Knapp sechs Wochen nach der Erstürmung des Kapitols durch wütende Anhänger Donald Trumps hat der US-Senat den Ex-Präsidenten im Amtsenthebungsverfahren vom Vorwurf der „Anstiftung zum Aufruhr“ freigesprochen: Eine Mehrheit von 57 Senatoren stimmte am Samstag nach nur fünf Tagen der Verhandlungen zwar für eine Verurteilung des Republikaners. Sie verfehlten damit aber die für eine Verurteilung im Senat nötige Zweidrittelmehrheit von 67 Stimmen. 50 Demokraten und sieben Republikaner stimmten für eine Verurteilung Trumps.
Demokraten: Freispruch Trumps ein „Tag der Schande“
Die Demokraten hatten das Amtsenthebungsverfahren wegen Trumps Rolle bei der Erstürmung des Kapitols am 6. Januar angestrengt. Sie wollten damit auch erreichen, dass der inzwischen aus dem Amt geschiedene Präsident für künftige politische Ämter auf Bundesebene gesperrt wird. Damit wäre es Trump unmöglich gewesen, sich bei der Wahl 2024 erneut um die Präsidentschaft zu bewerben.
Die demokratische Mehrheitsführerin im Repräsentantenhaus, Nancy Pelosi, auf Twitter: „Ich grüße die republikanischen Senatoren, die bei der Wahl ihr Gewissen und das Land im Sinn hatten. Die Weigerung der anderen republikanischen Senatoren, Trump zur Verantwortung zu ziehen, wird als einer der schwärzesten Tage und der unehrenhaftesten Aktionen in der Geschichte unseres Landes erinnert werden.“
Der demokratische Mehrheitsführer im Senat, Chuck Schumer, sagte: „Der 6. Januar wird ein Tag der Schande in der Geschichte der Vereinigten Staaten von Amerika sein. Das Versäumnis, Donald Trump zu verurteilen, wird als Schande in die Geschichte des Senats der Vereinigten Staaten eingehen.“
Trump nach Freispruch: Haben gerade erst begonnen
Es war allerdings erwartet worden, dass die große Mehrheit der Republikaner mit „nicht schuldig“ stimmen würde: Sie stehen weitgehend hinter dem bei der Basis nach wie vor sehr populären Trump.
Nach seinem Freispruch dankte Trump seinen Anwälten. Der 74-Jährige Rechtspopulist machte deutlich, politisch aktiv zu bleiben: „Unsere historische, patriotische und schöne Bewegung, um Amerika wieder großartig zu machen, hat gerade erst begonnen.“ Der amtierende US-Präsident Joe Biden teilte nach der Entscheidung mit, dass trotz des Freispruchs die Anklagepunkte gegen Trump „unbestritten“ seien. „Dieses traurige Kapitel unserer Geschichte hat uns daran erinnert, dass die Demokratie zerbrechlich ist, dass sie immer verteidigt werden muss“, hieß es in der Erklärung.
Republikanerfüher McConnell schützt Trump – und klagt ihn zugleich an
Auch der republikanische Minderheitsführer Mitch McConnell stimmte für einen Freispruch. Der mächtige Strippenzieher der Konservativen ging nach der Abstimmung zwar hart mit Trump ins Gericht: Der Ex-Präsident sei „praktisch und moralisch verantwortlich“ für die Kapitol-Erstürmung. „Das steht außer Zweifel.“
Der Senat habe aber nicht die Befugnis, über einen früheren Präsidenten zu urteilen, sagte McConnell. Trump müsse sich aber dennoch für seine Taten während seiner Amtszeit verantworten, etwa vor der US-Justiz.
Videos und Nacherzählungen des Sturms auf das Kapitol
Am Mittwoch hatte die Anklage im Senat dramatische Videoaufnahmen und Nacherzählungen der Ereignisse beim Angriff auf das Kapitol präsentiert. Trump habe mit seinen Behauptungen, ihm sei die Wahl gestohlen worden, über Monate den Boden für den Angriff bereitet. Dann habe er den Gewaltausbruch gezielt angezettelt, warfen ihm die Ankläger vor.
Am Donnerstag bekam der Senat Aussagen von Beteiligten der gewaltsamen Proteste gezeigt. Sie behaupteten, sie hätten nur das getan, was Trump von ihnen verlangt habe. Eine Trump-Anhängerin sagte in einem Video: „Ich habe getan, worum er gebeten hat.“
Trumps Verteidiger hatten dagegen behauptet, die Randalierer seien auf eigene Faust ins Kapitol eingedrungen. Das sei aber falsch, sagte Anklagevertreterin Diana DeGette. „Sie haben gesagt, sie seien gekommen, weil der Präsident sie dazu angewiesen habe.“ So sieht das auch der leitende Anklagevertreter Jamie Raskin: „Sie taten das, was er ihnen aufgetragen hat.“
Amtsenthebungsverfahren bisher nur gegen drei US-Präsidenten
Bislang hatte es nur drei Amtsenthebungsverfahren gegen US-Präsidenten gegeben: Richard Nixon musste sich dem Kongress 1974 wegen der Watergate-Affäre stellen. Mit seinem Rücktritt kam er einem Amtsenthebungsverfahren zuvor. 1998 musste Bill Clinton ein Amtsenthebungsverfahren über sich ergehen lassen. Grund hierfür war die Lewinsky-Affäre.
Der dritte Präsident, der sich einem Amtsenthebungsverfahren stellen musste, war Donald Trump. Im Jahr 2019 musste er sich wegen der Ukraine-Affäre und der Entlassung von FBI-Chef James Comey verantworten, wurde letztendlich aber freigesprochen.
