Vor viereinhalb Jahren stimmten die Briten für den Austritt aus der Europäischen Union. Formal ist der Brexit bereits Ende Januar 2020 über die Bühne gegangen, doch bis zum Ende dieses Jahres gilt noch eine Übergangsfrist. Wenige Tage vor deren Ende haben sich Großbritannien und die EU nun nach langwierigen Verhandlungen auf ein Handelsabkommen für die Zeit nach dem Brexit geeinigt. Zölle und Handelsbeschränkungen sind damit weitgehend abgewendet. Dennoch kommen beispielsweise auf Reisende, Studierende, EU-Fischer und Unternehmen Veränderungen zu.
Braucht man für die Einreise nach Großbritannien einen Reisepass?
Ja, EU-Bürger brauchen ab Oktober 2021 einen Reisepass, um nach Großbritannien einreisen zu können.
Gibt es in Großbritannien bald Roaming-Gebühren für deutsche Mobilfunkkunden?
Nein, die großen deutschen Mobilfunkanbieter planen das nicht. Großbritannien bleibe in den EU-Tarifen so wie es jetzt auch für die Schweiz gelte, sagte ein Telekom-Sprecher der Deutschen Presse-Agentur. Vodafone teilte mit, dass sich an den Tarifen zunächst nichts ändern soll. Telefónica will nach eigenen Angaben „bis auf Weiteres“ die aktuellen Konditionen beibehalten. Ähnlich will es auch 1&1 handhaben.
Warum steigt Großbritannien aus dem Erasmus-Programm aus?
Der britische Premierminister Boris Johnson sagte, das Austauschprogramm sei für sein Land „extrem teuer“. Es sei jedoch eine „schwierige Entscheidung“ gewesen, erklärte er nach der Einigung auf ein Handelsabkommen mit der EU. Damit dürfte der Auslandsaufenthalt für Studierende aus EU-Staaten an Universitäten im Vereinigten Königreich teurer und schwieriger werden. Johnson kündigte für britische Studierende ein Ersatzprogramm an, das sich nicht nur auf Europa beschränken soll.
Auf EU-Seite ist eine Aufstockung des Austauschprogramms um 13 Milliarden Euro in den kommenden sieben Jahren geplant. Damit sei eine Verdreifachung der Teilnehmerzahl auf bis zu zwölf Millionen Menschen möglich. Neu sind auch Angebote zur Erwachsenenbildung. Erasmus war 1987 als Studierenden-Austauschprogramm gestartet. Es gilt inzwischen als eines der beliebtesten EU-Programme.
Welche Lösung gibt es bei Streitthema Fischerei?
Eines der größten Streitthemen in den Verhandlungen zum Brexit-Handelspakt waren die Fischereirechte in britischen Gewässern. Auf EU-Seite sind diese unter anderem für Frankreich relevant.
Die jetzt erzielte Einigung sieht nach Angaben von EU-Vertretern eine fünfjährige Übergangsfrist vor. In dieser Zeit sollen die Fangquoten der EU-Fischer um 25 Prozent verringert werden. Ab Juni 2026 solle dann jährlich erneut über die Quoten verhandelt werden.
EU-Fischer fangen Meerestiere im Wert von jährlich rund 650 Millionen Euro in britischen Gewässern. Trotz des insgesamt geringen wirtschaftlichen Gewichts ist der Sektor für Mitgliedstaaten wie Frankreich, die Niederlande, Dänemark und Irland von großer politischer und sozialer Bedeutung. Die französische Regierung kündigte inzwischen staatliche Hilfen für Fischer und Fischgroßhändler an, die vom Fischfang in britischen Gewässern abhängig sind.
In Großbritannien ist die Kontrolle über die eigenen Gewässer für viele Briten zum Symbol der durch den Brexit wiedergewonnenen Souveränität geworden.
Wie reagieren EU und Großbritannien auf die erzielte Einigung?
EU-Kommissionschefin Ursula von der Leyen bezeichnete die Einigung als gut. Es sei ein langer und steiniger Weg gewesen, doch nun habe man ein Abkommen. Großbritannien bleibe ein vertrauensvoller Partner, schrieb von der Leyen auf Twitter. Die Europäer sollten den Brexit nun hinter sich lassen, unsere Zukunft werde in Europa gemacht:
Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) würdigte das Abkommen als historisch. „Mit dem Abkommen schaffen wir die Grundlage für ein neues Kapitel in unseren Beziehungen“, sagte sie.
Der britische Premier Boris Johnson twitterte ein Bild mit triumphierend hochgestreckten Armen und schrieb dazu: „Der Deal ist abgeschlossen.“
In London sagte Johnson: „Ich glaube, das ist ein guter Deal für ganz Europa.“ Aus Sicht seiner Regierung ist mit dem Abkommen alles erreicht, was die britische Öffentlichkeit mit dem Brexit-Referendum von 2016 wollte.

Nachrichten Kommentar: Niemand braucht den Deal so sehr wie Boris Johnson
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Was sagt die Wirtschaft zum Brexit-Deal?
Wirtschaftsvertreter reagierten erleichtert. Von einem „Seufzer der Erleichterung“ sprach die deutsch-britische Industrie- und Handelskammer in London. Trotz Abkommens werde der Handel von Gütern und Dienstleistungen teurer. Der Hauptgeschäftsführer des Industrieverbands BDI, Joachim Lang, betonte: „Das Abkommen ist besser als kein Abkommen.“ Allerdings bedeute der Pakt für die meisten Unternehmen dennoch zusätzliche Bürokratie und unnötige Grenzformalitäten.
Der Deal komme für Unternehmen „ausgesprochen spät“, sagte York-Alexander von Massenbach von der britischen Handelskammer in Deutschland der Deutschen Presse-Agentur. Sich in wenigen Tagen durch 2.000 Seiten Text zu arbeiten und zu identifizieren, welche Konsequenzen drohen, sei schwer zu leisten.
Wie geht es jetzt mit dem Brexit-Handelsabkommen weiter?
Auf EU-Seite muss der Deal noch von allen 27 Mitgliedstaaten bestätigt werden. In Großbritannien muss das Parlament zustimmen, dafür ist eine Sitzung am 30. Dezember geplant. Die EU-Ratifizierung wird wohl nicht mehr bis zum Jahreswechsel klappen. Deswegen soll das Abkommen ausnahmsweise vorläufig in Kraft treten.