STAND
AUTOR/IN
Ferdinand Vögele
Ferdinand Vögele (Foto: SWR3)
Alexandra Dietz
Bild von Alexandra Dietz, Redakteurin im SWR Studio Kaiserslautern (Foto: SWR)

Was macht es mit Polizisten, wenn die eigenen Kollegen brutalst ermordet werden, so wie in Kusel? Ein Jahr nach der Gewalttat sollen Gedenkveranstaltungen helfen, die Trauer zu verarbeiten. Doch bei vielen Beamten geht das Leid erst jetzt richtig los. SWR-Reporterin Alexandra Dietz hat zugehört.

Die kleine Landstraße ist in kalten Nebel gehüllt, als die 24-jährige Polizei-Anwärterin Yasmin B. und ihr 29 Jahre alter Kollege Alex K. dort entlangfahren. Es ist der 31.1.2022 gegen vier Uhr morgens. Eigentlich fahnden die beiden nach einem Einbrecher und sind mit einem Zivilfahrzeug unterwegs. Da fällt den Polizisten ein Kastenwagen auf und sie entschließen sich, das Fahrzeug zu kontrollieren.

Als sie die Türen des Kastenwagens öffnen, entdecken die Beamten jede Menge totes Damwild. Die Polizisten fordern die beiden Insassen auf, sich auszuweisen. Es handelt sich um Andreas S. und Florian V. Andreas S. soll auch die Fahrzeugpapiere zeigen und geht deshalb zurück zum Kastenwagen. Doch dann beginnt er plötzlich auf die beiden Polizisten zu schießen. Er trifft erst Yasmin B. – sie geht zu Boden. Es folgt ein Schusswechsel, denn Alex K. versucht sich zu verteidigen. Doch S. tötet den Polizisten mit einem Kopfschuss. Anschließend kehrt er zur jungen Frau zurück, die verletzt am Boden liegt und schießt ihr ins Gesicht.

Kusel: Andreas S. zu lebenslanger Haft verurteilt

Inzwischen ist Andreas S. gefasst und verurteilt. Er bekommt „lebenslänglich“ mit besonderer Schwere der Schuld. Das heißt, dass S. nicht nach 15 Jahren aus der Haft entlassen werden kann. Sein Motiv für die Morde: Er wollte seine gewerbsmäßige Wilderei verdecken.

Ein Jahr liegt die schreckliche Tatnacht von Kusel nun zurück. Mit einem offiziellen Gedenktag will die Polizei an ihre beiden getöteten Kollegen erinnern – Abschied nehmen. Aber kann das helfen?

Kusel: So geht es den Polizistinnen und Polizisten jetzt

Also ich glaube, all diejenigen, die zu der Tatzeit im Dienst waren, das Geschehen mitverfolgt haben, werden das ihr ganzes Leben lang irgendwie auch mitnehmen“, sagt Sabrina Kunz von der Gewerkschaft der Polizei Rheinland-Pfalz. Sie denkt, dass bei so einem Jahrestag auch die ganzen Gefühle wieder hochkommen.

Die Polizistinnen und Polizisten, „die ganz nah dran waren“, befänden sich teilweise noch in psychotherapeutischer Behandlung, ergänzt Kunz. Es sei erfahrungsgemäß aber auch so, dass posttraumatische Belastungsstörungen häufig erst Jahre später aufträten – und die seien wirklich gesundheitsgefährdend.

Polizisten und Polizistinnen stehen an der Kirche Spalier beim Gedenkgottesdienst für eine getötete Polizistin. Nach der Bestattung eines ermordeten Polizisten wird nun auch seine getötete Kollegin beigesetzt. Der 29 Jahre alte Polizeikommissar und die 24 Jahre alte Polizeianwärterin waren am 31. Januar während einer Fahrzeugkontrolle bei Kusel erschossen. (Foto: dpa Bildfunk, picture alliance/dpa | Harald Tittel)

Nachrichten Doppelmord bei Kusel: Was der Jahrestag mit Betroffenen macht

Dauer

Eine ganz normale Verkehrskontrolle - am Ende sind die beiden Polizei-Beamten tot. Der Mordfall von Kusel ist heute genau ein Jahr her - der Täter ist Ende November zu lebenslanger Haft verurteilt worden. Das lindert den Schmerz heute nur wenig. Viele - weit über Kusel hinaus - trauern heute noch einmal um den 29jährigen Alexander K. und die 24jährige Yasmin B.. Eine offizielle Gedenkfeier findet in der Polizeischule am Hahn statt - die Familien gedenken privat, in kleinem Rahmen, so wie Kathrin, die Schwester der getöteten Yasmin.

Nach dem Kusel-Urteil: Bei Polizisten kommt jetzt viel hoch

Als Polizeibeamter lerne man, in Krisensituationen bestimmte Muster abzuspielen – zu funktionieren, erklärt Kunz. Das gilt zum Beispiel für die ermittelnden Beamten. Nun, da das Urteil gefallen und dieses „Funktionieren“ langsam abgeschlossen sei, würden viele Kolleginnen und Kollegen aber merken, dass etwas hochkäme. Und was da komme, beschäftige sie mehr, als ihnen lieb sei. „Mir sagen viele Kollegen, die unmittelbar dran waren: ‚Mir geht es nicht so gut‘“.

Die Dienststelle Kusel, wo Alex K. stationiert war, habe ihre eigene Art gefunden, mit den Geschehnissen umzugehen. Und diese Art habe auch viel mit Distanz zu tun. Distanz zur Öffentlichkeit, sagt Kunz. Man wolle dort mehr unter sich bleiben, gemeinsam verarbeiten. Sich zwar immer mal wieder erinnern, aber auch weitermachen.

Kusel

Zwischen Wut und Trauerbewältigung Ein Jahr Polizistenmord bei Kusel

Kaum eine Tat hat die Pfalz in den letzten Jahren so erschüttert wie der Doppelmord an zwei jungen Polizeibeamten bei Kusel. Zum Jahrestag werden alte Wunden wieder aufgerissen.

SWR Aktuell Rheinland-Pfalz SWR Fernsehen RP

Ein Jahr nach Kusel: Schock sitzt gerade bei jungen Polizisten noch tief

Die getötete 24-Jährige stand kurz vor dem Ende ihrer Ausbildung an der Polizeihochschule Rheinland-Pfalz. Auch am Hochschul-Standort Hahn wird es eine offizielle Gedenkfeier geben.

René Vroomen hofft, dass der Gedenktag ein „runder Abschluss“ sein kann. Er ist Vorsitzender der „Junge Gruppe“ der rheinland-pfälzischen Polizeigewerkschaft und hat mit vielen angehenden Polizisten und Polizistinnen gesprochen. Der Gedenktag kann also helfen. Doch Vroomen sagt auch: „Das ist eine Wiederholung von dem Erlebten. Das war bei der Verkündung des Urteils schon so.“

Der eine ist geschockt, dass es schon wieder ein Jahr her ist. Andere machen eher die Scheuklappen zu und hoffen, dass der Tag irgendwie vorbeigeht.

Insbesondere die Kollegen, die jetzt auch in der Nacht des Jahrestags nochmal Dienst machen müssen, vielleicht sogar in Kusel, seien besonders betroffen. „Da sind die Emotionen natürlich hoch, und die sprechen auch viel miteinander, um da gegenseitig durchzukommen.

Nach Morden von Kusel: Junge Polizei-Anwärter wollten Ausbildung abbrechen

In der Studiengruppe von Yasmin B. habe direkt nach der Tat der eine oder andere mit dem Gedanken gespielt, die Ausbildung abzubrechen, erzählt Vroomen weiter. Mehrfach sei die Frage gestellt worden: „Will ich mich diesem Risiko aussetzen und wie Yasmin in Ausübung dieses wichtigen Berufs mein Leben verlieren?

Dieser erste Moment sei hart gewesen. „Schockstarre“ nennt Vroomen es. Doch jetzt setze sich ein anderer Gedanke durch: Man will sich nicht unterkriegen lassen. Jetzt erst recht – für Alex und Yasmin!

Polizei will nach Kusel Gefahrensituationen besser trainieren

Nach dem Doppelmord von Kusel sei viel passiert, sagt Vroomen. Es habe viele Nachbesprechungen und Nachbereitungen gegeben. Das Bewusstsein, wie man in eine Verkehrskontrolle geht, sei jetzt ein ganz anderes. Man trainiere Gefahrensituationen nun sehr häufig bis ins Detail. Auch mithilfe von Virtual-Reality.

SWR Aktuell hat mit der Hochschule der Polizei in Enkenbach-Alsenborn gesprochen, wie die Ausbildung dort konkret verbessert werden soll.

Kusel

Polizei nach Doppelmord bei Kusel sensibilisiert Studierende bitten um Trainings für mehr Sicherheit

Es war ein grauer und nebliger Tag vor einem Jahr. Zwei Polizeibeamte sterben bei Kusel bei einer Verkehrskontrolle. Ein Szenario, das verstärkt an der Hochschule trainiert wird.

Am Vormittag SWR4 Rheinland-Pfalz

Unsere Quellen

Transparenz ist uns wichtig! Hier sagen wir dir, woher wir unsere Infos haben!

Wenn Personen, Vereine oder Unternehmen Neuigkeiten direkt kommunizieren, dann ist das eine Quelle für uns. Das können zum Beispiel exklusive Interviews oder Pressemitteilungen sein. In der Regel kennzeichnen wir bereits im Text, auf welche Quelle wir uns konkret beziehen – vor allem dann, wenn es keine zweite unabhängige Bestätigung zu der Neuigkeit gibt.

Wenn Personen, Vereine oder Unternehmen Neuigkeiten direkt kommunizieren, dann ist das eine Quelle für uns. Das können zum Beispiel exklusive Interviews oder Pressemitteilungen sein. In der Regel kennzeichnen wir bereits im Text, auf welche Quelle wir uns konkret beziehen – vor allem dann, wenn es keine zweite unabhängige Bestätigung zu der Neuigkeit gibt.

Meistgelesen

  1. Südwesten

    Gewerkschaften Mega-Streik: Bahn stellt am Montag Fernverkehr komplett ein

    Die Gewerkschaft Verdi setzt ihre Warnstreiks im Öffentlichen Dienst fort. Züge, Autobahntunnel, Flughäfen und die Schifffahrt sind betroffen.

  2. In Gedanken immer beim Jobwechsel? Unzufriedenheit im Job: Was der Chef damit zu tun hat

    Nur jeder vierte Arbeitnehmer ist zufrieden mit seinem Chef oder seiner Chefin – das belegt eine Studie. Woran das liegt, wann man kündigen sollte und wie die Zufriedenheit zurückkommen kann, lest ihr hier!

  3. Leichte Schäden So heftig war das Erdbeben im Südwesten

    Am Mittwoch hat ein Beben die Grenzregionen in Deutschland, der Schweiz und Frankreich zittern lassen. Alle Infos hier!

  4. Liveblog: Der Krieg in der Ukraine IAEA: Lage am ukrainischen AKW Saporischschja „prekär“

    Russland versucht weiter, die Ukraine einzunehmen. Der Krieg hat auch Auswirkungen auf Europa und die ganze Welt. Alle Infos dazu.

  5. SWR3 Verkehrszentrum Aktuelle Verkehrsmeldungen und Staus

    SWR3 Verkehrszentrum mit Infos zu Verkehr und Stau auf den Straßen in Baden-Württemberg, Rheinland-Pfalz, Bayern, Hessen, Nordrhein-Westfalen und im Saarland

  6. Freudenberg (NRW)

    Zwölfjährige von zwei Mädchen getötet Fall Luise aus Freudenberg: Familie und Freunde nehmen Abschied

    Die Nachricht ist immer noch ein Schock: Zwei Kinder haben mutmaßlich eine Zwölfjährige getötet. Die Familie, Freunde und die Öffentlichkeit trauern.