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Christian Kreutzer

Müssen Kinder und Beschäftigte in Kitas gegen Masern geimpft sein? Ja, hat das Bundesverfassungsgericht entschieden – endgültig.

Diskussionen gab es zuletzt vor allem über das Für und Wider einer Corona-Impfpflicht. Eine andere Impfpflicht ist schon seit zweieinhalb Jahren in Kraft: die gegen die Masern. Einige Eltern wollten das nicht hinnehmen und hatten mit ihren betroffenen Kindern vor dem Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe geklagt.

Bundesverfassungsgericht billigt Masern-Impfpflicht https://t.co/ZFFy6TyBBt #Eilmeldung

Jetzt steht fest: Die Masern-Impfpflicht gilt. Die Grundrechtseingriffe seien zumutbar, um besonders gefährdete Menschen vor einer Infektion zu schützen, haben die Karlsruher Richter entschieden. Wir sagen, was das für euch bedeutet.

Warum gibt es die Masern-Impfpflicht?

Es sind zwar viele Menschen gegen die Masern geimpft. Die Quote ist aber nicht hoch genug, um das Zirkulieren des hochansteckenden Virus und Ausbrüche zu verhindern. Dafür müssten mindestens 95 Prozent der Bevölkerung immun sein. Deutschland hat sich auch gegenüber der Weltgesundheitsorganisation verpflichtet, die Masern zu eliminieren.

Wie sieht die Impfpflicht aus?

Sie setzt bei denjenigen an, „die regelmäßig in Gemeinschafts- und Gesundheitseinrichtungen mit anderen Personen in Kontakt kommen“, wie es im Gesetzentwurf heißt. Das sind vor allem Kitas und Schulen - die Karlsruher Richter habe aber nur zu Kitas entschieden. Die Impfpflicht gilt aber zum Beispiel auch in Flüchtlingsunterkünften und für Beschäftigte in Krankenhäusern und Arztpraxen. Eine Ausnahme gilt für Menschen, die sich aus medizinischen Gründen nicht impfen lassen können. Zwangsweise geimpft wird sowieso niemand.

Was bedeutet das speziell für Kinder und Eltern?

Seit 1. März 2020 dürfen Kinder ab einem Jahr nur noch in einer Kita oder bei einer Tagesmutter aufgenommen werden, wenn sie geimpft sind oder schon die Masern hatten. Das müssen die Eltern nachweisen. Für die Schule gelten dieselben Regeln – hier geht allerdings im Zweifel die Schulpflicht vor. Für Kinder, die damals schon in ihrer Kita waren, gab es für den Nachweis eine mehrfach verlängerte Übergangsfrist. Sie ist zum 31. Juli 2022 ausgelaufen.

Was passiert bei Verstößen?

Liegt der Nachweis nicht rechtzeitig vor oder gibt es Zweifel an der Echtheit, muss die Einrichtung das Gesundheitsamt informieren. Das Amt kann dann – Schulen ausgenommen – nach einer angemessenen Frist im Einzelfall je nach Risiko ein Betretungsverbot aussprechen. Alternativ kann eine Geldbuße von maximal 2.500 Euro verhängt werden.

Wie haben die klagenden Familien argumentiert?

Sie wollen sich die Entscheidung über die Impfung nicht aus der Hand nehmen lassen. „Eltern, die sich informiert und wohlüberlegt gegen die Masernimpfung entscheiden oder erst später impfen wollen, wird jede Möglichkeit einer externen Betreuung ihrer Kinder genommen“, heißt es in einer Mitteilung der Vereine Ärztinnen und Ärzte für individuelle Impfentscheidung und Initiative freie Impfentscheidung, die die Verfassungsbeschwerden unterstützen. „Dies stellt einen nicht zu rechtfertigenden Eingriff in die Entscheidungsfreiheit der Eltern für ihr eigenes soziales Lebens- und Erziehungskonzept dar.“ Auch das Grundrecht der Kinder auf körperliche Unversehrtheit werde verletzt.

Mehr Masernerkrankungen „Kinder müssen Krankheiten einfach mal durchmachen.“

Die Weltgesundheitsorganisation meldet: Weltweit ist im letzten Jahr die Zahl der Masern-Infektionen im Vergleich zum Vorjahr um ein Drittel gestiegen – und der Trend hält an. Eine Psychologin erklärt, warum manche Eltern ihre Kinder nicht impfen lassen wollen.

Ist die Masern-Impfung bedenklich?

Vor allem nach der ersten Impfung können Reaktionen wie Fieber und Kopfschmerzen auftreten. Manche Geimpfte bekommen auch Hautausschlag, die sogenannten Impfmasern. „Schwere unerwünschte Wirkungen der Impfung sind selten“, heißt es auf dem Informationsportal des Bundes.

Wie gefährlich sind die Masern?

Symptome sind Fieber, Bindehautentzündung, Schnupfen, Husten, Kopfschmerzen und der typische Hautausschlag. Als Komplikationen können Durchfall, Mittelohr- und Lungenentzündungen auftreten. In sehr seltenen Fällen können Masern eine Gehirnentzündung nach sich ziehen, die in einer speziellen, erst nach Jahren auftretenden Variante nahezu immer tödlich endet. Außerdem warnen Experten davor, dass eine Infektion für längere Zeit das Immunsystem schwächt. Wer einmal die Masern hatte, ist für den Rest seines Lebens immun.

Wie verbreitet sind die Masern in Deutschland?

In den Corona-Jahren wurden dem Robert Koch-Institut (RKI) nur 76 (2020) und 10 (2021) Fälle gemeldet. Vorher waren es in der Regel mehrere Hundert im Jahr, 2015 sogar 2.465. Kritiker der Impfpflicht verweisen auch auf diese relativ niedrigen Zahlen. Andererseits gibt es besonders gefährdete Menschen, die selbst nicht geimpft werden können, wie Säuglinge, Kranke mit Immunschwäche oder Schwangere. Wenn sich genügend andere impfen lassen, sind sie mitgeschützt.

Wie funktioniert die Impfung?

Für Kinder empfiehlt die Ständige Impfkommission (Stiko) eine Impfung ab elf Monaten und eine zweite ab 15 Monaten. Gespritzt wird ein sogenannter Lebendimpfstoff aus abgeschwächten Masernviren. In Deutschland gibt es nur Kombinationsimpfstoffe, mit denen gleichzeitig auch gegen Mumps, Röteln und teilweise Windpocken geimpft wird. Auch das kritisieren die Klägerinnen und Kläger.

Wo gibt es Impflücken?

Nach einem RKI-Bericht von 2020 ist ein Problem, dass ein Teil der Kinder deutlich später als empfohlen geimpft wird. Damals waren von den 24 Monate alten Kindern erst 68 Prozent zweimal gegen Masern geimpft, bei der Einschulung waren es 93 Prozent. Rund 35 000 Kinder bis sechs Jahre hatten nach diesen Zahlen überhaupt keine Masernimpfung. Allerdings gibt es bei den Erwachsenen noch größere Lücken. Der Deutsche Ethikrat hielt es 2019 daher nicht für gerechtfertigt, eine Impfpflicht für sämtliche Kinder einzuführen.

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