Bundestrainer Joachim Löw zog seine schwarze Corona-Schutzmaske über Mund und Nase, schob seinen Stuhl zurück und verschwand ratlos vom Podium im Estadio Olímpico de La Cartuja. Die drängenden Fragen nach dem historischen 0:6-Debakel gegen Spanien verfolgten den Bundestrainer in eine finstere Nacht in Sevilla.
Deutsche Fußball-Katastrophen im Überblick
Wie schlimm war das im historischen Vergleich? Die Übersicht zeigt: Nur einmal verlor die deutsche Nationalelf noch höher – und zwar 1909:
1. 0:9 gegen England in Oxford, 13. März 1909
2. 0:6 gegen Österreich in Berlin, 24. Mai 1931
3. 0:6 gegen Spanien in Sevilla, Nations League, 17. November 2020
4. 3:8 gegen Ungarn in Basel, WM-Gruppenphase, 20. Juni 1954
5. 0:5 gegen Österreich in Wien, 13. September 1931
Löw: „Kein Zugriff, keine Zweikampfhärte“
Statt den erhofften Gruppensieg in der Nations League als Symbol der Rückkehr zu höchster Wettbewerbsfähigkeit zu feiern, steht Löw nach dem sportlichen Untergang in Andalusien jetzt plötzlich vor den Trümmern seiner ohnehin kritisch begleiteten Aufbauarbeit – schonungslos zerstört vom alten Rivalen Spanien. Und das nur sieben Monate vor dem EM-Start gegen Weltmeister Frankreich.
„Es war ein Abend, an dem uns absolut nichts gelungen ist. Wir sind enttäuscht und absolut sauer“, sagte Löw. „Wir hatten keinen Zugriff, keine Zweikampfhärte, kein Zweikampfverhalten“, monierte der Bundestrainer.
Vier Monate pausiert die Nationalmannschaft jetzt. Und Löw? Eine Demission des Weltmeistertrainers von 2014 erscheint zum jetzigen Zeitpunkt unwahrscheinlich, obwohl auch Oliver Bierhoff als sein Vorgesetzter schon vor dem Spiel mit Interview-Aussagen eine gewisse Distanz aufgebaut hatte: Er werde Löws Strategie noch bis zur EM unterstützen. Aber auch im DFB-Führungszirkel könnten Fragen gestellt werden, ob die Symbiose Löw-Bierhoff nach 16 gemeinsamen Verbandsjahren die nötige Reformkraft und Krisenfähigkeit besitzt.