Fünf Stunden lang hat der Maut-Untersuchungsausschuss des Bundestags Verkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) am Donnerstag vernommen. In der Vernehmung hat er zentrale Vorwürfe zurückgewiesen.
1. Gab es ein Angebot der Maut-Firma?
Ein Angebot der Betreiber zu einer Verschiebung eines Vertragsschlusses bis zu einem Urteil des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) habe es nach seiner Erinnerung nicht gegeben, sagte Scheuer in der Nacht zu Freitag im Untersuchungsausschuss des Bundestags. Damit steht Aussage gegen Aussage in dieser Frage, die die Opposition besonders ins Visier genommen hat. Drei Manager der Betreiberfirmen hatten im Ausschuss von einem solchen Angebot an Scheuer berichtet.
Es war kurz nach Mitternacht, als der Minister auf das Treffen zu sprechen kam, um das es geht – ein Frühstück am 29. November 2018 im Ministerium, etwa 45 Minuten lang. Für die spätere Betreiberseite saß der Chef des Ticketspezialisten CTS Eventim, Klaus-Peter Schulenberg, dabei. Er habe Scheuer angeboten, mit der Vertragsunterzeichnung auf das Urteil zu warten, berichtete er. Der habe das aber „entschieden“ abgelehnt. Der Maut-Start müsse 2020 sein, im Wahljahr 2021 sei das inakzeptabel. Der Chef des zweiten Konsortialpartners Kapsch, Georg Kapsch, der ebenfalls teilnahm, bestätigte die Darstellung. Scheuer konterte dies.
2. War es abzusehen, dass der EuGH die Maut kippt?
Man sei nach breiter Expertise davon ausgegangen, dass die Maut vor Gericht durchgeht und eine Niederlage „total unwahrscheinlich“ sei. Dieser Punkt spielt in der Aufklärung eine große Rolle. Denn Scheuer wird vorgeworfen, die Verträge Ende 2018 geschlossen zu haben, bevor Rechtssicherheit bestand. Die Maut lag da schon beim EuGH – der sie im Juni 2019 kippte, weil sie Fahrer aus dem Ausland benachteilige.
3. Hat Scheuer „optionale Leistungen“ versprochen?
Scheuer konterte auch einen anderen Punkt. Schulenberg und Kapsch hatten im Ausschuss gesagt, der Minister habe im November 2018 „optionale Leistungen“ in Aussicht gestellt, wenn die Basisvergütung im Maut-Angebot reduziert würde. Dabei ging es demnach im Laufe der geplanten Vertragszeit von zwölf Jahren um eine mögliche Ausweitung der Pkw-Maut etwa auch auf Sprinter und Fernbusse – die zu der Zeit aber gar nicht beschlossen war. Kapsch sagte, er habe dies kategorisch abgelehnt. Scheuer sagte, er könne nicht ausschließen, das dies Thema gewesen sei. Es sei aber allgemein um Entwicklungen in Europa über die Nutzerfinanzierung von Straßen gegangen.
5. Warum wurden Verträge wirklich gekündigt?
Scheuer verteidigte es, die Verträge mit den Betreiberfirmen direkt nach dem EuGH-Urteil zu kündigen – und zwar nicht nur deswegen. „Wir konnten nicht zufrieden sein mit dem Stand der Umsetzung.“ Auch damit widersprach er den Betreibern, die von einer politisch motivierten Kündigung sprachen. „Wir haben immer sauber gearbeitet“, beteuerte Kapsch. Der Bund habe nie mit einem Projektabbruch gedroht.
Die Gründe der Kündigung sind wichtig für ein laufendes Schiedsverfahren. Die Betreiber fordern 560 Millionen Euro Schadenersatz. Der Bund hält dagegen, dass die Firmen bei einer Kündigung aus mehreren Gründen gar keine Ansprüche hätten.
Kommentar: „ein einziges Desaster“
Nina Barth aus dem SWR-Hauptstadtstudio hatte sich von dem Treffen vorher erhofft, dass der Untersuchungsausschusss Scheuer so richtig in die Mangel nimmt. Es werde höchste Zeit, so Barth. Die ganze Geschichte um die geplatzte Pkw-Maut ist ein einziges Desaster – so viele Fragen sind offen.