Jetzt also doch? Lange sah es nicht so aus, als würde Johnson von seinem Amt als Premierminister zurücktreten wollen. Und das, obwohl der Druck massiv war: Vier seiner Minister und 50 weitere Amtsträger traten innerhalb weniger Stunden zurück. Am Morgen forderte auch der neue Finanzminister Nadhim Zahawi den konservativen Politiker und damit seinen eigenen Chef zum Rücktritt auf – nur 36 Stunden, nachdem Johnson ihn ernannt hatte. Zuvor hatte der 58-Jährige auch andere lautstarke Forderungen nach seinem Rücktritt immer wieder zurückgewiesen.
Jetzt hat Johnson die Reißleine gezogen und ist als Chef seiner konservativen Tory-Partei zurückgetreten. Als Premierminister wolle er zumindest noch so lange weitermachen, bis ein Nachfolger gewählt sei, so der 58-Jährige.
#Clownfall: Viele halten Johnson schon lange für mindestens unseriös
Nach Johnsons Ankündigung macht in den sozialen Medien der Begriff „Clownfall“ die Runde, eine Kombination aus „Clown“ und „Downfall“, was auf Deutsch mit Untergang oder einem plötzlichen Verlust von Macht oder Status übersetzt werden kann. Das zeigt, dass Johnson durch seine Art, die manche als für den politischen Betrieb unkonventionell bezeichnen würden, von anderen seit langem nicht ernst genommen wurde.
Twitter-User @PolarOpposer sieht Johnsons Abgang offenbar in einer Reihe mit dem Machtverlust von Ex-US-Präsident Donald Trump.
Mehr als „Clownfall“ müsse man zu Johnsons Rücktritt nicht sagen, schreibt @pd7seven und bezeichnet ihn als „extremen Lügner“.
Warum stand Johnson in der Kritik?
Die Liste der Skandale ist lang: Zuletzt traten vier von Johnsons Minister und 50 konservative Amtsträger zurück – aus Protest gegen die sogenannte Pincher-Affäre: Johnson hatte dem Tory-Abgeordneten Chris Pincher in Fraktionsamt anvertraut, trotz Vorwürfen gegen Pincher wegen sexueller Belästigung – Johnson soll davon gewusst haben, berichtete die britische BBC.
In der vergangenen Woche trat Pincher dann zurück, weil er zwei Männer betrunken belästigt haben soll. Johnson erklärte daraufhin, er dulde ein solches Verhalten nicht.
#Partygate: Illegale Partys während des Corona-Lockdowns
Unter anderem sorgte auch eine Spendenaffäre für Schlagzeilen: Seine Partei musste 20.000 Euro Strafe zahlen. Der Grund: Eine nicht ordnungsgemäß angemeldete Spende für die Renovierung von Johnsons Dienstwohnung. Johnson machte das Skandal-Portfolio mit einer Partygate-Affäre komplett: Er geriet wegen Partys während des Corona-Lockdowns in Großbritannien in die Kritik. Bilder sollen den britischen Premier mit gefülltem Sektglas beim Zuprosten in der Downing Street zeigen. Er hatte wegen Teilnahme an einer der illegalen Zusammenkünfte einen Strafbefehl von der Polizei erhalten und ist damit der erste britische Regierungschef, der sich während seiner Amtszeit strafbar gemacht hat. Trotzdem stritt er lange jegliches Fehlverhalten ab.
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Jetzt kommen zu den Party-Vorwürfen während des Lockdowns noch andere Vorwürfe: Der Briten-Premier soll die Evakuierung von Katzen und Hunden aus Kabul angeordnet haben. mehr...
Daily Mail: Es wird schwierig für Boris Johnson
Trotz der vielen Skandale und kritischen Stimmen hielt sich Johnson lange. In letzter Zeit verlor er aber deutlich an Rückhalt. Das zeigte sich auch in den Medienberichten der konservativen Presse – sogar das regierungsfreundliche Boulevardblatt Daily Mail sah Johnsons Position als schwierig an.
Die Torys müssen jetzt einen neuen Parteichef bestimmen, der dann auch das Amt des britischen Regierungschefs übernehmen würde. Zuletzt waren auch die beiden am Dienstag zurückgetretenen Minister Rishi Sunak und Sajid Javid im Gespräch.