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Amelie Heß
Amelie Heß (Foto: SWR)
Cornelia Stenull
Cornelia Stenull (Foto: SWR3)

Im Fall des achtjährigen Mädchens aus dem Sauerland, das fast sein ganzes Leben lang von Mutter und Großeltern im Haus festgehalten wurde, gab es schon länger anonyme Hinweise.

Kein Kindergarten, keine Schule, keine Freunde: Fast ihr ganzes Leben lang soll eine Achtjährige aus Attendorn im Sauerland zuhause von ihrer Mutter und ihren Großeltern festgehalten worden sein.

Jugendamt Olpe bekam anonyme Hinweise

Wie jetzt bekannt wurde, gab es im Fall des Mädchens schon länger anonyme Hinweise. Das bestätigte ein Mitarbeiter des Jugendamtes im Kreis Olpe am Montag der Deutschen Presse-Agentur (dpa). Der zuständige Fachbereichsleiter erklärte, dass es 2021 und 2020 anonyme Tipps gegeben habe.

„Wir sind dem sofort nachgegangen, aber es gab keine stichhaltigen Hinweise oder konkreten Anhaltspunkte, dass sich das Mädchen dort aufhielt.“ Man habe daher keine rechtliche Möglichkeit gehabt, das Haus zu betreten – das sei auch die damalige Einschätzung der Polizei gewesen, erklärte der Mitarbeiter des Jugendamts der dpa.

Nach Angaben der Staatsanwaltschaft werde deswegen jetzt auch gegen das Jugendamt ermittelt. „Wir müssen auch beleuchten, ob das Jugendamt alles Notwendige getan hat, um den Fall aufzudecken“, sagte der Siegener Oberstaatsanwalt Patrick Baron von Grotthuss auf dpa-Anfrage. Wenn ein achtjähriges Mädchen mutmaßlich fast sieben Jahre lang in einem Haus versteckt werde, „stellt sich zwangsläufig die Frage, ob das Kind nicht früher hätte gefunden werden können“.

Zunächst hatten der Sauerlandkurier und der WDR über den Fall des achtjährigen Mädchens inklusive der Hinweise an das Jugendamt berichtet.

Mädchen jahrelang eingesperrt: Mutter und Großeltern schweigen

Warum das Mädchen jahrelang festgehalten wurde, ist noch völlig unklar. Mutter und Großeltern machen dem Bericht zufolge keine Angaben. Gegen sie wird wegen Freiheitsberaubung ermittelt.

Im September konnte die Polizei das Mädchen befreien. Die Achtjährige, die mittlerweile in einer Pflegefamilie untergebracht ist, sagte dem Bericht zufolge bei ihrer Untersuchung, dass sie bisher vor allem in ihrem Zimmer bei verschlossener Tür gelebt habe. Sie habe noch nie einen Wald gesehen, sei noch nie auf einer Wiese gewesen oder in einem Auto gefahren, berichtete der Sauerlandkurier unter Berufung auf Unterlagen der Kinderklinik Siegen.

Laut den Ermittlungen der Staatsanwaltschaft durfte das kleine Mädchen das Haus nicht verlassen, seitdem es mindestens eineinhalb Jahre alt gewesen ist.

Viel von der Außenwelt kann das Kind daher bewusst nicht wahrgenommen haben.

Verstecktes Mädchen: Keine Hinweise auf Gewalt

Das Mädchen könne sprechen und laufen, so von Grotthuss, es sei aber kaum in der Lage, „allein Treppen zu steigen oder Unebenheiten im Boden zu überwinden“. Hinweise auf Misshandlungen oder Unterernährung lägen nicht vor. Die Ermittler gäben dem Mädchen jetzt jede Menge Zeit, um die neuen Eindrücke zu verarbeiten, bevor sie mit den Befragungen konkreter würden, so der Sauerlandkurier. Denn offene Fragen gibt es noch jede Menge.

Mutter gab an, nach Italien zu ziehen

Die Eltern des Mädchens lebten dem Bericht zufolge bereits vor der Geburt getrennt. Ungefähr ein Jahr nach der Geburt gab die Mutter gegenüber ihrem Ex-Partner an, dass sie mit ihrer Tochter nach Italien zu dort lebenden Verwandten ziehen werde. In den nächsten Jahren gab es wohl immer wieder Zweifel daran, dass die Frau samt Kind tatsächlich nach Italien gezogen sei. So gab der Vater beispielsweise 2015 gegenüber dem Jugendamt an, die Frau in Attendorn gesehen zu haben – ohne Kind.

Vermutlich auch weil die Großeltern Polizei und Jugendamt immer wieder entschieden abwimmelten, konnte die Kleine so lange versteckt gehalten werden.

Erst als ein Verwandter mütterlicherseits nach einem Besuch der Familie in Italien angab, dass die Mutter und das Kind nie in Italien gelebt haben, bekamen die Ermittler einen Durchsuchungsbeschluss und konnten das Mädchen befreien.

Im Video der Bericht der Aktuellen Stunde über den Fall.

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