Die UN-Weltklimakonferenz COP26 in Glasgow ist emotional zu Ende gegangen: Als sich mehrere Staaten am Samstagabend kurz vor der Schlussabstimmung bitterlich über Verwässerungen in letzter Minute beschwerten, kämpfte der britische COP26-Präsident Alok Sharma mit den Tränen.
„Ich bitte um Verzeihung für die Art, wie das gelaufen ist. Und es tut mir sehr leid“, sagte der Gastgeber. Er fügte an: „Es ist auch von elementarer Bedeutung, dass wir dieses Paket schützen.“ Darauf versagte ihm die Stimme und er senkte den Blick. Die Delegierten halfen ihm mit langem Applaus über den emotionalen Moment hinweg:
Fast 200 Nationen haben sich bei der internationalen Klimakonferenz in Glasgow – der COP26 – auf eine gemeinsame Abschlusserklärung geeinigt. Allerdings: Beim Krisenthema Kohleausstieg wurde auf Drängen Indiens auf den letzten Drücker eine wichtige Formulierung abgeschwächt, um einen Kompromiss zu erzielen. So soll der Kohleverbrauch nicht „beendet“, sondern nur „heruntergepegelt“ werden.
Klima-Diplomatin in Glasgow: „Für die Malediven wird es zu spät sein“
Viele Staaten sind enttäuscht über die Änderung, die Indien, aber auch China, durchgesetzt hat. „Für die Malediven wird es zu spät sein“, sagt beispielsweise die Vertreterin des Inselstaates.
Das Ziel, die Klimaerwärmung auf 1,5 Grad im Vergleich zum vorindustriellen Zeitalter zu begrenzen, wird zwar weiter beschworen. Aber niemand scheint zu glauben, dass es durch die Glasgow-Erklärung erreicht werden kann. Nach Einschätzung vieler Experten würde ein Überschreiten dieser 1,5-Grad-Grenze zu einem deutlichen Anstieg des Meeresspiegels und katastrophalen Wetterextremen führen.
45 Prozent weniger Treibhausgase bis 2030
Insgesamt fordert der „Glasgower Klimapakt“, die Treibhausgasemissionen bis 2030 global um 45 Prozent im Vergleich zu 2010 zu drosseln. Anders als von vielen Staaten gefordert, nimmt das Abschlussdokument aber nicht explizit die großen Treibhausgasproduzenten – also die G20-Staaten – in die Pflicht.
Dennoch: Die Abschlusserklärung sei besser als ihr Ruf, sagt SWR-Umweltexperte Werner Eckert im Gespräch mit der ARD. „Es ist die erste Erklärung, in der Kohle – auch Öl und Gas, die Subventionen dafür – wirklich als Ursache des Problems benannt worden sind.“ Warum er glaubt, dass das einen wichtigen Fortschritt bringt, obwohl es angesichts des 1,5-Grad-Ziels „völlig ungenügend“ sei, erklärt er im Interview:
Ähnlich sieht es Bundesumweltministerin Svenja Schulze (SPD): Sie ist nach ihren Worten überzeugt, „dass wir gerade wirklich einen historischen Moment erleben“. Bei der COP26 sei „jetzt weltweit der Kohleausstieg eingeleitet“ worden. Mit dieser Beschleunigung der Energiewende in aller Welt sei ein „neues wirtschaftliches Leitbild“ entstanden, sagte Schulze. Dadurch bewirke die COP26 eine „deutliche Beschleunigung für den Klimaschutz“.
EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen sieht das Ergebnis der Weltklimakonferenz als guten Ausgangspunkt für weitere Schritte. Die Abschlusserklärung vermittle Zuversicht, dass auf der Erde ein sicherer und florierender Raum für die Menschheit geboten werden könne – allerdings sei dafür harte Arbeit nötig. EU-Chefunterhändler Frans Timmermans sagte, die Abschlusserklärung halte das Ziel des Pariser Klimaabkommens von 2015 am Leben, die Erderwärmung auf 1,5 Grad im Vergleich zur vorindustriellen Zeit zu begrenzen.
Greta Thunbergs Zusammenfassung der Glasgower Klima-Erklärung: „Blah, blah, blah“
Viele Klimaschutzorganisationen sind dagegen bitter enttäuscht. Klimaaktivistin Greta Thunberg fasst die Abschlusserklärung auf Twitter so zusammen: „Blah, blah, blah“.
„Wir klopfen immer noch an die Tür der Klimakatastrophe“, warnt auch UN-Generalsekretär António Guterres. Auch er sieht aber „einige Bausteine für Fortschritt“. Die Grünen-Vorsitzende Annalena Baerbock kommentierte: „Die Staatengemeinschaft hat die Bedrohung der Klimakrise erkannt, aber noch lange nicht gebannt.“
Klimawandel: Ist überhaupt noch etwas zu retten?
Klimakonferenz in Glasgow: Das Wort „Erfolg“ nimmt niemand in den Mund
Viele sprachen am Samstag von einem „Fortschritt“ – das Wort „Erfolg“ wollte aber kaum jemand in den Mund nehmen. Letztlich ging es aber darum, einen Kompromiss zu finden, mit dem alle mehr oder weniger leben können und der die Konferenz nach fast zwei Wochen zu einem Ende brachte, wie aus mehreren Delegationen zu hören war.
Indien steht als Klimarettungs-Blockierer da
Dass Indien aber so spät noch eine Änderung hineinreklamierte, sei ein Regelverstoß gewesen, hieß es unter anderem aus den Delegationen der Schweiz und Mexikos.
Es sei schockierend, dass Indien die Wortwahl in dem Dokument noch verwässert habe, sagte auch der australische Klimaforscher Bill Hare. Indien blockiere seit längerem Klimaschutzmaßnahmen, aber noch nie in einer solchen Offenheit. Die Zusagen zur Reduzierung der CO2-Emissionen und die Finanzhilfe für ärmere Staaten blieben hinter den von den Vereinten Nationen vor dem Gipfel gesteckten Zielen zurück.
Arme Länder sollen endlich bereits zugesagte Gelder zur Klimaanpassung bekommen
Ebenfalls Streitpunkt in Glasgow war die Klimafinanzierung: Großbritannien schlug hier Mechanismen vor, die sicherstellen sollen, dass die ärmsten Länder mehr versprochene Hilfen erhalten. Reiche Länder wurden aufgefordert, die Finanzierung der Klimaanpassung bis 2025 gegenüber dem Niveau von 2019 zu verdoppeln.
Großbritannien forderte auch, dass ein UN-Ausschuss im kommenden Jahr über Fortschritte bei der Bereitstellung der jährlichen 100 Milliarden Dollar pro Jahr berichten soll, die reiche Nationen bis 2020 versprochen hatten, aber nicht lieferten. Die 100 Milliarden Dollar pro Jahr liegen nach UN-Angaben allerdings weit unter dem tatsächlichen Bedarf der ärmeren Länder.