Nico ist 21 Jahre alt, groß, hat einen dunklen Teint und eine sportliche Figur. Er geht gerne joggen, hält sich gerne draußen auf, allerdings zu einer anderen Uhrzeit. „Wenn die Sonne weg ist, teils auch in der tiefsten Nacht, um null oder ein Uhr, bin ich gern laufen gegangen oder einfach nur spazieren“, erzählt Nico. Wichtig war nur, keine Sonne abzubekommen, denn jeder Sonnenstrahl, der auf die Haut traf, verursachte unsagbare Qualen – auch schon als Kind. „Irgendwann waren die Schmerzen so schlimm, dass ich einfach nur noch geschrien habe: 'Schneidet mir die Arme und Beine ab!' Ich habe sie am bloßen Teer gerieben, weil die Schmerzen angenehmer waren als die Verbrennung.“
Nico leidet Jahre – dann die Diagnose
Es war eine Odyssee von Arzt zu Arzt. Viele haben gesagt, dass es sich herauswächst, dass es nach der Pubertät wieder weggeht. Es ging nicht weg, es blieb. Irgendwann bekam er die Diagnose, dass die Sonne ihm weiterhin wehtun wird, ein Leben lang. Die Diagnose: Nico leidet an der Schattenspringer-Krankheit.
Ich hatte damals eigentlich keinen großen Willen zu leben. Meine ganzen Träume, alles, was ich so in meiner Zukunft geplant habe, alleine mit meinen Freunden, war aussichtslos. Zum Beispiel die Welt ein bisschen bereisen, ein paar Länder besuchen, Motorrad fahren.
Trotz Gewissheit: Weder Lehrer noch Bekannte glaubten ihm
Das Fatale für Nico: Niemand sieht seine Verbrennungen, weil sie nach außen meist nicht sichtbar sind. Auch deswegen hat er Schlimmes durchgemacht. Sogar seine Lehrer unterstellten ihm, er drücke sich doch nur vor dem Sport im Freien.
Er hatte Schmerzen bei allem, worauf sich Kinder im Sommer freuen. Ob im Freibad oder beim Radfahren, viele sagten ihm: 'Stell dich nicht so an!' Die Bemerkungen haben ihn getroffen, das merkt man. Nico ist wichtig, dass alle wissen:
„Ein Kind denkt sich solche Schmerzen einfach nicht aus. Wenn ein Kind nur noch in der Sonne schreit und sich wirklich die Arme bis ins Fleisch aufreibt – das denkt sich kein Kind aus.“
SWR3 Report: Menschen bei Nacht Wenn die Nacht zur härtesten Strafe wird – ein Exhäftling erzählt
Die Tage im Gefängnis können schwer sein, die Nächte aber noch viel schwerer, erzählt Ralf. Über 5.000 Nächte war er schon eingesperrt. Eins steht für ihn fest: Es soll keine einzige Nacht mehr dazukommen.
Bis heute kämpft er mit Vorurteilen über seine Krankheit
Obwohl er eine ärtztlich bestätigte Diagnose hat, wird ihm immer noch wenig Verständnis entgegengebracht, erzählt Nico. „Die Leute verstehen das nicht. Ich durfte mir schon viele Bemerkungen aus dem engeren Umfeld anhören.“ Er sei faul, er würde lügen, er will einfach nicht raus und schaue lieber Fernsehen. Obwohl er selbst so wenig Akzeptanz erfährt, versucht er trotzdem genau diese Leute zu verstehen: „Ich nehme es ihnen nicht übel. Die kennen es einfach nicht.“ Ganz im Gegensatz zu seinen Freunden. Die haben schon öfter miterlebt, wenn Nico Schmerzen hatte und wissen damit umzugehen. „So tolerant ist leider nicht jeder. Dementsprechend muss man sich seine Freunde auch aussuchen.“
Es gibt Hoffnung für Nico und alle anderen Schattenspringer
Seit einiger Zeit bekommt Nico ein Medikament, das gerade noch erforscht wird. Er darf es testen. Für dieses Implantat musste er lange kämpfen, auch mit der Versicherung. Jetzt kann Nico raus, sogar mal eine Stunde oder zwei auf den Balkon.
Es wird niemals weggehen. Das wird immer ein Teil von meinem Leben sein. Aber es ist zumindest jetzt lebenswert.