Die Abgeordneten stimmten am Dienstag (13. Dezember) mit nur einer Gegenstimme in Straßburg für die Absetzung der 44-Jährigen, die seit Sonntag (11. Dezember) in Belgien in Untersuchungshaft sitzt. Zuvor hatten sich bereits die Fraktionsvorsitzenden im EU-Parlament einstimmig auf diesen Schritt geeinigt.
Eva Kaili selbst ließ über ihren Anwalt am Dienstag ihre Unschuld beteuern. „Ihre Position ist, dass sie unschuldig ist. Sie hat nichts mit Geldflüssen aus Katar zu tun, überhaupt nichts“, sagte Michalis Dimitrakopoulos dem griechischen Fernsehsender Open.
Die Sozialdemokratin ist eine von sechs Verdächtigen, die von den belgischen Behörden seit Freitag (9. Dezember) in dem Korruptionsskandal festgenommen worden sind. Vier von ihnen kamen am Sonntag in Untersuchungshaft, darunter Kaili selbst, ihr Freund und der ehemalige Europaabgeordnete Antonio Panzeri.
Barley: Kaili „hat sich ganz offen mit der katarischen Regierung getroffen“
Die deutsche EU-Parlamentsvorsitzende Katarina Barley (SPD) nannte Kaili im SWR einen „schlechten Menschen“. Barley sagte im SWR1-Rheinland Pfalz-Interview:
Von Anfang an habe ich sie in der Fraktion als Fremdkörper wahrgenommen. Von Anfang an hieß es: Die ist keine echte Sozialdemokratin. Und jetzt im Nachhinein setzt sich das alles zu einem Mosaik zusammen. Dass sie nicht nur keine Sozialdemokratin war, sondern auch offensichtlich ein schlechter Mensch.
Barley forderte eine schnelle und vorbehaltlose Auflärung der Korruptionsaffäre. Wies aber gleichzeitig darauf hin, dass dieser Fall auch durch Transparenzregeln nicht hätte verhindert werden können.
Denn Kaili, so Barley weiter, habe ihre Aktivitäten ganz offen gemacht. „Sie hat sich ganz offen mit der katarischen Regierung getroffen und Sie können keine Transparenzvorschrift haben: ‚Ich muss mein Schmiergeld offenlegen.‘“
Kaili bleibt in Untersuchungshaft
Kaili bleibt vorerst in Untersuchungshaft. Der für Mittwoch (14. Dezember) in Brüssel angesetzte Haftprüfungstermin wurde auf 22. Dezember verschoben. Als Grund dafür wurde ein Streik im Gefängnis angegeben. Die drei anderen Verdächtigen wurden jedoch angehört. Kailis Freund und Panzeri müssen nach einer Entscheidung der Ratskammer vorerst im Gefängnis bleiben. Die Untersuchungshaft gegen sie wurde bestätigt. Der dritte Verdächtige bleibe zwar ebenfalls in Gewahrsam, müsse aber eine Fußfessel tragen und könne so das Gefängnis verlassen, teilte die Staatsanwaltschaft mit. Er werde dazu verpflichtet dauerhaft an einer Adresse zu bleiben.
Die vier werden der Beteiligung an einer kriminellen Vereinigung, der Geldwäsche und der Korruption beschuldigt. Im Raum steht, dass das Golfemirat Katar, das derzeit die Fußballweltmeisterschaft ausrichtet, mit umfangreichen Geld- und Sachgeschenken versucht hat, Einfluss auf politische Entscheidungen im Europaparlament zu nehmen.
EU-Parlament will alle Katar-Aktivitäten stoppen
Derzeit wird auf EU-Ebene in Erwägung gezogen, die Visa-Regeln für Staatsbürger von Katar zu erleichtern – das Verfahren im Parlament liegt nach den Bestechungsvorwürfen erst einmal auf Eis. Katar weist die Vorwürfe zurück.
Das Europaparlament reagierte am Mittwoch auf den Korruptionsskandal: In einer fraktionsübergreifenden Entschließung heißt es nun, dass das EU-Parlament zunächst alle gesetzgeberischen Tätigkeiten aussetzen wolle, die mit Katar zu tun haben. Es solle auch keine Dienstreisen in den Golfstaat geben. Abgestimmt wird über die Vorlage am Donnerstag (15. Dezember). Widerstand regt sich im EU-Parlament auch gegen ein geplantes Flugabkommen mit Katar. Ein Nein zu einem solchen Abkommen würde vor allem die staatliche Gesellschaft Qatar Airways treffen.
Ermittler durchsuchen Räume im Parlament
Am Sonntag wurden zudem Räume des Parlaments in Brüssel von der belgischen Polizei durchsucht. Das teilte die belgische Staatsanwaltschaft mit. Dabei seien Daten von Computern von zehn parlamentarischen Mitarbeitern beschlagnahmt worden.
Die Computer seien demnach seit Freitag (9. Dezember) „eingefroren“ worden, um zu verhindern, dass für die Ermittlung benötigte Daten verschwinden können.
SWR3-Reporter Jakob Mayr mit Reaktionen von EU-Abgeordneten:

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Ermittler finden „Säcke mit Bargeld“ bei Kaili
Insgesamt hätten seit Freitag 20 Durchsuchungen stattgefunden, erklärten die Ermittler am Sonntag in Brüssel. Unter anderem wurden Handys und 600.000 Euro Bargeld beschlagnahmt. In Kailis Wohnung sollen nach Angaben der Polizei „Säcke mit Bargeld“ gefunden worden sein.
EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen äußerte sich besorgt über die Korruptionsaffäre im Europaparlament und forderte ein neues Ethikgremium für alle EU-Institutionen. „Die Vorwürfe gegen die Vizepräsidentin des Europäischen Parlamentes sind sehr schwerwiegend“, sagte von der Leyen. „Meiner Meinung nach wäre es richtig, dass wir ein Ethikgremium einrichten“, so wie es die EU-Kommission bereits habe.
Vorwurf: Katar will Entscheidungen des Parlaments beeinflussen
Laut Polizei versucht das Golfemirat Katar, „die wirtschaftlichen und politischen Entscheidungen des Europäischen Parlaments zu beeinflussen, indem es beträchtliche Geldsummen zahlt oder bedeutende Geschenke macht“.
Vizepräsidentin Kaili hatte sich kurz vor Beginn der Fußballweltmeisterschaft mit verschiedenen Politikern aus Katar getroffen. Das zeigen ihre eigenen und Tweets des EU-Botschafters Cristian Tudor in Katar. Bei den Treffen lobte Kaili im Namen der EU die Arbeitsreformen der katarischen Regierung.
Die Regierung in Katar twitterte ebenfalls, sie habe von der EU positive Rückmeldungen für ihre Reformen erhalten:
Am 22. November hatte sich Kaili in einer Rede im EU-Parlament sehr positiv über Katar geäußert: Die Fußballweltmeisterschaft in Katar sei „ein konkreter Beweis dafür, wie Sportdiplomatie zu einer historischen Transformation eines Landes führen kann, dessen Reformen die arabische Welt inspiriert haben“. Katar sei „führend bei den Arbeitsrechten“, sagte Kaili.