Viele Eltern, aber auch chronisch kranke Menschen kennen das Problem zurzeit sehr gut: Geht der Nachschub an Medikamenten aus, bittet die Apotheke um Geduld. Der Standardsatz für viele Medikamente in den Apotheken: „Das Medikament ist momentan nicht lieferbar.“
Um diese Situation zu entschärfen, hat Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) einen Plan vorgestellt, wie er den Mangel an bestimmten Medikamenten bekämpfen will. Wichtigster Punkt: Er will das Arzneimittelgesetz ändern und den Krankenkassen erlauben, unter anderem für Kinder-Medikamente mehr zu zahlen.
„Absurde Idee“ verurteilt: „Da kann man nur mit dem Kopf schütteln“
Mangel an Medikamenten: So soll der Lauterbach-Plan funktionieren
Die Hersteller sollen für bestimmte Medikamente mehr Geld bekommen – 50 Prozent mehr als bisher. So soll es für die Hersteller attraktiver werden, ihre Medikamente auch in Deutschland zu verkaufen. Außerdem ist geplant, dass die Krankenkassen in Zukunft andere Verträge für patentfreie Medikamente abschließen dürfen. Und zwar nicht mehr nur einen Vertrag mit dem billigsten Anbieter, der meist in China oder Indien sitzt.
Zusätzlich soll ein weiter Vertrag mit einem Anbieter in Europa abgeschlossen werden. Damit soll die Produktion von Medikamenten in Europa gestärkt werden, um nicht mehr so abhängig von internationalen Lieferketten zu sein. Das bedeutet: Die Kosten würden wohl steigen. Im letzten Jahr haben die Krankenkassen rund 46 Milliarden Euro für Medikamente ausgegeben.
Änderungen der Preisregeln: Kritik von Krankenkassen
Dass die Krankenkassen jetzt mehr Geld ausgeben sollen, stößt bei ihnen nicht gerade auf offene Türen. Für bestimmte Medikamente für Kinder oder Krebstherapien den Festbetrag pauschal um 50 Prozent zu erhöhen, sei „ein beeindruckendes Weihnachtsgeschenk für die Pharmaunternehmen“, sagte die Vorstandschefin des GKV-Spitzenverbands, Doris Pfeiffer.
Ob deshalb künftig Medikamente verlässlicher in Richtung Europa geliefert oder vielleicht sogar wieder mehr produziert werden, steht in den Sternen.
Sie sagt: Statt nur auf kurzfristige Effekte zu setzen, die Versicherte über ihre Beiträge finanzieren müssten, werde von der Politik eine strategische Herangehensweise für ganz Europa erwartet.
Pharmaunternehmen freuen sich über mehr Geld
Die Pharmaunternehmen freuen sich dagegen über die geplanten Mehreinnahmen. Das Ministerium habe endlich erkannt, dass das „Hauptsache-Billig-Prinzip“ die Versorgung destabilisiert habe und zu Engpässen führe, sagte der Geschäftsführer des Verbands Pro Generika, Bork Bretthauer.
Lauterbachs Pläne gingen an die Wurzel des Problems. Es sei vor allem für Kinderarzneimittel richtig, deren Herstellung für Unternehmen zuletzt unwirtschaftlich geworden sei.
Lieferprobleme bei Medikamenten für Kinder
Aber das ist noch nicht alles: Neben den Engpässen in den Kliniken kämpft das Gesundheitswesen auch mit Engpässen bei einer Reihe von Medikamenten. Zuletzt gab es Lieferschwierigkeiten bei Kindermedikamenten wie Fieber- und Hustensäften und Antibiotika. Auch einige Mittel für Erwachsene sind betroffen.
„Es ist ein Armutszeugnis für die Politik, dass jetzt nicht einmal genug Medikamente und fiebersenkende Mittel für die Kinder vorhanden sind“, sagte der Präsident des Deutschen Kinderschutzbundes, Heinz Hilgers, der Stuttgarter Zeitung und den Stuttgarter Nachrichten. Die Bundesregierung müsse dringend nachsteuern und die Medikamente beschaffen.
Intensivmediziner: So hoher Krankenstand wie noch nie
Nicht nur der Mangel an Medikamenten ist momentan das Problem – auch der Krankenstand in der Bevölkerung hat nach Aussage des Intensivmediziners Christian Karagiannidis historische Ausmaße erreicht. „So etwas habe ich noch nicht erlebt“, sagte der Präsident der Deutschen Gesellschaft für Internistische Intensivmedizin und Notfallmedizin der Rheinischen Post.
In vielen Regionen gebe es so gut wie keine Intensivbetten mehr. Hauptproblem seien nicht mehr Corona-Infektionen, sondern andere Atemwegserkrankungen wie das RS-Virus und die Grippe.

Nachrichten RS-Viren: Welche Gefahren sie für Kinder bergen
- Dauer
Etwa sieben Millionen Menschen in Deutschland haben zurzeit eine RS-Viren-Infektion. Für manche kann die Krankheit schlimme Folgen haben.
Drohungen und Gewalt gegen Pflegepersonal auf Kinderstationen
Besonders kritisch ist der Zustand auf den Kinderstationen. Wegen völlig überlasteter Kinderkliniken bekommt es das Pflegepersonal nach Einschätzung des Deutschen Roten Kreuzes (DRK) immer häufiger auch mit Drohungen oder tatsächlicher Gewalt zu tun. Das sagte DRK-Präsident Gerda Hasselfeldt der Rheinischen Post.
Eltern müssten teils stundenlang in den Notaufnahmen sitzen oder kranke Kinder auf Krankenhausfluren übernachten, beklagte sie. Aber kurzfristige Abhilfe sei nicht in Sicht. Das Pflegefachpersonal müsse dringend entlastet werden.
Eltern stehen vor der Praxis Schlange
Auch die Kinderärzte sind am Limit: Kinderärztin Elke Maritz aus Bühl ist seit Wochen im Dauerstress. Denn sie hat gerade extrem viele kleine Patienten. Das Telefon klingelt die ganze Zeit, vor der Praxistür warten die Eltern an manchen Tagen in Schlange, erzählt sie.
Dass es gerade so viele kranke Kinder gibt, habe auch mit den Corona-Lockdowns zu tun, sagt die Ärztin. Denn die Kinder konnten manche Infekte einfach nicht durchmachen. So bekommt ein vierjähriges Kind beispielsweise erst jetzt das RS-Virus und steckt gleichzeitig auch sein kleines Geschwisterchen an.
Hohe Arbeitsbelastung durch RS-Virus: Kinderarztpraxen suchen dringend Personal
Erschwerend kommt hinzu, dass sie dringend mehr Personal bräuchte, um die hohe Anzahl kranker Kinder besser versorgen zu können. Der Fachkräftemangel schlägt auch hier voll durch, erklärt sie, und dass viele Arztpraxen mit ähnlichen Problemen zu kämpfen hätten. Wenn sie nicht bald eine medizinische Fachangestellte findet, müsse sie aufgeben und die Praxis schließen, sagt Maritz.
Divi schlägt Alarm wegen dramatischen Engpässen in Kinderkliniken
Noch schlimmer sieht es auf den Kinderstationen aus: Die Situation in den Kinderkliniken sei aktuell „katastrophal“, so die Deutsche Interdisziplinäre Vereinigung für Intensiv- und Notfallmedizin (Divi). Teilweise müssten Babys und Kleinkinder in mehr als 100 Kilometer entfernte Krankenhäuser eingewiesen werden, weil es keine Betten mehr gebe.
Kinder sterben, weil wir sie nicht mehr versorgen können
Die Kinderkliniken seien voll mit kranken Säuglingen, Babys und Kleinkindern mit schweren Atemwegsinfekten, vor allem dem RS-Virus.
Und „es fängt jetzt gerade erst richtig an, der Scheitelpunkt ist noch längst nicht erreicht“, sagte der Präsident des Bundesverbands der Kinder- und Jugendärzte, Thomas Fischbach, den Funke-Zeitungen.
Kinderkliniken überlastet: Wie gefährlich ist das RS-Virus?
Aber Säuglinge, die sich zum ersten Mal infizieren, oder auch Frühgeborene und Kinder mit Voerkrankungen erkälten sich oft schwer, zum Teil so schwer, dass sie ins Krankenhaus eingeliefert und beatmet werden müssen.
Mehr Infos zum RS-Virus findet ihr beim Robert-Koch-Institut.

Medizin Notfallmediziner warnen vor Folgen des Personalmangels an Kinderkliniken
- Dauer
Die Notfallmediziner*innen sehen die Kinderkliniken in Deutschland an den Grenzen der Belastbarkeit. Die Lage sei wegen einer Welle von Atemwegsinfekten katastrophal, so Dr. Michael Sasse von der
Medizinische Hochschule Hannover auf einer Tagung der Notfallmediziner*innen.
Was tun, wenn mein Kind krank ist?
Euer Kind ist krank und ihr fragt euch, was ihr als Eltern tun könnt? Kinderärztin Elke Maritz hat im Video ein paar Tipps, damit euer Kind schnell wieder gesund wird. Im Zweifel gilt aber trotzdem: Besser den Arzt kontaktieren. Zum Beispiel dann, wenn das Fieber einfach nicht sinken will oder wenn die Kinder noch sehr klein sind!
Bundestag beschließt neues Krankenhaus-Gesetzpaket
Die Regierung will gegensteuern: Für Kinderkliniken sollen 2023 und 2024 jeweils 300 Millionen Euro mehr zur Verfügung stehen. Der Bundestag hat am Freitag ein Gesetzespaket der Ampel-Koalition beschlossen, das die Krankenhäuser in Deutschland stärker von wirtschaftlichem Druck lösen soll. Mehr Geld für die Kinderversorgung, weniger unnötige Klinik-Übernachtungen und Entlastungen für Pflegekräfte, so der Plan.
Nicht mehr ökonomischer Zwang, sondern medizinische Notwendigkeit soll künftig in den Kliniken über die Behandlung entscheiden.