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Christian Kreutzer
Christian Kreutzer (Foto: SWR3)

Putin-Gegner Alexej Nawalny wird in seinem russischen Gefängnis schikaniert und gedemütigt, sagen er und seine Anhänger. Auf Facebook beschreibt er, wie er überlebt.

Nach seiner Verlegung in ein neues Gefängnis im Juni muss Nawalny eigenen Angaben zufolge stundenlang unter einem Porträt des russischen Präsidenten Wladimir Putin sitzen.

Nawalnys „freier Sonntag“: Zehn Stunden auf einer Holzbank sitzen

Er werde gezwungen, an fünf Tagen pro Woche jeweils sieben Stunden täglich zu nähen und anschließend unter dem Porträt auf einer Holzbank zu sitzen, schrieb Nawalny auf Facebook. Unterstützer des Inhaftierten bezeichneten seinen neuen Alltag als „Folter“.

„Dünn und abgemagert“ – so erschien Nawalny vor wenigen Tagen bei seiner ersten Anhörung seit seiner Verlegung:

A thin and gaunt Alexei Navalny at an appeal hearing just now - first time we saw him at the high security prison he was moved to earlier this month. https://t.co/Qn0q1LWHoB

Sogar am Sonntag, seinem freien Tag, müsse er zusammen mit anderen Gefangenen zehn Stunden lang auf einer Holzbank sitzen, schrieb Nawalny weiter. „Das nennt sich Erziehungsmaßnahme.“

Nawalny war im Juni von einer Strafkolonie in Pokrow in eine Strafkolonie in der Stadt Wladimir östlich von Moskau verlegt worden - seinen Verbündeten zufolge „eines der furchterregendsten Gefängnisse Russlands“.

„Habe so viel Spaß wie möglich“ – beim Nähen rezitiert Nawalny Shakespeare

Der Kreml-Kritiker selbst hatte seine neue Haftanstalt als „Gefängnis im Gefängnis“ bezeichnet und erklärt, von verurteilten Mördern umgeben zu sein. Um seine Gefängnisbaracke führe ein sechs Meter hoher Zaun herum.

Nawalny hat jedoch nach seinen eigenen Worten vorläufig ein Mittel gefunden, um nicht wahnsinnig zu werden. Sie entspricht der positiven Grundeinstellung, die viele an ihm bewundern: Er habe „so viel Spaß wie möglich“, schreibt er auf Facebook.

„Während ich nähe, habe ich Hamlets Monolog auf Englisch gelernt.“ Den murmele er dann manchmal mit geschlossenen Augen vor sich hin. Seine Mithäftlinge sagten dann manchmal, er sehe aus, als würde er „einen Dämon anrufen“.

Filmstill (Foto: © DCM Cable News Network Inc.)

Film Russlands Staatsfeind Nummer 1 – die Kinodoku „Nawalny“

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2020 wäre der russische Oppositionelle Alexei Nawalny fast an einer Vergiftung mit dem Nervengift Nowitschok gestorben. Die Doku „Nawalny“ des jungen kanadischen Regisseurs Daniel Roher erzählt, wie Nawalny mithilfe eines Bellingcat-Journalisten die mutmaßlichen Attentäter ermittelte. Ein packender Politthriller mit absurd komischen Momenten.

Nawalnys Tochter: Insassen werden hier gefoltert und ermordet

Nawalnys Tochter, Dascha Nawalnaya, hatte den neuen Knast bereits vor zwei Wochen beschrieben: „Es handelt sich um eines der gefährlichsten und berüchtigtsten Hochsicherheitsgefängnisse in Russland, das dafür bekannt ist, dass die Insassen gefoltert und ermordet werden“, so die Anfang 20-Jährige. Ihr Vater werde dort von „jeglichen Informationen abgeschirmt“ - es handle sich um eine Isolation, die für jeden „reine psychologische Folter“ sei.

Alexej Nawalny ist mit Abstand der prominenteste Kritiker des russischen Präsidenten Wladimir Putin. Bekannt wurde er vor allem durch die Enthüllung von Korruptionsfällen in Russland.

Er war im Januar 2021 bei seiner Rückkehr aus Deutschland auf dem Flughafen von Moskau festgenommen worden. Zuvor war er in Berlin wegen einer in Russland erlittenen Vergiftung mit einem Nervengift der Nowitschok-Gruppe behandelt worden, für die er Putin verantwortlich macht.

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