Die kleine Landstraße ist in kalten Nebel gehüllt, als die 24-jährige Polizei-Anwärterin Yasmin B. und ihr 29 Jahre alter Kollege Alex K. dort entlangfahren. Es ist der 31.1.2022 gegen vier Uhr morgens. Eigentlich fahnden die beiden nach einem Einbrecher und sind mit einem Zivilfahrzeug unterwegs. Da fällt den Polizisten ein Kastenwagen auf und sie entschließen sich, das Fahrzeug zu kontrollieren.
Als sie die Türen des Kastenwagens öffnen, entdecken die Beamten jede Menge totes Damwild. Die Polizisten fordern die beiden Insassen auf, sich auszuweisen. Es handelt sich um Andreas S. und Florian V. Andreas S. soll auch die Fahrzeugpapiere zeigen und geht deshalb zurück zum Kastenwagen. Doch dann beginnt er plötzlich auf die beiden Polizisten zu schießen. Er trifft erst Yasmin B. – sie geht zu Boden. Es folgt ein Schusswechsel, denn Alex K. versucht sich zu verteidigen. Doch S. tötet den Polizisten mit einem Kopfschuss. Anschließend kehrt er zur jungen Frau zurück, die verletzt am Boden liegt und schießt ihr ins Gesicht.
Kusel: Andreas S. zu lebenslanger Haft verurteilt
Inzwischen ist Andreas S. gefasst und verurteilt. Er bekommt „lebenslänglich“ mit besonderer Schwere der Schuld. Das heißt, dass S. nicht nach 15 Jahren aus der Haft entlassen werden kann. Sein Motiv für die Morde: Er wollte seine gewerbsmäßige Wilderei verdecken.
„Ekel, Hass und Wut“: Jetzt spricht die Schwester der toten Polizistin
Ein Jahr liegt die schreckliche Tatnacht von Kusel nun zurück. Mit einem offiziellen Gedenktag will die Polizei an ihre beiden getöteten Kollegen erinnern – Abschied nehmen. Aber kann das helfen?
Kusel: So geht es den Polizistinnen und Polizisten jetzt
„Also ich glaube, all diejenigen, die zu der Tatzeit im Dienst waren, das Geschehen mitverfolgt haben, werden das ihr ganzes Leben lang irgendwie auch mitnehmen“, sagt Sabrina Kunz von der Gewerkschaft der Polizei Rheinland-Pfalz. Sie denkt, dass bei so einem Jahrestag auch die ganzen Gefühle wieder hochkommen.
Die Polizistinnen und Polizisten, „die ganz nah dran waren“, befänden sich teilweise noch in psychotherapeutischer Behandlung, ergänzt Kunz. Es sei erfahrungsgemäß aber auch so, dass posttraumatische Belastungsstörungen häufig erst Jahre später aufträten – und die seien wirklich gesundheitsgefährdend.

Nachrichten Doppelmord bei Kusel: Was der Jahrestag mit Betroffenen macht
- Dauer
Eine ganz normale Verkehrskontrolle - am Ende sind die beiden Polizei-Beamten tot. Der Mordfall von Kusel ist heute genau ein Jahr her - der Täter ist Ende November zu lebenslanger Haft verurteilt worden. Das lindert den Schmerz heute nur wenig. Viele - weit über Kusel hinaus - trauern heute noch einmal um den 29jährigen Alexander K. und die 24jährige Yasmin B.. Eine offizielle Gedenkfeier findet in der Polizeischule am Hahn statt - die Familien gedenken privat, in kleinem Rahmen, so wie Kathrin, die Schwester der getöteten Yasmin.
Nach dem Kusel-Urteil: Bei Polizisten kommt jetzt viel hoch
Als Polizeibeamter lerne man, in Krisensituationen bestimmte Muster abzuspielen – zu funktionieren, erklärt Kunz. Das gilt zum Beispiel für die ermittelnden Beamten. Nun, da das Urteil gefallen und dieses „Funktionieren“ langsam abgeschlossen sei, würden viele Kolleginnen und Kollegen aber merken, dass etwas hochkäme. Und was da komme, beschäftige sie mehr, als ihnen lieb sei. „Mir sagen viele Kollegen, die unmittelbar dran waren: ‚Mir geht es nicht so gut‘“.
Die Dienststelle Kusel, wo Alex K. stationiert war, habe ihre eigene Art gefunden, mit den Geschehnissen umzugehen. Und diese Art habe auch viel mit Distanz zu tun. Distanz zur Öffentlichkeit, sagt Kunz. Man wolle dort mehr unter sich bleiben, gemeinsam verarbeiten. Sich zwar immer mal wieder erinnern, aber auch weitermachen.
Zwischen Wut und Trauerbewältigung Ein Jahr Polizistenmord bei Kusel
Kaum eine Tat hat die Pfalz in den letzten Jahren so erschüttert wie der Doppelmord an zwei jungen Polizeibeamten bei Kusel. Zum Jahrestag werden alte Wunden wieder aufgerissen.
Ein Jahr nach Kusel: Schock sitzt gerade bei jungen Polizisten noch tief
Die getötete 24-Jährige stand kurz vor dem Ende ihrer Ausbildung an der Polizeihochschule Rheinland-Pfalz. Auch am Hochschul-Standort Hahn wird es eine offizielle Gedenkfeier geben.
René Vroomen hofft, dass der Gedenktag ein „runder Abschluss“ sein kann. Er ist Vorsitzender der „Junge Gruppe“ der rheinland-pfälzischen Polizeigewerkschaft und hat mit vielen angehenden Polizisten und Polizistinnen gesprochen. Der Gedenktag kann also helfen. Doch Vroomen sagt auch: „Das ist eine Wiederholung von dem Erlebten. Das war bei der Verkündung des Urteils schon so.“
Der eine ist geschockt, dass es schon wieder ein Jahr her ist. Andere machen eher die Scheuklappen zu und hoffen, dass der Tag irgendwie vorbeigeht.
Insbesondere die Kollegen, die jetzt auch in der Nacht des Jahrestags nochmal Dienst machen müssen, vielleicht sogar in Kusel, seien besonders betroffen. „Da sind die Emotionen natürlich hoch, und die sprechen auch viel miteinander, um da gegenseitig durchzukommen.“
Nach Morden von Kusel: Junge Polizei-Anwärter wollten Ausbildung abbrechen
In der Studiengruppe von Yasmin B. habe direkt nach der Tat der eine oder andere mit dem Gedanken gespielt, die Ausbildung abzubrechen, erzählt Vroomen weiter. Mehrfach sei die Frage gestellt worden: „Will ich mich diesem Risiko aussetzen und wie Yasmin in Ausübung dieses wichtigen Berufs mein Leben verlieren?“
Dieser erste Moment sei hart gewesen. „Schockstarre“ nennt Vroomen es. Doch jetzt setze sich ein anderer Gedanke durch: Man will sich nicht unterkriegen lassen. Jetzt erst recht – für Alex und Yasmin!
Polizei will nach Kusel Gefahrensituationen besser trainieren
Nach dem Doppelmord von Kusel sei viel passiert, sagt Vroomen. Es habe viele Nachbesprechungen und Nachbereitungen gegeben. Das Bewusstsein, wie man in eine Verkehrskontrolle geht, sei jetzt ein ganz anderes. Man trainiere Gefahrensituationen nun sehr häufig bis ins Detail. Auch mithilfe von Virtual-Reality.
SWR Aktuell hat mit der Hochschule der Polizei in Enkenbach-Alsenborn gesprochen, wie die Ausbildung dort konkret verbessert werden soll.
Polizei nach Doppelmord bei Kusel sensibilisiert Studierende bitten um Trainings für mehr Sicherheit
Es war ein grauer und nebliger Tag vor einem Jahr. Zwei Polizeibeamte sterben bei Kusel bei einer Verkehrskontrolle. Ein Szenario, das verstärkt an der Hochschule trainiert wird.