Wenn Dortmund auf Schalke trifft, der Hamburger SV zum Nordderby antritt oder es beim VfB Stuttgart hoch hergeht, dann werden Fußballspiele zum Großeinsatz für die Polizei. Insgesamt steigt das Gewaltpotenzial im Fußball. Bundesweit.
Auch die Partie Hannover 96 gegen Schalke (am 31.3.) zählt als Hochrisikospiel. Guido von Cyrson ist Polizeidirektor in Hannover. Er beschreibt, was solche Spiele für die Polizei bedeuten: „Da reden wir nicht über 200 bis 300 Beamte, die im Einsatz sind, sondern bis zu mehreren Tausend. Letztlich bindet es meine Kräfte, die mir im Alltag nicht zur Verfügung stehen.“
Allein in der ersten und zweiten Liga kommen pro Saison 1,4 Millionen Polizei-Arbeitsstunden zusammen. Das macht ungefähr 80 Millionen Euro, um im Fußball für Sicherheit zu sorgen. In Frankreich, England und Italien beteiligen sich die Ligen. In Deutschland zahlt alles der Steuerzahler.
Frank Schöffler ist Polizist, er sagt im Gespräch mit dem SWR: „Da entstehen Kosten und Überstunden, dass die Heide wackelt. Die Bundesliga-Vereine werden immer fetter, zahlen nichts und machen sich die Tasche voll. Alles zahlt der Steuerzahler. Das kann eigentlich nicht sein.“ Klar, auch für Juristen ist das ein umstrittener Grenzbereich. Wo fängt die Verantwortung des Staates an? Wo hört die Verantwortung der Liga oder des jeweiligen Vereins auf?
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„Fußballspiele kosten uns etwa Polizeieinsatz 3 Millionen Euro“
In der Politik regt sich Widerstand. 2015 macht Bremen als erstes Bundesland einen Vorstoß, erlässt ein Gesetz und verlangt von der mächtigen Deutschen Fußball Liga die Mehrkosten für ein Hochrisikospiel: rund 400.000 Euro. Und auch Roger Lewentz, Innenminister in Rheinland-Pfalz, findet Argumente für eine Kostenbeteiligung: „Bei diesem Geld, das im Fußball unterwegs ist, muss man auch die Akzeptanz der Bürgerinnen und Bürger im Blick behalten. Und die sagen: Wenn Spieler verkauft werden für 40 Millionen, für 100 Millionen, für 222 Millionen, dann ist das, was das Land Rheinland-Pfalz aufwendet. Wir sagen, die Fußballspiele kosten uns etwa Polizeieinsatz drei Millionen Euro – eine Summe, die unterstützt werden sollte.“
Doch die DFL wehrt sich. Sie hält das Bremische Gesetz, mit dem die Vereine an den Mehrkosten beteiligt werden können, für verfassungswidrig. Reinhard Raubball, DFL-Präsident, argumentiert: „Wenn sich auf dem Hauptbahnhof sogenannte Fans Schlägereien liefern, dann hat das mit der Verantwortung der DFL nicht im Entferntesten was zu tun.“
Der Streit landete vor Gericht. Im Februar 2018 musste die DFL vor dem Oberverwaltungsgericht Bremen eine Niederlage hinnehmen. Aber der Streit geht in die Verlängerung: Die DFL will weiter nicht zahlen und hat Revision eingelegt. Nun verhandelt am 26. März 2019 das Bundesverwaltungsgericht über die Polizeikosten bei Hochrisikospielen.
Gewalt in den unteren Fußball-Ligen
Die Ausschreitungen betreffen längst nicht nur die Bundesliga, auch in den unteren Ligen gibt es damit häufig Probleme. Viele Schiedsrichter in diesen Klassen bemerken einen schwindenden Respekt von Spielern und Fans gegenüber dem Unparteiischen.
Laut DFL-Pressesprecher Michael Novak gab es in der Saison 2016/2017 24 „Spiele mit erhöhtem Risiko“ in der 1. Bundesliga, 34 in der 2. Bundesliga und 51 in der 3. Liga. Auffällig ist die hohe Anzahl an Drittligaspielen. Da zur Verteilung auf die einzelnen Vereine aber keine Angaben vorliegen, kann man zu den Gründen nur Mutmaßungen anstellen, wie der ARD-Faktenfinder feststellt.
Zur langjährigen Entwicklung der sogenannten Hochrisikospiele liegen der DFL ebenfalls keine Statistiken vor. Der Kriminologe Thomas Feltes hat dafür kein Verständnis: „Offen gestanden kann ich nicht glauben, dass die ZIS [die Zentralen Informationsstelle Sporteinsätze] diese Zahlen nicht hat“, so Feltes gegenüber dem ARD-faktenfinder. „Wenn das der Fall wäre, wäre es ein weiteres Mal ein Beleg dafür, dass die ZIS ihre Aufgaben nicht erledigt. Denn es gibt ja Berichte über die jeweiligen Spiele, die an die ZIS gehen. Und es wäre ja ein Leichtes, diese entsprechend auszuwerten und zu evaluieren. Dieses Trauerspiel fällt allerdings auch auf die Politik zurück, die hier klare Vorgaben machen könnte."