Nach der großangelegten Razzia gegen sogenannte Reichsbürger wegen Umsturzplänen zur Errichtung eines neuen „Deutschen Reichs“ gehen die Sicherheitsbehörden von deutlich mehr Mitwissern aus. Mitglieder des Rechtsausschusses des Bundestags berichteten am Montag nach einer Sondersitzung die Ermittler hätten eine dreistellige Zahl sogenannter „Verschwiegenheitserklärungen“ von Menschen gefunden, die von der Gruppe angesprochen worden seien.
Verschwörer hatten „Heimatschutzkompanien“ geplant
Nach Angaben der Abgeordneten hatten die mutmaßlichen Verschwörer geplant, bundesweit mehr als 280 „Heimatschutzkompanien“ zu bilden. In Sachsen, Thüringen und Baden-Württemberg habe es dafür bereits konkrete Vorbereitungen gegeben. Auch wenn es keinen Hinweis gebe, dass ein versuchter Staatsstreich unmittelbar bevorgestanden habe, sei die Bedrohung hier wegen der hohen Gewaltbereitschaft ernst zu nehmen, sagte der rechtspolitische Sprecher der Unionsfraktion Günter Krings.

Nachrichten Sondersitzung im Bundestag zur Reichsbürger-Razzia
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Sondersitzung im Bundestag zur Reichsbürger-Razzia
Bei den Durchsuchungen seien mehr als 400.000 Euro in Bar, Gold- und Silbermünzen gefunden worden, sagte Clara Bünger (Linke). Außerdem solle es ein Schließfach geben, in dem sich Goldbarren im Wert von sechs Millionen Euro befinden sollen.
Maier: Neue Beweisstücke dürften zu zweiter Welle von Festnahmen führen
Die Bundesanwaltschaft hatte nach großangelegten Razzien am Mittwoch 25 Menschen festnehmen lassen. 22 der Festgenommenen wirft sie vor, Mitglied einer terroristischen Vereinigung zu sein, die das politische System stürzen wollten. Drei Festgenommene gelten als Unterstützer.
Thüringens Innenminister Georg Maier (SPD) rechnet mit weiteren Festnahmen, wie der SPD-Politiker am Donnerstag im Deutschlandfunk sagte. Erfahrungsgemäß folge eine zweite Festnahme-Welle, weil Beweisstücke wie etwa Mobiltelefone ausgewertet würden. Weitere Personen rückten damit ins Blickfeld.
Auch der Präsident des Bundeskriminalamts (BKA), Holger Münch, sagte am Mittwoch im ZDF-heute journal, er gehe von weiteren Beschuldigten und Durchsuchungen in den nächsten Tagen aus.
Wie geht es nach den Verhaftungen weiter? SWR-Terrorismusexperte Holger Schmidt gibt einen Ausblick:

Nachrichten Ausblick nach Razzia gegen Reichsbürger
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Wie geht es weiter? SWR-Terrorismusexperte Holger Schmidt gibt einen Ausblick.
Maier: AfD ist eine „gefährliche Schnittstelle“
Unter den Festgenommenen sind frühere Soldaten, Polizisten und Ärzte sowie die Richterin Birgit Malsack-Winkemann, die früher Bundestagsabgeordnete der AfD war. Die 58-Jährige hatte im Oktober erfolgreich gegen den Berliner Senat geklagt: Trotz offenbar begründeten Zweifeln an ihrer Verfassungstreue wurde sie damals nicht in den Ruhestand versetzt. Berlins Justizsenatorin Lena Kreck (Linke) nannte die Richterin „brandgefährlich“.
Thüringens Innenminister Maier sagte dazu, die AfD fungiere letztlich wie eine Schnittstelle für die Vernetzung von rechtsextremen Organisationen: „Und das ist das, was diese Partei immer gefährlicher macht.“ Sie strebe ein autoritäres Staatssystem an.

Nachrichten Generalbundesanwalt Peter Frank zur „Reichsbürger“-Razzia
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Generalbundesanwalt: Acht mutmaßliche „Reichsbürger“ sind schon in U-Haft.
Geheimoperation „Schatten“
Mehr als 3.000 Beamtinnen und Beamte waren am Mittwoch seit dem frühen Morgen im Einsatz gewesen, um mehr als zwei Dutzend Haftbefehle und mehr als 120 Durchsuchungsbeschlüsse im Auftrag des Generalbundesanwalts zu vollstrecken. Baden-Württemberg war ein Schwerpunkt der Razzia, wie SWR-Terrorismusexperte Holger Schmidt mitteilte, es gab aber auch Razzien in Österreich und Italien.
Zuvor hatten das Bundeskriminalamt (BKA), mehrere Landeskriminalämter und Verfassungsschutzbehörden in der Geheimoperation „Schatten“ monatelang ermittelt.
Razzia gegen bewaffnete Gruppe BW-Innenminister: "Reichsbürger"-Szene ist "brandgefährlich"
In Baden-Württemberg gab es heute einen Großeinsatz gegen sogenannte bewaffnete "Reichsbürger". Innenminister Strobl warnt vor der Szene. Die Opposition fordert ihn auf, mehr zu tun.
Reichsbürger planten neue Regierung unter einem Prinzen
Es geht um eine Gruppe aus so genannten Reichsbürgern, militanten Querdenkern und Esoterikern. Sie sollen einen Umsturz geplant haben und wollten aus Sicht der Ermittler eine neue Regierung unter Führung eines Prinzen aus dem Hochadel einsetzen.
Demnach wollten sie einen Staat nach dem Vorbild des Deutschen Reichs von 1871 errichten. Sie sollen unter anderem einen bewaffneten Angriff auf den Bundestag vorbereitet haben.
Heinrich XIII. Prinz Reuß soll die Reichsbürger-Gang angeführt haben
Der Rädelsführer: Heinrich XIII. Prinz Reuss, 71 Jahre alt, Immobilienunternehmer mit Wohnsitz in Frankfurt am Main und Gutsherr eines Jagdschlosses im ostthüringischen Bad Lobenstein. Ein Verwandter hatte ihn im Sommer als „teilweise verwirrten alten Mann“, bezeichnet, der „verschwörungstheoretischen Irrmeinungen“ aufsitze.
Reuss gelte als Hauptbeschuldigter, heißt es. Der 71-Jährige vertritt seine schrägen Reichsbürger-Thesen bereits seit einigen Jahren öffentlich.
So trat er 2019 beim „Worldwebforum“ in der Schweiz als Redner auf und erklärte, dass die Bundesrepublik kein souveräner Staat sei, sondern nach wie vor von den Alliierten kontrolliert werde. Mehrere weitere Personen sollen bereits für Ministerposten vorgesehen gewesen sein.
Hier der Adelige am Mittwochmorgen bei seiner Festnahme:
Offenbar seien die Männer und Frauen davon ausgegangen, dass nach ihrer Attacke auf den Bundestag Unruhen in Deutschland ausbrechen würden. In ihrer Vorstellung hätten sich sodann Teile der Sicherheitskräfte solidarisch mit der Terrorgruppe gezeigt, woraufhin es zu einem „Umsturz“ gekommen wäre. Mehrere Verdächtige seien bei Demonstrationen gegen die Corona-Maßnahmen als Aktivisten aufgetreten.
Panne bei SEK-Einsatz im Pfinztal: falsche Tür gesprengt
Unglücklich verlief die Reichsbürger-Razzia am Mittwoch für eine Familie im Pfinztal (Landkreis Karlsruhe). Dort sprengte das Einsatzkommando in einem Mehrfamilienhaus aus Versehen die falsche Tür. Eine syrische Familie mit Eltern und sechs Kindern waren in der Wohnung.
Der eigentlich gesuchte Mann aus der Reichsbürger-Szene und seine Waffe waren in der Wohnung nebenan. Der wurde später festgenommen. Die syrische Familie wurde anschließend psychologisch betreut.
Bundesanwaltschaft: Reichsbürger-Vereinigung nahm Tote in Kauf
Die Vereinigung soll nach Angaben der Bundesanwaltschaft im November 2021 gegründet worden sein, um Institutionen und Repräsentanten des Staates zu bekämpfen. Ein „militärischer Arm“ sollte den demokratischen Rechtsstaat auch auf Ebene der Gemeinden, Kreise und Kommunen „beseitigen“, teilte die Bundesanwaltschaft am Mittwoch in Karlsruhe mit.
Dazu sollten vor allem Polizisten und Soldaten rekrutiert werden. Der Vereinigung sei bewusst, dass es dabei zu Toten kommen werde. Sie habe das billigend in Kauf genommen.
Zentrales Gremium der Gruppierung sei ein „Rat“. Das Gremium verfüge ähnlich wie das Kabinett einer regulären Regierung über Ressorts wie Justiz, Außen und Gesundheit.
Chatgruppen mit strafbaren Inhalten Hakenkreuze verbreitet: Ermittlungen gegen 70 Polizisten in BW
Mehrere Polizisten im Land sollen Mitglied in Chatgruppen sein, in denen verfassungswidrige Inhalte verbreitet wurden. Ein Beamter wurde vom Dienst suspendiert.
Ein Schwerpunkt der Razzia lag in Baden-Württemberg
Unteroffizier in KSK-Kaserne festgenommen – gefährlicher bewaffneter Arm der Gruppe
Ein Schwerpunkt der Maßnahmen lag in Baden-Württemberg. Einer der Beschuldigten war wohl aktiver Soldat des Kommandos Spezialkräfte (KSK) der Bundeswehr. Es handele sich dabei um einen Mann aus dem Stab, sagte ein Sprecher des Militärischen Abschirmdienstes (MAD) am Mittwoch der Deutschen Presse-Agentur (dpa).
Nach Informationen der dpa wurden sein Haus und sein Dienstzimmer in der Graf-Zeppelin-Kaserne in Calw (Baden-Württemberg) durchsucht. Der Unteroffizier, der kein Kommando-Soldat ist, war in der Bundeswehr bereits als Impfgegner aufgefallen und später aus der Truppe heraus gemeldet worden.
Überhaupt soll ein großer Teil der Gruppe aus ehemaligen Soldaten der Bundeswehr und der NVA (Nationale Volksarmee der DDR) bestehen. Darunter seien auch Männer mit militärischer Spezialausbildung, weshalb die Gruppe als besonders gefährlich gilt.
BW-Verfassungsschutzexperte im Interview Bundesweit bis zu 2.000 gewaltbereite "Reichsbürger" - in BW rund 400
Wie gefährlich ist die sogenannte "Reichsbürger"-Bewegung? Darüber hat ARD-Terrorismusexperte Holger Schmidt mit Frank Dittrich vom Landesamt für Verfassungsschutz BW gesprochen.
Falscher Ahrtal-„Kommandant“ ist auch Teil der Gruppe
Vereinzelt sind mutmaßliche Mitglieder der Gruppe bereits öffentlich als Scharfmacher bei Corona-Protestveranstaltungen in Erscheinung getreten. So der ehemalige Oberst Maximilian E., der der sogenannten „Querdenker-Bewegung“ zugerechnet wird. Auch er war in seiner aktiven Zeit bei der Bundeswehr unter anderem beim Kommando Spezialkräfte.
Im Sommer engagierte er sich beim Ahrtal-Hochwasser mit einer Gruppe von Veteranen, trug dabei Uniform, verfasste „Befehle“ und richtete in einer Schule eine Art „Kommandozentrale“ ein, obwohl er längst aus der Bundeswehr ausgeschieden war.
Verfassungsschutz: Reichsbürger-Szene hat großen Zulauf
Der Verfassungsschutz bezeichnete die Razzia am Mittwochnachmittag als wichtigen „Schlag gegen militante und weit vernetzte Teile der Reichsbürgerszene“. Von den sogenannten Reichsbürgern und Selbstverwaltern gehe eine anhaltend hohe Gefahr aus, sagte Verfassungsschutzpräsident Thomas Haldenwang.
Die Szene ist nach wie vor sehr aktiv und dynamisch und hat im vergangenen Jahr erneut erheblichen Zulauf erhalten.
Faeser: „Abgrund terroristischer Bedrohung“
Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) sprach von einem „Abgrund terroristischer Bedrohung“. Doch der deutsche Rechtsstaat sei stark und wisse sich mit aller Härte gegen die Feinde der Demokratie zu wehren. Sie kündigte an „die harte Gangart“ gegen militante Reichsbürger fortzusetzen.
Wer Umsturzfantasien habe und die demokratische Grundordnung überwinden wolle, der habe nichts mehr im öffentlichen Dienst zu suchen, sagte Faeser weiter. Sie arbeite gerade daran, das Disziplinarrecht zu verändern, „damit wir solche Verfassungsfeinde schneller loswerden“.
Diese Fälle „rauszufiltern“ dauere oft viel zu lange. „Das macht mich schon ein bisschen fassungslos, dass wir da nicht mehr getan haben in den letzten Jahren“, sagte Faeser. Bei Behörden, die mit Waffen zu tun haben, etwa bei Bundeswehr oder Bundespolizei, müsse man „noch mal genauer hingucken“. Gleichzeitig betonte die Bundesinnenministerin, die allermeisten Beamten mit mit Fällen wie diesen „nichts zu tun“ hätten. Faeser hatte bereits im Januar dieses Jahres ein entschlosseneres Vorgehen gegen Extremisten im öffentlichen Dienst angekündigt.
Faeser dankte den mehr als 3.000 Polizistinnen und Polizisten von Bund und Ländern ihren „gefährlichen Einsatz zum Schutz unserer Demokratie“.
Razzia gegen bewaffnete Gruppe BW-Innenminister: "Reichsbürger"-Szene ist "brandgefährlich"
In Baden-Württemberg gab es heute einen Großeinsatz gegen sogenannte bewaffnete "Reichsbürger". Innenminister Strobl warnt vor der Szene. Die Opposition fordert ihn auf, mehr zu tun.
Mutmaßliche Umsturzpläne: Steinmeier sieht „neues Niveau“
Wir sind eine liberale Demokratie, aber diese liberale Demokratie müsse auch eine wehrhafte sein, sagte Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier dem Radiosender MDR Aktuell in Bezug auf die Reichsbürger-Razzia. Er sei froh darüber, dass Polizei und Staatsanwaltschaft entsprechend handle.

Nachrichten Bundespräsident Steinmeier zur Reichsbürger-Razzia
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Bundespräsident Steinmeier zur Reichsbürger-Razzia
Es sei „allerdings ein neues Niveau“. Sollte sich bestätigen, dass terroristische Straftaten in Vorbereitung seien, „dann muss auch gehandelt werden, dann muss auch das Strafrecht Grenzen setzen“.