Die Vorsitzende des Bundesverbands der Ärztinnen und Ärzte im öffentlichen Gesundheitsdienst, Ute Teichert, appelliert wegen der weiterhin hohen Zahl der Corona-Infektionen an die Politik, Präsenzgottesdienste zu Weihnachten zu verbieten.
In diesem Jahr sollten Präsenzgottesdienste bundesweit untersagt werden.
„Weil wir wissen, wie leicht sich das Virus gerade bei Gottesdiensten übertragen kann, dürfen wir zu Weihnachten angesichts der hohen Infektionszahlen kein zusätzliches Risiko eingehen“, mahnte die Medizinerin im Interview mit den Zeitungen der Funke-Mediengruppe.
Maag: Gottesdienst am Fernsehgerät verfolge
Auch Politiker schließen sich dieser Meinung an. Die gesundheitspolitische Sprecherin der Unionsfraktion im Bundestag, Karin Maag (CDU), würde ein Verbot der Gottesdienste unterstützen. „Ich würde es in diesem Fall tatsächlich verbieten, weil wir in einer ganz schwierigen Lage sind“, sagte Maag im SWR. Sie gehe allerdings nicht davon aus, dass ein solches Verbot kommen wird.
Eine Gottesdienst-Variante mit wenigen Gläubigen, viel Abstand, zugewiesenen Plätzen und keinem Gesang könne sie nachvollziehen, sagte Maag. Dennoch appelliere sie an die Menschen, freiwillig auf die Teilnahme an einem Gottesdienst zu Weihnachten zu verzichten: „Aus ärztlicher, virologischer und politischer Sicht wäre es schön, wenn wir dieses Jahr darauf verzichten und den Gottesdienst am Fernsehgerät verfolgen.“
Sollen wir Weihnachtsgottesdienste feiern? Die SWR-Redakteure Mark Kleber und Utku Pazarkaya mit ihren Gedanken zur Diskussion:
Kretschmann verteidigt Öffnung der Kirchen an Weihnachten
Anders sieht das Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne). Er bestärkt den Beschluss des Landes, dass man zum Besuch eines Gottesdienst die Wohnung trotz Corona-Ausgangsbeschränkung verlassen dürfe. Für Gläubige sei das Fest wichtig, gerade auch in Pandemie-Zeiten. „Es geht um existenzielle Fragen für die Menschen, die den Gottesdienst besuchen“, so Kretschmann. Zudem stünden Sonn- und Feiertage unter dem besonderen Schutz des Grundgesetzes.
In Rheinland-Pfalz wurden die Regeln für Gottesdienste vor Weihnachten verschärft. Die Landesregierung hatte die Corona-Verordnung geändert und unter anderem die Teilnehmerzahl in Gottesdiensten auf höchstens 100 Personen begrenzt. Das Bistum Speyer begrüßte auf SWR-Anfrage den Schritt. Eine Begrenzung auf 100 Gläubige erhöhe in Gottesdiensten die Sicherheit der Besucher, hieß es.
Evangelischen Kirche: Keine generelle Absageempfehlung
Der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Heinrich Bedford-Strohm, ist gegen eine Absage der Weihnachtsgottesdienste. „Nein, keine generelle Absageempfehlung“, sagte der bayerische Landesbischof im Bayerischen Rundfunk. „Das muss jetzt vor Ort entschieden werden.“
Ihm sei bewusst, dass das für die Gemeinden eine schwere Entscheidung sei. Im SWR verwies Bedford-Strohm auf die Erfahrungen der vergangenen Monate und die Schutzkonzepte. „Für Weihnachten heißt es, dass nur sehr wenige Leute in die Kirchen können, mit großen Abständen, mit Gesichtsmasken, es wird nicht gesungen.“ Es werde in den Kirchen sehr genau darauf geachtet, dass keine Risiken entstünden. Bedford-Strohm sagte, er empfehle, Angebote wie digitale Formate, Fernsehgottesdienste oder Hausandachten zu nutzen.
Aber es gibt auch Menschen, die leben alleine. Die brauchen dringend diesen Trost, auch, wo sie andere Menschen neben sich haben.
Deswegen sage er, es gebe einen engen Korridor, „zu dem gehört aber auch, dass manche Gottesdienste in den Kirchen gefeiert werden“.
Auch katholische Kirche will an Gottesdiensten festhalten
Auch die katholische Kirche hatte zuvor angekündigt, an Weihnachtsgottesdiensten festzuhalten. Der Vorsitzende des Zentralkomitees der deutschen Katholiken, Thomas Sternberg, sagte der Augsburger Allgemeinen: „Die katholischen Gläubigen haben sich nie gegen vernünftige Lösungen gewandt, aber das heißt auch, dass man Gottesdienste nicht pauschal verbieten sollte.“ Gottesdienste ließen sich nicht einfach auf eine Online-Variante umstellen, es seien Gemeinschaftsfeiern.
Der katholische Bischof Ulrich Neymeyr verteidigte das Grundrecht auf freie Religionsausübung auch in Pandemie-Zeiten. „Kirchen zu schließen, kommt gar nicht infrage“, sagte der Bischof von Erfurt im MDR. Vielen Menschen sei es ein Anliegen, in die Kirche oder einen Gottesdienst zu gehen. „Wir brauchen solche Rückzugsorte.“
Kirchen finden kreative Alternativen
Vielerorts haben evangelische und katholische Gemeinden trotzdem ihre Präsenzgottesdienste zu Weihnachten abgesagt. In einigen Kirchengemeinden werden die Weihnachtsgottesdienste live über das Internet gesendet oder zeitversetzt abrufbar gemacht.
In Poppenweiler bei Ludwigsburg gibt es eine besondere Aktion. Dort fährt das Krippenspiel auf dem Traktor durch den Ort. In Freiburg steigt der evangelische Pfarrer Jörg Wegner am Nachmittag des 24. Dezember auf das Lastenfahrrad seiner Kirche und besucht mit einer darauf montierten Krippe verschiedene Ortsteile, um dort jeweils eine kurze Andacht zu halten. Außerdem gibt es ein ökumenisches Projekt aus Karlsruhe. Über 700 Kirchengemeinden im deutschsprachigen Raum nehmen an „Weihnachten neu erleben" teil. Die Aktion ist an Heiligabend ab 21 Uhr auf YouTube zu sehen.