbst war politisch und verbunden mit der Anwesenheit der ungarischen Nationalmannschaft im Stadion für das Spiel am Abend gegen Deutschland.“
Der Regenbogen sei für die UEFA „kein politisches Symbol, sondern ein Zeichen unseres Engagements für eine vielfältigere und integrativere Gesellschaft“. Die UEFA versucht also, aus dem Kreis ein Quadrat zu machen: Arena anstrahlen geht nicht, weil sonst Ungarn sauer ist, aber hey: Wir sind gar nicht so, wie es jetzt aussieht.
Aufklärung verboten: Darum geht es im Regenbogen-Streit mit der UEFA
Hintergrund der Aufregung ist eine Entscheidung der UEFA: Der Münchener Stadtrat hatte einen Antrag bei der europäischen Fußballunion eingereicht, die Münchener Allianz Arena beim Spiel gegen Ungarn am Mittwochabend mit Regenbogenfarben zu beleuchten – aus Protest gegen Orbáns Gesetz zur LGBQT+-Zensur. Das lehnte die UEFA mit der Begründung ab, die Aktion sei politisch und deswegen nicht erlaubt.
Das Gesetzt, verbietet, dass Jugendliche über Homosexualität und Geschlechtsumwandlung informiert werden. Ähnlich wie in Putins Russland, werden entsprechende Informationen dort ernsthaft als „Werbung“ bezeichnet – so als würden Jugendliche sich dann überlegen, ob sie nicht doch lieber schwul oder lesbisch würden. Mit anderen Worten: Angeborene Homosexualität wird dort nicht anerkannt und homosexuelle Jugendliche sollen durch entsprechende Beeinflussung davon abgebracht werden.
EU-Kommission will sich in Ungarn einschalten
EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen und viele andere Politiker und Sportler sind empört. Hier eine Auswahl der Reaktionen der vergangenen Tage bis Mittwoch:
Präsident Orbán zu UEFA-Regenbogen-Affäre: jetzt angeblich Beschützer von Homosexuellen
Zuvor hatte sich Ungarns Regierungschef Viktor Orbán in der UEFA-Regenbogen-Affäre zu Wort gemeldet. Der sagte erst einmal seine Reise zum Spiel in München ab und forderte: Die deutsche Politik solle das Regenbogen-Beleuchtungsverbot für die Münchener Allianz Arena akzeptieren.
„Ob das Münchner Fußballstadion oder ein anderes europäisches Stadion in Regenbogenfarben leuchtet, ist keine staatliche Entscheidung“, sagte Orbán. Auch in Budapest gehören ihm zufolge „die Regenbogenfarben selbstverständlich zum Straßenbild“.

Allerdings: Viktor Orbán war die treibende Kraft hinter dem neuen Zensur-Gesetz in seinem Land, wonach die Zugangsrechte zu Infos über Homosexualität und Transsexualität für Jugendliche beschnitten werden.
Ungarn sei ein tolerantes Land, sagte Orbán. „Im kommunistischen Ungarn wurden homosexuelle Menschen verfolgt. Heute garantiert der Staat nicht nur die Rechte von Homosexuellen, sondern er schützt sie aktiv. Die Freiheit des Einzelnen ist das höchste Gut.“
Setzt Ungarns Ministerpräsident Orbán die LGBQTI-Community mit Kinderschändern gleich?
Seine Aussagen würden diese Interpretation zulassen. Jeder Mensch müsse sich „fraglos“ frei für seinen Lebensweg entscheiden dürfen. Die Aufklärung heranwachsender Kinder gehöre aber ins Elternhaus. „Wir schützen diese Aufgabe der Eltern“, argumentierte Orban.
Dagegen ist der Kampf gegen Pädophilie eine Aufgabe des Staates.
Der Staat sei in der Pflicht, für den besonderen Schutz der körperlichen Unversehrtheit und seelischen Gesundheit der Kinder zu sorgen. „Mit dieser Haltung befinden wir uns in der Mitte des europäischen Wertekanons, in der Mitte einer offenen, toleranten Europäischen Union.“
Regenbogenfarben abgelehnt: Die UEFA macht sich unglaubwürdig, sagen viele
Twitter-Nutzer Sebo formuliert es noch drastischer: „UEFA = Heuchler“. Dazu postete er einen Screenshot, in dem die UEFA noch schreibt, sie sei stolz darauf, dass die Euro 2020 ein Turnier für jedermann sei. Daneben die Schlagzeile, dass die UEFA den Regenbogen auf der Allianz Arena nicht genehmigt hat. Von #EqualGame will die UEFA dann plötzlich doch nichts mehr wissen.
So lautete der erste Gegenvorschlag der UEFA:
Die UEFA hatte der Stadt vorgeschlagen, die Münchner Arena an einem anderen Tag entsprechend zu beleuchten. Zum Beispiel am 28. Juni – dem Christopher Street Liberation Day. Doch zum einen findet an diesem Tag dort kein EM-Spiel statt. Zum anderen leuchtet das Münchner Stadion an diesem Tag seit einigen Jahren sowieso schon, wie FC-Bayern-Präsident Herbert Hainer auf Twitter schreibt:
Für LGBTQ-Community: Stadien in Frankfurt und Köln sollen bunt leuchten
Wenn schon die Allianz Arena nicht bunt leuchten darf, dann wollen zumindest die Betreiber von anderen Stadien in Deutschland ein Zeichen setzen. Unter anderem soll die Commerzbank Arena in Frankfurt und das Rhein Energie Stadion in Köln in Regenbogenfarben beleuchtet werden.
„Wenn München am Mittwoch nicht darf, dann müssen eben die anderen Stadien im Land Farbe bekennen. Auf jetzt, Kollegen in der Liga“, twitterte Eintracht Frankfurts Vorstandssprecher Axel Hellmann in der Nacht. Der Club-Boss kündigte an: „Der Deutsche Bank Park schaltet zum Spiel gegen Ungarn den Regenbogen an. Das Waldstadion bleibt bunt.“
So ähnlich soll das dann auch in Köln ablaufen. Der 1. FC Köln und die Kölner Sportstätten teilten mit, die Entscheidung sei „auf Initiative verschiedener Gruppen aus der Kölner Stadtgesellschaft“ gefallen. „Wir begrüßen das sehr. Köln und der FC stehen für Vielfalt und Toleranz“, sagte Kölns Geschäftsführer Alexander Wehrle. „Die Entwicklungen in Ungarn sind erschreckend – umso wichtiger ist es, ein Zeichen dagegen zu setzen.“
Noch mehr Städte schließen sich an
Auch die Stadien in Augsburg und Wolfsburg sowie das Berliner Olympiastadion und das Stadion An der Alten Försterei in Berlin sollen während der EM-Partie der deutschen Mannschaft gegen Ungarn bunt erstrahlen. Und auch in Baden-Württemberg werden etliche Gebäude in Regenbogenfarben angestrahlt werden. Ungarische Vereine planen dagegen, ihre Stadien in den ungarischen Nationalfarben anzustrahlen.
Wegen Rassismus: erste Festnahmen nach EM-Finale
UEFA ermittelte wegen Manuel Neuers Regenbogen-Kapitänsbinde
Die Farben der Allianz Arena sind allerdings nicht die einzige „Regenbogen-Diskussion“ rund um die Fußball-EM. Der Verband hatte am Sonntag kritisiert, dass DFB-Kapitän Manuel Neuer in den Spielen gegen Frankreich (0:1) und Portugal (4:2) eine Spielführerarmbinde in Regenbogenfarben getragen hatte. Es würde nun überprüft, ob die Binde gegen das Regelwerk verstoßen hat.
Doch noch am Abend ruderte die UEFA zurück und teilte dem DFB mit, dass die Überprüfung schon wieder eingestellt sei. Neuers bunte Armbinde sei ein „Zeichen der Mannschaft für Vielfalt und damit als 'good cause' bewertet“.
Die Aktion hatte für große Verwunderung gesorgt. Neuer wird seine Regenbogenbinde trotz des Rummels darum auch gegen Ungarn tragen. Ex-Kicker und Fußballfunktionär Thomas Hitzlsperger hatte sich zuvor über die Ermittlungen der UEFA wegen der Regenbogenbinde aufgeregt:
Greenpeace, Cola-Flaschen, Autokraten – so politisch ist die EM
Wie nahe steht die UEFA Orbán?
Es scheint, als würde die UEFA durch die Münchner Offensive, die sich unmissverständlich gegen die Politik der rechtsnationalen Regierung Ungarns unter Ministerpräsident Viktor Orbán richtet, schwer in der Bredouille strecken.
Einerseits kann sich der Verband nach seinen massiven Kampagnen für Diversität der Aktion eigentlich nicht widersetzen. Allerdings wird der UEFA gleichzeitig eine von vielen Seiten kritisch gesehene Nähe zu Orbán nachgesagt. Es scheint um deutlich mehr zu gehen, als um nur ein paar Farben.
ARD-Faktenchecker Georg Restle twittert dazu, Politik und Fußball hätten natürlich selbstverständlich miteinander zu tun: