Drei Cannabis-Pflanzen zu Hause und 25 Gramm Gras in der Hosentasche – das soll künftig straffrei sein. Außerdem sollen der Anbau und die Abgabe der Droge auch in speziellen Vereinen unter Auflagen erlaubt werden. Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) und Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir (Grüne) haben überarbeitete Pläne für die Legalisierung von Cannabis in Deutschland vorgestellt.
- Das sind die Pläne für die Cannabis-Legalisierung
- Lieferketten-Tests fürs Cannabis-Business
- Das sagt Ex-Junkie und Suchtexperte Roman zu den Plänen der Regierung
- Streit um Kinder- und Jugendschutz bei Legalisierung
- Drogenbeauftragter verteidigt Lockerungspläne für Cannabis
- Cannabis-Legalisierung im Koalitionsvertrag
- Scheitert Legalisierung an EU-Recht?
Niemand soll mehr bei Dealern kaufen müssen, ohne zu wissen, was man sich da einhandelt.
Vorab hatte Lauterbach bereits auf Twitter geschrieben: „Die Legalisierung von Cannabis: Sie kommt doch.“
Kritik an Cannabis-Plänen der Regierung
Aus der Union kommt allerdings heftiger Widerstand gegen die Pläne. Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) kritisierte einen „Irrweg“. Eine Drogenlegalisierung sei falsch, schrieb er auf Twitter. Die geplanten „Drogen-Clubs“ lösten keine Probleme, sondern schafften neue.
Streit um Kinder- und Jugendschutz bei Legalisierung
Die Bundesregierung lasse in ihren Eckpunkten unbeantwortet, wie Kinder vor Cannabis geschützt werden sollten, sagte CDU-Generalsekretär Mario Czaja dem Redaktionsnetzwerk Deutschland. „Wir lehnen deshalb die jetzt vorgelegten Vorschläge zur Freigabe der Cannabis-Droge entschieden ab.“ Unions-Fraktionsvize Dorothee Bär (CSU) nennt die Pläne der Ampel-Koalition einen „frontalen Angriff auf den Kinder- und Jugendschutz“. Mit den angekündigten Cannabis-Clubs halte die Regierung „junge Menschen nicht von Drogen fern, sondern führt sie geradezu an Konsum heran“, sagte sie der Augsburger Allgemeinen.
Auch Ärzte, Apotheker und die Polizeigewerkschaft warnen vor den Gefahren für Heranwachsende. Der Generalsekretär der Deutschen Gesellschaft für Kinder- und Jugendmedizin (DGKJ), Burkhard Rodeck, erinnert an Erfahrungen mit dem Alkoholkonsum. Verhaltenspräventive Ansätze seien wenig effektiv. Die Gefahren des Cannabiskonsums in jugendlichem Alter seien hingegen eindeutig. Regelmäßiger Konsum führe dann zu „strukturellen und funktionellen Veränderungen im Gehirn mit Einschränkungen von Aufmerksamkeit, Denkleistung, Intelligenz und sozialer Kompetenz“, sagte Rodeck der Rheinischen Post.
Auf den Schwarzmarkt werde das Vorhaben keinen bedeutenden Einfluss entfalten, sagte der Vize-Vorsitzende der Gewerkschaft der Polizei, Alexander Poitz, dem Redaktionsnetzwerk Deutschland. „Das gilt ebenso für den riskanten Cannabis-Konsum von Minderjährigen.“ Er sehe auch keine nennenswerte Arbeitsentlastung. Laut UN-Drogenkontrollrat führe eine Legalisierung zu mehr Konsum und senke das Risikobewusstsein, so Bundesärztekammerpräsident Klaus Reinhardt.
Der Bundesgesundheitsminister verteidigte die Regierungspläne in den ARD-Tagesthemen:
Drogenbeauftragter verteidigt Lockerungspläne für Cannabis
Bundesfamilienministerin Lisa Paus (Grüne) sieht im Cannabis-Konzept der Ampel-Regierung den Jugendschutz ausreichend berücksichtigt. Die kontrollierte Abgabe von Cannabis an über 18-Jährige könne dazu beitragen, den Umgang mit der Droge zu verändern, sagte sie dem ARD-Hauptstadtstudio. Derzeit nähmen junge Leute illegal Cannabis, bei ungeprüfter Qualität der Droge.
Auch der Drogenbeauftragte der Bundesregierung, Burkhard Blienert (SPD), hat die geplante Lockerung der Cannabis-Regeln verteidigt. Dem MDR sagte er, die aktuelle Verbotspolitik sei falsch – sie schaffe nur neue Probleme, wie zum Beispiel organisierte Kriminalität. Cannabis werde jetzt schon viel konsumiert. Die Legalisierungspläne werden nach seiner Einschätzung nicht zu einem Anstieg führen. Wissenschaftlich sei mittlerweile erwiesen, dass Cannabis keine Einstiegsdroge sei. Blienert sagte aber auch:
Deutlich muss sein, es soll keine Werbung für diese Produkte geben. Das muss für alle Drogen gelten, eigentlich auch für Alkohol. Es gehört nicht in die Ladentheke, es gehört nicht in die Sichtbarkeit von Kindern und Jugendlichen.
Faktencheck Cannabis oder Alkohol: Was ist gefährlicher?
Gelegentlich einen Joint rauchen oder das tägliche Feierabendbier – was davon schadet uns mehr? Lässt sich das überhaupt vergleichen? Wir machen den Faktencheck.
Kiffen im Verein – das sind die Pläne für die Cannabis-Legalisierung:
Hier sind die einzelnen Eckpunkte – an denen sich während des Gesetzgebungsverfahrens noch etwas ändern könnte:
- Besitz bis zu 25 Gramm Cannabis bleibt straffrei und darf auch mitgeführt werden.
- Maximal drei weibliche blühende Pflanzen im Eigenanbau erlaubt – vor Kindern geschützt.
- „Nicht-gewinnorientierte“ Vereine mit maximal 500 Mitgliedern dürfen gemeinschaftlich Cannabis zu Genusszwecken anbauen und nur an Mitglieder für den Eigenkonsum abgeben. Das Mindestalter ist 18 Jahre. Die Clubs müssen Jugendschutz-, Sucht- und Präventionsbeauftragte benennen und dürfen nicht für sich Werbung machen. Eine Mitgliedschaft in mehreren Vereinen ist verboten.
- Maximal dürfen pro Club-Mitglied 25 Gramm Cannabis pro Tag und maximal 50 Gramm pro Monat abgegeben werden. Unter 21-Jährige bekommen maximal 30 Gramm pro Monat, zudem soll für sie eine Obergrenze beim Wirkstoffgehalt festgelegt werden. Die Kosten sollen über die Mitgliedsbeiträge gedeckt werden, gegebenenfalls kommt ein zusätzlicher Betrag je abgegebenes Gramm dazu.
- Kein Konsum in den Vereinsräumen, auch kein Alkoholausschank. Zudem gilt ein Mindestabstand für die Clubs zu Schulen und Kitas.
- Konsum nahe Schulen oder Kitas verboten. In Fußgängerzonen darf bis 20 Uhr nicht gekifft werden.
- Frühere Verurteilungen wegen Besitzes oder Eigenanbaus bis 25 Gramm oder maximal drei Pflanzen können auf Antrag aus dem Bundeszentralregister gelöscht werden.
- Minderjährige, die mit Cannabis erwischt werden, müssen an Interventions- und Präventionsprogrammen teilnehmen.
Lieferketten-Tests fürs Cannabis-Business
In Modellprojekten sollen in einem weiteren Schritt „kommerzielle Lieferketten“ getestet werden – also von der Produktion über den Vertrieb bis zum Verkauf von Cannabis in Fachgeschäften. Das alles soll fünf Jahre lang unter wissenschaftlicher Begleitung stattfinden und auf die Einwohner der entsprechenden Kommunen beschränkt sein. Ob das Cannabis-Business im großen Stil und deutschlandweit kommt, ist aber fraglich – denn da hätte die EU wohl ein Wörtchen mitzureden.
Cannabis: Shopbetreiber in BW sehen Existenz gefährdet
Suchtexperte Roman ist von Plänen der Regierung nicht überrascht
Dass die Pläne der Bundesregierung nun anders aussehen als ursprünglich angekündigt, ist für Roman Lemke, unseren Suchtexperten aus dem SWR3-Podcast Der Gangster, der Junkie und die Hure, nicht überraschend.
70 Jahre War of Drugs ziehen eine ganze Menge Folgen mit sich – und das braucht seine Zeit, bis wir die Akzeptanz hinbekommen. In Deutschland, aber auch EU-weit.
Auch wenn die Pläne rund um Cannabis-Legalisierung und -Straffreiheit helfen werden, den Schwarzmarkt einzudämmen – ausmerzen werden sie ihn nicht, lautet die Prognose von Roman: „Kanada hat uns gut gezeigt, dass es selbst bei einer vollständigen Legalisierung drei bis fünf Jahre braucht, dass der Weißmarkt stärker ist als der Schwarzmarkt.“
Auch wenn der erste Schritt getan ist, grundsätzlich wünscht Roman sich, dass Politiker die Versprechen einhalten, die sie ihrer Wählerschaft gegeben haben:
Und zwar diese Legislatur noch eine vollständige EU-konforme Legalisierung von Cannabis hinbekommen. Ich glaube, das ist super, super wichtig, um zu entstigmatisieren, um auch Menschen, die Konsumstörungen haben, schneller ins Hilfesystem helfen zu können.
Cannabis-Legalisierung im Koalitionsvertrag
SPD, Grüne und FDP hatten sich im Koalitionsvertrag auf die Einführung einer „kontrollierten Abgabe von Cannabis an Erwachsene zu Genusszwecken in lizenzierten Geschäften“ geeinigt. Das Modell kennt man aus den USA, wo es in manchen Bundesstaaten seit einigen Jahren extra Shops gibt, in denen man seine Tüte ganz legal erwerben kann.
Cannabis: US-Präsident Biden begnadigt tausende Kiffer
Bundesgesundheitsminister Lauterbach war anfangs jedoch kein Befürworter der Cannabis-Legalisierung. Im Oktober vergangenen Jahres hat er dann erste Pläne dazu vorgelegt.
Cannabis: Scheitert Legalisierung an EU-Recht?
Schwierigkeiten beim Legalisierungsvorhaben stellen das internationale und das EU-Recht dar: Die Schengen-Staaten, zu denen auch Deutschland gehört, haben sich nämlich dazu verpflichtet, „die unerlaubte Ausfuhr von Betäubungsmitteln aller Art einschließlich Cannabis-Produkten sowie den Verkauf, die Verschaffung und die Abgabe dieser Mittel mit verwaltungsrechtlichen und strafrechtlichen Mitteln zu unterbinden“. Das könnte also tricky werden!
Obwohl Lauterbach nach eigener Aussage von der EU-Kommission positive Rückmeldungen zu den Plänen bekommen hat, befand der SPD-Parteivorstand kürzlich:
Eine umfassende Legalisierung ist aus europarechtlichen Gründen offensichtlich kurzfristig nicht umsetzbar.

SWR3 Report Legaler Rausch – wann wird Cannabis erlaubt?
- Dauer
Kiffen soll in Deutschland legal werden! Wir sprechen mit Befürwortern und Gegnern einer Cannabis-Legalisierung und lassen uns die Argumente wissenschaftlich einordnen.