Rund 140.000 Soldaten standen sich am Morgen des 18. Juni 1815 bei Waterloo gegenüber. Später sollten noch weitere 48.000 Mann aus Preußen dazustoßen. Die bevorstehende Schlacht war Napoleons letzter Versuch, die Kontrolle über Frankreich und Europa zurückzugewinnen. Ihm gegenüber standen Briten, Deutsche und Niederländer.
Waterloo: Tote Menschen und Tiere werden in Hohlwegen verscharrt
Gegen 11:30 Uhr begann das Hauen, Stechen und Schießen um eine breite Talsenke bei Waterloo. Hier versperrte Wellingtons Heer Napoleon den Weg ins nahe gelegene Brüssel.
Als das Ringen neun Stunden später mit der Flucht der Franzosen endete, waren mindestens 20.000 Menschen tot sowie eine unbekannte Anzahl Pferde. Sie blieben zunächst liegen. In den Tagen danach aber kamen die Bauern der Umgebung und begannen, Menschen und Tiere zu verscharren – auch um ihre verwüsteten Felder wieder neu bestellen zu können.
In diesem zeitgenössischen Stich begraben Bauern bei Waterloo einige der Toten der Schlacht, bei dem Gehöft „La Haye Sainte“. Das Gelände war 1815 von vielen Hohlwegen durchzogen, die dann als Massengräber verwendet wurden:
20.000 Opfer der Schlacht sind verschwunden
Heute untersuchen Archäologen regelmäßig alte Schlachtfelder. Skelette können viel besser auf Herkunft, Gesundheitszustand zu Lebzeiten sowie die Lebensweise untersucht werden, als in früheren Zeiten.
Nur im belgischen Waterloo war nichts zu machen: Das Bild über dem Artikel zeigt einen von zwei gefallenen Soldaten, die dort angeblich nur gefunden wurden. Nahezu alle Toten sowie die gefallenen Pferde sind verschwunden. Und bislang wusste keiner, was mit ihnen geschehen ist. Das hat sich nun geändert.
Verlustreich: Das Gemälde im Tweet zeigt den berühmten Kavallerieangriff der britischen „Royal Scots Greys“ auf die französischen Linien. Er fand am frühen Nachmittag des 18. Juni statt. Bei jeder dieser Großattacken starben hunderte Soldaten. Doch auch „kleinere“ Scharmützel, die den ganzen Tag über stattfanden, Zufallsbegegnungen auf dem mehrere Kilometer breiten Schlachtfeld, sowie die andauernde Kanonade auf beiden Seiten kosteten ständig Leben: In jeder einzelnen Minute der neunstündigen Schlacht von Waterloo fanden im Durchschnitt 36 Menschen den Tod.
Forscher: Die Knochen landeten in der Zuckerproduktion
In einem Forschungsbericht legen der belgische Historiker Bernard Wilkin, sein deutscher Kollege Robin Schäfer und der britische Schlachtfeldarchäologe Tony Pollard bislang völlig unbekannte Vorgänge offen: Rund 20 Jahre nach der Schlacht hätten Unbekannte damit begonnen, die Gebeine der meisten Gefallenen auszugraben.
Der Grund ist relativ schockierend: Die Grabräuber hätten die Knochen an die Industrie verkauft. Dort wurden sie den Wissenschaftlern zufolge zu Knochenkohle verarbeitet.
Diese wiederum benötigten die Fabriken zur Herstellung von Filtern, um den Zucker zu entfärben und schön weiß zu machen – nicht nur in Belgien, sondern auch in anderen Teilen Europas.
Alte Berichte der Schlachtfeld-Gemeinden von Waterloo bringen die Wahrheit ans Licht
Stützen können sich die drei Wissenschaftler auf bislang unerschlossene zeitgenössische Berichte und Briefe aus den Gemeindearchiven der Orte Braine-l'Alleud und Plancenoit, auf deren Gebieten sich die Schlacht ereignete.
Sie dokumentieren ab 1834 illegale Ausgrabungen in Massengräbern, in denen die Toten nach den Kämpfen vergraben worden waren.
Großer Reibach mit den Knochen der Waterloo-Opfer
Mit einem Gewicht von mindestens 1,7 Millionen Kilogramm Knochen der Gefallenen und ihrer Pferde hätten sich rund 238.000 Franc verdienen lassen, was damals einem kleinen Vermögen entsprach, so die Forscher.
Historiker, die vorab die Ergebnisse prüfen konnten, stufen die ihre Relevanz als bedeutend ein. „Die Entdeckung ist sehr wichtig, weil sie die Informationen, die wir vorher hatten, komplett verändert“, sagt der französische Historiker und Napoleon-Fachmann David Chanteranne der Frankfurter Allgemeinen Zeitung. Er spricht von einem Skandal, den die drei Forscher aufgedeckt hätten.