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Nina Kunze
Nina Kunze ist Reporterin und Redakteurin bei SWR Wissen aktuell (Foto: SWR, SWR, Christian Koch)
Cornelia Stenull
Cornelia Stenull (Foto: SWR3)

Wissenschaftler haben aktive Viren im sibirischen Permafrost gefunden. Können die Erreger, die zehntausende Jahre im Eis überlebt haben und jetzt auftauen, eine neue Pandemie auslösen?

Wenn der Klimawandel den Permafrost-Boden auftauen lässt, dann kommen Gefahren zum Vorschein, die auf den ersten Blick gar nicht zu erkennen sind: Viren. Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler warnen seit Jahren vor dieser Gefahr aus dem Eis.

Einem internationalen Forschungsteam an der Universität Marseille gelang es kürzlich, neue Viren, die seit Jahrtausenden im Permafrost konserviert waren, im Labor wiederzubeleben. In der Preprint-Studie zu den sogenannten Zombie-Viren veröffentlichten die Forschenden ihre Ergebnisse.

Klimawandel lässt Permafrost mit Viren auftauen

Der Geologe Guido Grosse vom Alfred-Wegener-Institut in Bremerhaven war an der Studie beteiligt. Ihm zufolge könnten 75 Prozent der Permafrostböden noch in diesem Jahrhundert auftauen. Grund dafür ist der Klimawandel, der für immer extremere Temperaturen über immer längere Zeiträume sorgt. Lauert im ewigen Eis also eine unterschätzte Gefahr? 

Permafrost ist wie eine natürliche Kühltruhe – mit Hindernissen 

Um diese Frage zu beantworten, müssen wir uns zunächst anschauen, wie die Viren überhaupt so lange im Eis überdauern. Wenn Wissenschaftler Viren aufbewahren wollen, frieren sie diese bei minus 80 Grad Celsius ein. Ganz ähnlich überdauern die Erreger auch im Permafrost. Bei Temperaturen, die dauerhaft unter dem Gefrierpunkt liegen, gibt es keine Zersetzungsprozesse. 

Illustration eines Virus (Foto: IMAGO, PantherMedia / Kiyoshi Takahase Segundo)

Zombie-Viren in Permafrostböden

Dauer

Forschenden gelang es, jahrtausendealte Viren aus dem Permafrost zu reaktivieren. Seitdem geistert der Begriff „Zombie-Viren“ durch die Medien. Was hat es damit auf sich?

Einen großen Unterschied gibt es jedoch zum Labor: Der Permafrostboden friert nicht unbedingt gleichmäßig auf. Friert er zwischendurch wieder ein, bilden sich Eiskristalle. Wie bei einer mit Wasser gefüllten Glasflasche kann die Entstehung von Eis die Viren gewissermaßen aufsprengen. Viele Erreger gehen also wahrscheinlich kaputt, bevor sie überhaupt ein Tier oder gar einen Menschen infizieren können. 

Werden aufgetaute Viren eine Gefahr für Menschen?

Die von den französischen Wissenschaftlern gefundenen Viren befallen einzellige Lebewesen. Ob im Eis auch Viren schlummern, die Menschen gefährlich werden können, ist aktuell nicht bekannt – ausschließen kann man es aber nicht.

Ein viel größeres Risiko gehe jedoch vom Kontakt zu Wildtieren aus, sagt der Virologe Albert Osterhaus von der Tierärztlichen Hochschule Hannover. Denn auch ohne den tauenden Permafrostboden gibt es eine Menge Viren auf der Welt. Etwa zehntausend Arten sind bereits bekannt – vermutlich gibt es jedoch noch hunderttausende mehr. 

Ob die nächste Pandemie aus dem Eis kommt, wissen wir also nicht. Doch klar ist: Wenn wir den Klimawandel stoppen, können die Permafrostböden auch nicht zur Gefahr werden.  

Im Eis schlummern auch Bakterien

In den Permafrostböden, wie zum Beispiel in Sibirien, schlummern neben Viren auch Bakterien, die jetzt so langsam auftauen und gefährlich werden könnten. 2016 gab es in Sibirien einen Milzbrand-Ausbruch unter Rentieren. Hunderte Tiere sind damals bei der Epidemie gestorben und wurden tief in der Erde vergraben. Ihre Kadaver sind jetzt vermutlich wegen der dauerhaft hohen Temperaturen wieder aufgetaut. Mit aufgetaut ist aber auch ein Bakterium: der Milzbrand-Erreger (Bacillus anthracis).

Milzbrand oder Anthrax: Ausbruch in Sibirien

Milzbrand, oder auch Anthrax, war davor vor 75 Jahren in Sibirien zum letzten Mal ausgebrochen. Bei Milzbrand treten Symptome wie Kopfschmerzen, hohes Fieber, Verwirrtheit, Zittern und Muskelschmerzen auf. Wird die Erkrankung nicht behandelt, kann sie tödlich enden.

Infos und Aktuelles zum Coronavirus und COVID-19

Die gute Nachricht: Gegen Bakterien wie den Milzbrand-Erreger kann sich der Mensch mithilfe von Antibiotika schützen. Bei Viren ist das anders, denn die Entwicklung eines Impfstoffes dauert lange.

Antarktis

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Anthrax als biologisches Kampfmittel

Dass Bakterien extrem gefährlich werden können, wenn sie in falsche Hände gelangen, haben die Anthax-Anschläge 2001 in den USA gezeigt. Damals wurden Milzbrand-Erreger als tödliche Waffe eingesetzt, die per Brief an Medien und Politiker verschickt wurden.

Im Herbst 2001 waren fünf Menschen durch Briefe mit Milzbrand-Erregern gestorben. 13 weitere erkrankten an Milzbrand. Der Hauptverdächtige, ein US-Biowaffenexperte, beging nach seiner Verhaftung Selbstmord.

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