Russlands Regierung hat am Freitag groß gefeiert. Der Tag dürfte bald in den russischen Geschichtsbüchern stehen. Denn mit einer Zeremonie im Kreml hat Präsident Wladimir Putin eigenmächtig die Staatsgrenze verschoben – wieder einmal. Er will damit erreichen, dass ihm die ukrainischen Gebiete Cherson, Donezk, Luhansk und Saporischschja ebenfalls unterstehen und dort dieselben Gesetze gelten wie im übrigen Russland. Seine Truppen hatten die Gebiete im überfallenen Nachbarland erobert und seitdem besetzt.
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Die Menschen in Cherson, Donezk, Luhansk und Saporischschja seien ab sofort russische Staatsbürger – „und das für immer“, sagte Putin. Nach einer Rede am Nachmittag unterzeichnete er die Annexion, wie im Video ab ca. 1:00:00 zu sehen ist.
Zuvor hielt Putin eine ausführliche Rede. Darin rechtfertigte er die Annexion damit, dass dies „der Wille von Millionen Menschen“ sei. Mit dieser Äußerung bezog sich Putin offenbar auf die Scheinreferenden in den nun annektierten Gebieten. Doch die Abstimmungen über den Beitritt zu Russland widersprechen nach Ansicht der internationalen Staatengemeinschaft dem Völkerrecht und waren inszeniert.
Putin: Ukraine-Krieg ist historisch gerecht
In seiner Rede während der Annexions-Zeremonie beschuldigte Putin außerdem die ukrainische Führung, aus Neonazis zu bestehen. Den russischen Angriffskrieg in der Ukraine rechtfertigte er als Wiederherstellung der historischen Gerechtigkeit und als Befreiung Russlands von westlicher Unterdrückung. Er forderte von Kiew und dem Westen, sofort die Kampfhandlungen einzustellen – und Verhandlungen aufzunehmen.
Russlands Elite feiert mit Putin die Annexion
Auch die vier pro-russischen Anführer der Regionen Luhansk, Donezk, Cherson und Saporischschja unterzeichneten bei der Zeremonie mit der politischen Elite des Landes die Abkommen. Im Anschluss fassten Putin und sie sich bei den Händen und riefen einstimmig „Russland!“.
Déjà-vu: Russland annektiert ukrainisches Gebiet
Damit hat Putin nicht zum ersten Mal fremdes Territorium zu russischem Staatsgebiet erklärt. 2014 hatte sich sein Land die Schwarzmeer-Halbinsel Krim von der Ukraine einverleibt. Zusammen mit der Krim stehen somit ab diesem Freitag knapp 20 Prozent des ukrainischen Territoriums unter russischer Kontrolle. Die Ukraine will die Gebiete nicht aufgeben und pocht darauf, dass es sich nach wie vor um ihr Staatsgebiet handelt.
Was Putin mit der Annexion der ukrainischen Regionen bezwecken will und wieso die Aktionen Moskaus eigentlich gegen den Westen gerichtet sind, erklärte Sicherheitsexperte Christian Mölling in der SWR3 Morningshow. Er ist Forschungsdirektor der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik.

Nachrichten Sicherheitsexperte Mölling: „Putin möchte zeigen, dass er immer noch handlungsfähig ist“
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Was Putin mit der Annexion der ukrainischen Regionen bezwecken will und wieso die Aktionen Moskaus eigentlich gegen den Westen gerichtet sind, erklärt Sicherheitsexperte Christian Mölling in der SWR3 Morningshow. Er ist Forschungsdirektor der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik.
Russische Flaggen auf ukrainischem Gebiet
Die allermeisten Staaten wollten bei Putins Party am Freitag nicht mitfeiern: Sie erkennen es nicht an, dass in den ukrainischen Gebieten jetzt plötzlich russische Flaggen wehen sollen.
Wahlaufruf mit der Waffe in der Hand
Kritisiert wird, bei den Scheinreferenden seien ukrainische und internationale Gesetze verletzt und demokratische Mindeststandards nicht eingehalten worden. Beobachter hatten in den vergangenen Tagen außerdem auf zahlreiche Fälle hingewiesen, in denen die ukrainischen Bewohner der Gebiete zum Urnengang gezwungen wurden. Begleitet von bewaffneten russischen Soldaten gingen Vertreter des Besatzungsregimes demnach mit Wahlurnen von Wohnungstür zu Wohnungstür, um Stimmen einzusammeln.
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Bundesregierung: Gebiete sind weiter ukrainisch
Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) hatte betont: „Deutschland wird die angeblichen Ergebnisse niemals anerkennen.“ Die Scheinreferenden böten keine Rechtfertigung für das, „was Russland tatsächlich vorhat, nämlich mit Gewalt das Land des Nachbarn zu erobern oder Teile des Territoriums davon“. Auch die Annexion der Halbinsel Krim wird von der Bundesregierung bis heute nicht anerkannt.
UN kritisieren Pseudo-Abstimmungen
Auch die Vereinten Nationen (UN) lehnen es ab, die Scheinreferenden anzuerkennen. „Sie können nicht als echter Ausdruck des Volkswillens bezeichnet werden“, sagte die UN-Beauftragte für politische Angelegenheiten, Rosemary DiCarlo, am Dienstag (27. September) über die Scheinreferenden. Diese einseitigen russischen Handlungen seien nicht mit dem Völkerrecht vereinbar und verfolgten das Ziel, „der gewaltsamen Aneignung des Territoriums eines anderen Staates durch einen Staat einen Schein der Legitimität zu verleihen“.
UN-Generalsekretär António Guterres äußerte sich am Donnerstag besorgt über die Vorbereitungen Russlands für eine Annexion. Jeder weitere Schritt in diesem Zusammenhang wäre „eine gefährliche Eskalation“ und würde die Aussichten auf Frieden in der Region gefährden.
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