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Björn Widmann
Björn Widmann (Foto: SWR3)

Seit Tagen diskutiert Deutschland über zwei Klimakleber, die mit dem Flugzeug nach Südostasien geflogen sind. Die „Letzte Generation“ findet die Diskussion scheinheilig.

Zwei Klimaaktivisten haben eine Vorladung bekommen, sie sollten wegen einer Klebeaktion im vergangenen Herbst vor Gericht erscheinen. Sie hatten sich mit weiteren Aktivisten auf einer Bundesstraße festgeklebt und damit den Verkehr behindert. Yannick sollte deshalb als Angeklagter vor Gericht erscheinen, Luisa als Zeugin. Aber sie blieben dem Prozess fern, die Bild titelte, dass beide nach Bali geflogen seien.

Dabei hätten die Klimaaktivisten einen CO2-Ausstoß von 7,9 Tonnen verursacht, rechnete die Zeitung aus. Das sorgte in den sozialen Medien für eine riesige Diskussion, sogar einige Politiker meldeten sich zu Wort.

Doppelmoral und Klimakollaps – unser Statement: Natürlich können wir nachvollziehen, dass negative Gefühle ausgelöst werden – gerade bei ökologisch bewusst lebenden Menschen –, wenn Protestierende der Letzten Generation in ein Flugzeug steigen. Vielen von uns geht es so. 1/12

Klimakleber haben Südostasien-Urlaub länger geplant

SWR3 hat sich auf Recherche begeben und interessante Details herausgefunden. Ein vermutlich nicht ganz so entscheidendes Detail: Luisa und Yannick seien nicht auf Bali, sondern in Thailand, „um dort viele Monate zu bleiben“, teilte die „Letzte Generation“ in einer Mitteilung mit. Den Trip hätten sie schon geplant, bevor sie bei der „Letzten Generation“ gewesen seien.

Viel wichtiger: Dass die beiden nicht zum Gerichtstermin in Stuttgart erschienen sind, war mit dem Gericht abgesprochen. Das ist in der bisherigen Berichterstattung wohl untergegangen. Und: SWR3 war laut der „Letzten Generation“ das erste Medium, das bei den Klimaklebern wegen der Urlaubs-Aktion nachgefragt hat – alle anderen Medien hätten wohl nur bei der Bild abgeschrieben.

Danke, dass Sie dazu nachfragen! Sie sind bisher in der gesamten Medienlandschaft der Erste.

Letzte Generation beklagt Doppelmoral

Mittlerweile hat die „Letzte Generation“ auch eine Pressemitteilung zum Sachverhalt herausgegeben. Darin beklagt die Organisation Doppelmoral. Man könne nachvollziehen, dass es negative Gefühle auslöse, wenn Protestierende der Letzten Generation in ein Flugzeug stiegen, hieß es. Doch es sei auch Doppelmoral, als „Klimakanzler“ den Ort Lützerath abzubaggern.

Individuelles Verhalten sei nicht unwichtig, im Gegenteil, hieß es in der Mitteilung der Klimaaktivisten weiter. Sich politisch gegen den Klimakollaps zu engagieren und dabei das eigene Leben umzustellen, gehe oft Hand in Hand. Aber: So eine Lebensumstellung sei keine Voraussetzung für den Protest – deswegen habe man auch kein Problem mit Luisa und Yannick.

Im Posting der Woche fragt sich SWR3-Redakteur Jakok Reifenberger, ob er lieber lachen oder weinen soll. Er meint, das eigentliche Problem ist, wie sehr die Aktion den Klimaschutz lächerlich macht.

Aufreger der Woche: Prozess in Stuttgart gegen Klima-Aktivisten, weil sie sich an einer Straße festgeklebt hatten. Zwei...Posted by SWR3 on Saturday, February 4, 2023

Herbe Kritik im Netz

Klar, dass der Urlaub der Klimaaktivisten im Netz einen bitteren Beigeschmack hat. Marcus Pretzell macht sich zum Beispiel über die beiden lustig.

„Was machst du denn so?“ „Privat mache ich Urlaub auf Bali, beruflich bin ich Klimaschützer.“ Party-Unterhaltung im Jahr 2023

AfD-Politikerin Beatrix von Storch stellt gleich den Klimawandel in Frage.

Danke an die beiden Klappspaten von #Klimahysteriker, die auf Bali urlauben. Und Danke besonders auch für diese „nur als #Privatleute“- Erklärung. Dann können wir ja jetzt mit diesem ganzen Klima-Schwachsinn auch offiziell endlich aufhören? #LetzteGeneration

CSU-Chef und Bayern-Ministerpräsident Markus Söder drückte sein Unverständnis für den Flug der Klimaaktivisten recht kurz aus.

das ist wirklich unglaublich… https://t.co/lyq3yXIFW9

Der CDU-Bundestagsabgeordnete Tilman Kuban drückt sich vorsichtiger aus – versteht den Flug der beiden aber auch nicht.

Ein solcher Bali-Flug wird für die meisten Leistungsträger unserer Gesellschaft, die morgens auf dem Weg zur Arbeit oder Kita blockiert werden, stets ein Traum bleiben…. #heuchelei #LetzteGeneration https://t.co/CfwlCK0FID

FDP-Mann Torsten Herbst wirft den Klimaaktivisten Doppelmoral vor.

Klimakleber und ihre Doppelmoral ✈️ Es ist schon bemerkenswert, dass man erst Berufspendler im Namen des Klimaschutzes nötigt, dann aber selbst entspannt in den Flieger nach Bali steigt. https://t.co/ORtyO1OX4a

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Die dpa ist eine Nachrichtenagentur. Dort arbeiten Journalisten, Kameraleute, Fotografen. Sie sind in Deutschland und weltweit bei wichtigen Ereignissen dabei. Informationen, Bilder und Videos stellen sie anderen zur Verfügung. Das hat den Vorteil, dass Zeitungen, Sender und Online-Portale über Themen berichten können, bei denen sie keine eigenen Leute vor Ort hatten. Weitere Nachrichtenagenturen, mit denen wir arbeiten, sind zum Beispiel Reuters, AFP, AP und SID.

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