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Isabel Gebhardt
Isabel Gebhardt (Foto: SWR3)
Christian Spöcker
Christian Spöcker (Foto: SWR3, privat)

Ex-Kanzlerin Merkel hat sich zum ersten Mal zum Krieg in der Ukraine geäußert – und ihre Politik verteidigt. Ukraines Botschafter Melnyk wirft ihr mangelnde Selbstkritik vor.

Ex-Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) stellte sich am Dienstagabend in Berlin den Fragen des Spiegel-Journalisten Alexander Osang. Im Theater des Berliner Ensembles sagte sie, der Angriff Russlands auf die Ukraine sei ein Bruch des Völkerrechts.

Dieser Überfall auf die Ukraine findet keinerlei Rechtfertigung. Das ist ein brutaler Überfall, für den es keine Entschuldigung gibt.

Der Tag des Kriegsbeginn am 24. Februar sei auch für sie ein Einschnitt gewesen – der sie auch persönlich bedrücke. Merkel sagte auch, dass sie sich gefragt habe, ob sie etwas versäumt habe und ob man den Krieg hätte verhindern können.

Merkel verteidigt Entscheidungen ihrer Außenpolitik

Sie mache sich wegen ihrer Russland-Politik keine Vorwürfe, sagte Merkel. Sie verteidigte sogar ihre politischen Entscheidungen als Bundeskanzlerin. Dazu zähle zum Beispiel, dass sie im Jahr 2008 gegen die Aufnahme der Ukraine in die Nato war. Zur Wahrheit gehöre, dass die Ukraine damals „ein von Oligarchen beherrschtes Land“ gewesen sei, erklärte sie.

Außerdem hätte Russland eine Nato-Mitgliedschaft der Ukraine als Eskalation wahrgenommen. Merkel sprach dabei sogar von einer „Kriegserklärung“. Sie habe befürchtet, dass Russlands Präsident Wladimir Putin der Ukraine während eines möglichen Aufnahmeverfahrens etwas antun würde, dass dieser nicht gut täte, erklärte die CDU-Politikerin weiter.

Entwicklung in der Ukraine für Merkel nicht überraschend

Merkel sagte, dass die Entwicklung in der Ukraine nicht überraschend gekommen sei. Putin habe schon 2007 bei ihrem Besuch in Sotschi gesagt, der Zerfall der Sowjetunion sei für ihn „die schlimmste Sache des 20. Jahrhunderts“. Damit sei schon damals ganz klar gewesen, „dass da ein großer Dissens ist“. Und es sei letztlich nie gelungen, „den Kalten Krieg wirklich zu beenden“. Spätestens beim G20-Gipfel im Oktober und den Hinweisen der Nachrichtendienste sei deutlich gewesen, dass die Situation „brenzlig“ war. „Es war klar, dass man das sehr ernst nehmen muss“, sagte Merkel.

Ukraine: Merkels Äußerungen sind „befremdlich“

Der ukrainische Botschafter in Deutschland, Andrij Melnyk, zeigt sich unzufrieden mit Merkels Äußerungen über ihre Russland-Politik. Sie habe keinerlei Selbstkritik erkennen lassen, kritisierte er am Tag nach dem Interview. „Denn wenn das alles so blendend gelaufen sein soll und gar keine Fehler begangen wurden, dann ist die Frage, wieso wir seit 105 Tagen mit diesem Angriffskrieg zu tun haben“, sagte er zum Thema den Sendern RTL und n-tv. Es gebe aus seiner Sicht „immer noch viele offene Fragen“.

Das hat Merkel in den letzten Monaten gemacht

In dem Interview gab Merkel auch einen Einblick in ihr Privatleben. Sie habe im Winter fünf Wochen an der Ostsee verbracht, erzählte sie. Dort habe sie sich viel bewegt und ein dickes Buch gelesen. Außerdem habe sie Hörbücher für sich entdeckt und etwa Macbeth und Don Carlos gehört.

Meer hat für mich etwas sehr beruhigendes.

Sie ging auch auf die Zitteranfälle in ihrer Amtszeit ein. „Einmal war ich sehr erschöpft nach dem Tod meiner Mutter“, so Merkel. Auch habe sie damals zu wenig getrunken. Zum Schluss habe sie auch Angst gehabt, dass die Zitterfälle erneut auftreten könnten. Auf sie seien als Kanzlerin immer Teleobjektive gerichtet. „Das ist manchmal auch belastend.“

Das Interview mit dem Spiegel-Journalisten Alexander Osang war Merksl erster größerer Auftritt nach Ende ihrer Kanzlerschaft im Dezember. Es wurde live im TV übertragen. Hier gibt es den Stream zum Nachschauen:

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