Grünen-Chef Robert Habeck hat das Thema auf den Tisch gebracht. Er will das Wahlrecht ab 16 einführen. Es sei „absolut vorbildlich“, wie sich die junge Generation seit inzwischen mehr als zwei Monaten verhalte, sagte er in einem Interview mit der Neuen Osnabrücker Zeitung.
Jugendliche in der Corona-Krise: Keine Schule, keine Partys
Die jungen Leute hätten spätesten in der Corona-Krise gezeigt, welche Verantwortung sie zu übernehmen bereit seien. „Diese politische Reife müssen wir anerkennen“, so Habeck. Deshalb fordert der Grünen-Politiker: Das Wahlalter soll schon für die nächste Bundestagswahl 2021 auf 16 Jahre gesenkt werden.
Dann können sie mitbestimmen, wenn es um die Gestaltung der Nach-Corona-Zeit und damit um ihre Zukunft geht.
Zustimmung aus der SPD – Kritik aus der Union
Für den Vorschlag zur Absenkung des Wahlalters gibt es auch in anderen Parteien Zustimmung. Jugendliche bei der nächsten Bundestagswahl schon ab 16 Jahren wählen zu lassen, sei eine „Frage der Gerechtigkeit“, sagte Sönke Rix, familienpolitischer Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion, der Welt.
Auch die FDP findet die Idee gut. „Junge Menschen engagieren sich so aktiv wie lange nicht mehr und wollen ihre eigene Zukunft gestalten. Es ist deshalb folgerichtig, ihre Mitbestimmung zu stärken. Die Absenkung des Wahlalters gehört für mich persönlich dazu“, sagte der kinder- und jugendpolitische Sprecher der Fraktion, Matthias Seestern-Pauly.
Sein Kollege von den Linken, Norbert Müller, plädierte ebenfalls dafür, das Wahlrecht ab 16 einzuführen.
In Brandenburg haben wir damit auf Landesebene gute Erfahrungen gemacht.
Die Befürchtung, dass Jugendliche leichter zu manipulieren seien, habe sich nicht bestätigt, sagt Müller. Für eine Wahlrechtsänderung auf Bundesebene bedürfte es allerdings einer Grundgesetzänderung. „Dazu müsste auch die Union mit im Boot sein, die sich bisher gesträubt hat.“
Union: Es braucht eine klare Linie
Und danach sieht es gerade eher nicht aus – CDU und CSU unterstützen den Vorschlag nicht. Der familienpolitische Sprecher der Unionsfraktion, Marcus Weinberg, erteilte dem Ansinnen derweil eine Abfuhr. „So sehr ich die stärkere und frühere Beteiligung und die politische Bildung von Jugendlichen unterstütze: Von einer Absenkung des Wahlalters auf 16 halte ich nichts“, sagte er.
Mit 18 Jahren ist man geschäftsfähig und kann für ein politisches Mandat kandidieren. Es macht keinen Sinn, das Wahlalter davon zu trennen. Hier braucht es eine klare Linie.
Jugendforscher: „Schon Grundschüler können sich politisch artikulieren“
Jörg Maywald, Professor für Kinderrechte und Kinderschutz an der Fachhochschule Potsdam, sagte dagegen, eine Absenkung des Wahlalters erhöhe die Chancen für mehr Weitblick in der Politik.
Jugendforscher Klaus Hurrelmann sieht für die zunehmende Politisierung der Jugend Belege – dafür nennt die Fridays-for-Future-Bewegung als Beispiel.
Wir haben hier erlebt, dass sich sogar schon Grundschüler politisch artikulieren können. Die Jugendlichen haben sich auf geradezu vorbildliche Weise für ihre Überzeugungen und das Gemeinwohl eingesetzt.
Junge Menschen seien aber keineswegs auf eine bestimmte Partei festgelegt, betonte Hurrelmann. „Wer glaubt, vom heutigen Stimmungsbild ausgehend von einer Senkung des Wahlalters profitieren zu können, kann sich gewaltig irren.“
Wahlrecht ab 16 „würde uns allen gut tun“
Derzeit ist nur jeder siebte Wähler unter 30 Jahren, aber mehr als zwei Drittel der Wähler sind älter als 45. Das, was jüngere Menschen wollen, fällt daher gerne unter den Tisch, erklärt SWR-Hauptstadtkorrespondent Christopher Jähnert. Und sagt deshalb: „Ein Wahlrecht ab 16 könnte daher uns allen gut tun.“
Der Kommentar von Berlin-Korrespondent Christopher Jähnert: