Nach einem Eklat am vergangenen Freitag hatte Tübingens Oberbürgermeister Boris Palmer am Montag seinen Parteiaustritt bei den Grünen erklärt (was passiert ist, lest ihr hier). Zudem wolle er eine „Auszeit“ nehmen. Am Dienstag hat sich Palmer zudem krankgemeldet – wegen eines Atemwegsinfekts, wie es hieß.
Erst am Dienstagnachmittag teilte Palmer mit, wie seine Pläne konkret aussehen: Pause ja, aber erst im Juni. Dann wolle er sich auch professionelle Hilfe suchen, unterrichtete Palmer in einem Schreiben die Beschäftigten der Tübinger Stadtverwaltung.
Boris Palmer will wieder Termine wahrnehmen – aber nichts mit Streit-Potenzial
Sobald seine Infektion abgeklungen ist, will er demnach bis zum Beginn seiner Auszeit wieder als Oberbürgermeister arbeiten. Palmer kündigte an, dann auch öffentliche Termine und die Leitung von Gemeinderatssitzungen bis Ende Mai wieder zu übernehmen.
Verzichten wolle Palmer allerdings auf die Teilnahme an Veranstaltungen, die Anlass zur Konfrontation bieten könnten. Weitere Details nannte die Stadt nicht.
Palmer: „So geht es nicht weiter“
Bereits am Dienstagmorgen hatte Palmer eine Stellungnahme veröffentlicht. Sie endete mit den Worten: „Eines ist mir klar: So geht es nicht weiter. Die wiederkehrenden Stürme der Empörung kann ich meiner Familie, meinen Freunden und Unterstützern, den Mitarbeitern in der Stadtverwaltung, dem Gemeinderat und der Stadtgesellschaft insgesamt nicht mehr zumuten.“
Zuvor hatte er zudem eingestanden, er habe als Oberbürgermeister „niemals so reden dürfen“.
Boris Palmer spricht N-Wort auf Konferenz aus
Auf einer Migrationskonferenz in Frankfurt am Main war es am Freitag zum Eklat gekommen. Er sollte einen Vortrag zu seinem Ansatz in der Migrationspolitik halten.
Palmer hatte auf der Bühne erklärt, warum er das N-Wort ausspreche. Der Moderator der Veranstaltung brach daraufhin seine Moderation ab und betonte, er könne und werde nicht weiterarbeiten, wenn jemand solche Thesen verbreite.
„Nazis raus“-Reaktionen auf Palmers N-Wort
Vor der Halle wurde Palmer von aufgebrachten Menschen mit „Nazis raus“-Rufen beschimpft. Seine Reaktion zu den Demonstranten war dann: „Das ist nichts anderes als der Judenstern. Und zwar, weil ich ein Wort benutzt habe, an dem ihr alles andere festmacht. Wenn man ein falsches Wort sagt, ist man für euch ein Nazi.“
Was hat Boris Palmer genau gesagt?
Der Tübinger OB benutzt das ausgesprochene N-Wort mehrfach. Auch in seinen Erklärungen und Rechtfertigungen, warum er es ausspricht, sagt Palmer es immer wieder.
Wenn ich eine Person, die vor mir steht, als N**** bezeichne, weil sie eine schwarze Hautfarbe hat, ist es eine justiziable Beleidigung. Da brauchen wir auch nicht darüber zu diskutieren. Wenn man aber beispielsweise die Frage debattiert, ob Astrid Lindgrens Roman in Zukunft Südseekönig oder N****könig schreiben soll, dann ist es eine vollkommen legitime Verwendung des Wortes N*****.
Dass Palmer wegen des ausgesprochenen N-Wortes als Nazi bezeichnet wird, verstehe er nicht.
Ja, ich benutze das Wort N****, weil der simple Sprechakt nicht Auskunft gibt, ob die Person ein Nazi ist oder nicht.
Das N-Wort und warum man es nicht benutzen sollte
Die Kampagne Vorsicht, Vorurteile! vom Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend macht auf Alltagsrassismus aufmerksam. Warum man das N-Wort nicht benutzen sollte, bekommst du hier in einem Video erklärt.
Am Samstagvormittag erklärte Palmer im SWR, was er mit dem Judensternvergleich gemeint habe: Er finde die Methode der Protestierenden in Frankfurt ähnlich wie beim Judenstern. „Es geht mir um die Ausgrenzung. Dass man mich deshalb ächtet, weil ich das N-Wort sage, und deshalb als Nazi bezeichnet werde. Das ist ähnlich wie das Aufkleben eines Judensterns.“
Mehr Infos bekommt ihr bei SWR Aktuell:
Reaktion auf Kritik an Auftritt in Frankfurt Tübingens OB Palmer tritt bei den Grünen aus und kündigt Auszeit an
Tübingens OB Palmer hat in einer Erklärung auf die Kritik an seinen Äußerungen zum N-Wort reagiert. Er kündigte eine Auszeit an und erklärte seinen Parteiaustritt bei den Grünen.
„Außerordentlich schmerzlich“ – so sehen es die Grünen
Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) hat den Parteiaustritt Palmers bedauert. „Persönlich tut es mir Leid um diesen klugen Kopf, der unsere Partei über eine sehr lange Zeit streitbar bereichert hat“, sagte der Grünen-Politiker am Dienstag in Stuttgart. Es sei „ein ziemliches Drama zu Ende gegangen“, sagte Kretschmann.
„Das berührt uns sehr. Ich finde das außerordentlich schmerzlich, was da passiert ist.“ Palmers Entscheidung nötige ihm Respekt ab, sagte der Regierungschef.
Auch der Vorsitzende der Bundespartei, Omid Nouripour, zollte Palmer Respekt, äußerte aber kein Bedauern. „Es gab ja Gründe, warum wir viele Diskussionen alle miteinander hatten“, sagte er am Dienstag im ZDF-Morgenmagazin. Palmers Schritt sei „respektabel, und ich wünsche ihm ein gutes Leben“.
Schlagersänger Dieter Thomas Kuhn ist irritiert
Dieter Thomas Kuhn hatte Palmer noch bei der Tübinger Oberbürgermeisterwahl unterstützt. Jetzt nimmt der Schlagersänger eher Abstand von ihm. „Ich bin etwas ratlos, wie ich mit ihm umgehen soll“, sagte Kuhn am Dienstag.
Er teile das Unverständnis über Palmers Aussagen und verstehe, dass diese als rassistisch empfunden werden können, sagte Kuhn. Ganz abwenden möchte er sich aber noch nicht, er will abwarten, wie es mit Palmer weitergeht.
Ist Boris Palmer rassistisch?
Palmer stand schon früher wegen kontroverser Äußerungen in der Kritik. Der Anlass für das Parteiausschlussverfahren 2021 war ein ein als rassistisch eingeschätzter Facebook-Post über den früheren Fußballnationalspieler Dennis Aogo. Nach Palmers Angaben war sein Eintrag damals satirisch gemeint.