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Judith Schneider
Judith Schneider (Foto: SWR3)
INTERVIEW
Brigitte Egelhaaf

Die Tage im Gefängnis können schwer sein, die Nächte aber noch viel schwerer, erzählt Ralf im SWR3-Interview. Über 5.000 Nächte war er schon eingesperrt. Eins steht für ihn fest: Es soll keine einzige Nacht mehr dazukommen.

„Sie können nichts gegen diese Gedanken tun, die kommen. Und nach der hundertsten, zweihundertsten oder dreihundertsten Nacht, stellt man fest, dass einem schon wieder der gleiche Mist durch den Kopf geht.“ Eine Nacht im Gefängnis kann richtig hart sein, erzählt Ralf. Die Einsamkeit sei manchmal schwer zu ertragen. Wenn der Tag arbeitsreich und voller Ablenkung war, dann fühle sich auch die Nacht wie eine in Freiheit an: aufräumen, Fernsehen gucken, ins Bett gehen, schlafen. Dass es aber oft anders kommt, ist unter den Häftlingen ein Tabu-Thema.

Ich habe in manchen Nächten auch geweint. Das ging nicht anders. Aber wenn Sie das jemanden drinnen im Knast sagen, dann hat man verloren. Obwohl es jeder tut.

Wenn im Gefängnis die Nacht anbricht, kommen die Einsamkeit und die Angst

Nach über 5.000 Nächten in Haft kann Ralf nicht mehr sagen, welche Nacht seine schlimmste war. Es gab viele davon, sagt er. Manchmal waren seine Nächte voller Sehnsucht, manchmal voller Einsamkeit und manchmal voller Angst. Es gab sogar Nächte, in denen er darüber nachgedacht hat, sich das Leben zu nehmen.

So etwas passiert nachts, nicht tagsüber. Wenn’s still ist und man alleine ist.

Was ihm nachts vor allem fehlt, sind Berührungen seiner Partnerin, Liebe, Sex, Zärtlichkeit und Kuscheln. „Das hat man hier nicht. Das ist natürlich enorm menschenwidrig. Das entspricht nicht unserem Menschsein. Das ist schrecklich.“

„Ich beneide die, die dumm sind“

Was ist, wenn ein Feuer ausbricht? Was ist, wenn ein Krieg anfängt oder eine Atombombe explodiert? Es kämen einem die verrücktesten Gedanken, wenn man eingeschlossen ist, sagt Ralf. „Ich wäre auch gerne blöd, dann hat man keine Sorgen!“ Ralf weiß, dass er sich in Sachen reinsteigern kann – besonders nachts bleibt ihm dafür jede Menge Zeit.

SWR3 Report: Menschen bei Nacht Wenn die Sonne die eigene Haut verbrennt

Sobald die Sonne Nicos Haut berührt, hat er unfassbare Schmerzen. Kaum einer glaubte ihm, niemand wusste, was er hat. Mittlerweile weiß Nico: Er leidet an der Schattenspringerkrankheit.

Anderes Gefängnis, andere Nächte

Wie die Nacht in einem Gefängnis abläuft, hängt von der Anstalt ab. „In einem Knast mit mehr Jugendlichen, wie Pforzheim – wo eher Jüngere sind – ist nachts noch Halligalli bis um 3 Uhr am Fenster. In einem Knast wie Bruchsal ist dann um 10 alles tot. Die Leute wollen ihre Ruhe, die haben ellenlange Strafen. Die hocken da teilweise schon seit 25 Jahren. Da hörst du nachts nichts, außer mal einen Schlüssel.“ Vor allem die Stille und die Einsamkeit sind für viele das große Problem.

Das halten nicht viele aus. Deswegen gibt es viele im Zweimann-Zimmer. Oder sie flippen nachts aus.

Ralfs Freiheit ohne das Freiheitsgefühl

Mittlerweile ist Ralf entlassen. Als junger Mann saß er schon mal lange Zeit seine Strafe ab, da fühlte sich die erste Nacht draußen auch nach Freiheit an. Mittlerweile ist viel passiert: Seine Mutter ist gestorben, seine Frau hat sich getrennt. Wenn er einschläft, merkt er keinen Unterschied zwischen Gefängnis und seinem selbstbestimmten Leben. „Man sucht in der ersten Nacht nach etwas, das anders ist. Aber man fühlt sich nicht anders.“ Was er mit seiner Freiheit anfangen will, weiß Ralf noch nicht. Nur eins ist klar: Er will sie nicht wieder hergeben.

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