Im Zusammenhang mit dem Bombenanschlag vom Sonntag mit sechs Toten in Istanbul hat die Polizei 46 Personen festgenommen. Darunter sei auch eine junge kurdische Syrerin, die die Bombe platziert haben soll, teilte die Polizei am Montag mit.
Frau gesteht angeblich, von syrischer PKK ausgebildet worden zu sein
Sie veröffentlichte sowohl Fotos und Videos von der Festnahme der Frau, als auch Bilder, auf denen sie vor türkischen Flaggen vorgeführt wird. Auf einer Aufnahme vom Sonntag soll zudem zu sehen sein, wie sie vom Anschlagsort wegläuft. Sie soll zuvor 40 Minuten auf einer Bank gesessen haben. Beim Weggehen habe sie dann eine Tasche zurückgelassen.
Auf den Fotos der Festnahme wirkte die Frau angsterfüllt. Ihr Gesicht schien auf einigen der Bilder geschwollen zu sein. Bei einer ersten Befragung habe sie angegeben, von militanten Kurden in Syrien ausgebildet worden zu sein, so die Polizei. Gemeint ist damit die syrische Schwesterorganisation der türkisch-kurdischen PKK, namentlich die PYD und ihr militärischer Arm YPG.
Syrische Kurden streiten Beteiligung ab
Die PYD bestritt allerdings am Montag, mit dem Anschlag zu tun zu haben. „Wir verurteilen alle Angriffe auf Zivilisten und betrachten sie als Terrorismus. Wir distanzieren uns von allen Gewalttaten gegen Zivilisten und haben mit diesem Terrorakt nichts zu tun“, so ihr Vorsitzender Salih Muslim im schwedischen Rundfunksender SR.
Laut den Ermittlern ist die verdächtige Frau über die nordsyrische Kurden-Region Afrin in die Türkei gereist. Die türkische Regierung hatte zuvor bereits militante Kurden aus Syrien für den Bombenanschlag verantwortlich gemacht.
Mehr als 80 Menschen verletzt
Die Bombe war am Sonntag um 16:20 Uhr Ortszeit auf der Istiklal-Shoppingmeile explodiert. Mindestens sechs Menschen waren dabei ums Leben gekommen. Unter den Toten seien auch ein Ministeriumsmitarbeiter und seine Tochter, schrieb Familienministerin Derya Yanık am Abend auf Twitter. Präsident Recep Tayyip Erdoğan sprach praktisch gleich danach von einem „hinterhältigen Anschlag“ auf die Metropole Istanbul.
Nach offiziellen Angaben wurden 81 Menschen verletzt. Etwa die Hälfte konnte das Krankenhaus am Abend wieder verlassen. Fünf befänden sich auf der Intensivstation, zwei von ihnen seien schwer verletzt, so Gesundheitsminister Fahrettin Koca. Ob Deutsche oder Angehörige anderer Nationen unter den Opfer waren, war zunächst unklar.
Türkei: Nachrichtensperre nach Anschlag
Wie eine Reporterin der Deutschen Presse-Agentur berichtet, wurden gegen Abend nur Journalisten von staatlichen oder staatsnahen Medien zum Anschlagsort gelassen. Die Berichterstattung wurde in türkischen Medien größtenteils eingestellt. Die Rundfunkbehörde Rtük verhängte eine vorläufige Nachrichtensperre für Medien. In ihrem Schreiben hieß es, Berichte über die Explosion sollten vermieden werden, um nicht für Angst und Panik in der Bevölkerung zu sorgen.
Auch die Verbreitung von Fotos und Videos auf Social Media wollte man vermeiden: So reduzierte die Behörde für Informationstechnologie und Kommunikation (BTK) die Bandbreite für die Plattformen. Damit luden die Seiten deutlich langsamer oder waren nur noch mit VPN erreichbar. Der Anwalt Kerem Altıparmak twitterte dazu: „Die ganze Welt spricht gerade über die Bombe, die in der Türkei explodiert ist, außer der Türkei.“
Internationale Reaktionen auf die Explosion
Zahlreiche Politiker aus der ganzen Welt drückten ihr Mitgefühl aus, darunter auch Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD), Bundesaußenministerin Annalena Baerbock (Grüne) und die Sprecherin von US-Präsident Joe Biden, Karine Jean-Pierre.
Istiklal-Shoppingmeile: Erinnerung an Anschlag 2016
Im März 2016 hatte es auf derselben Einkaufsstraße, der Istiklal-Shoppingmeile, einen Selbstmordanschlag gegeben. Damals hatte die türkische Regierung die Terrormiliz IS verantwortlich gemacht. In der Türkei sind auch sonntags Geschäfte geöffnet. Zum Zeitpunkt der Explosion war die Istiklal voll mit türkischen und internationalen Besucherinnen und Besuchern.