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Martin Thiel
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Mirja Raff
Mirja Raff (Foto: SWR3)

Die Zahl der Lebensmittelrückrufe hat sich in den vergangenen fünf Jahren mehr als verdoppelt. Pro Woche werden im Durchschnitt mehr als drei Produkte zurückgerufen. Woran liegt das, wann werden Rückrufe gemacht und wo kann ich mich informieren?

Warum gibt es immer mehr Rückruf-Aktionen?

Fertigsalate im Test „Genauso empfindlich wie Hähnchen- oder Hackfleisch“

Beim Essen muss es oft schnell gehen. Gesund soll es trotzdem sein. Fertig-Salate aus dem Discounter scheinen die Ideallösung. Forscher warnen allerdings vor den Convenience-Produkten.

Diese Frage ist auch von Experten, zum Beispiel des Landesuntersuchungsamtes RP, nicht eindeutig zu beantworten. Zum einen gibt es bessere Testmethoden und zum anderen ist ihre These, dass die Hersteller nicht mehr so viel Angst wie früher vor einer Rückrufaktion haben. Die Befürchtung, der Ruf könnte geschädigt werden, ist nicht mehr so stark ausgeprägt. Man hat keine Angst vor Schlagzeilen mehr, empfindet diese nicht als Beinbruch.

In der Vergangenheit wurde versucht, Rückrufe „stiller“ abzuwickeln. Klar ist aber: Gesetzlich sind Hersteller verpflichtet, ihre Waren sofort zurückzurufen, sollte eine Gefahr für die Gesundheit der Kunden bestehen.

Rückruf bei Aldi und Netto: Hähnchensalat mit Senf-Dressing und Bakterien!

Wann werden Rückrufe gemacht?

Rückrufe werden gemacht, wenn Gefahr für die Gesundheit von Konsumenten besteht. Die gesetzliche Verantwortung, dass das geschieht, liegt beim Hersteller.
Es gibt nicht-öffentliche und öffentliche Rückrufe. Bei nicht-öffentlichen Rückrufen sind die Produkte noch nicht in den Verkauf gelangt und können eingesammelt werden. Bei öffentlichen Rückrufen gibt es parallel zwei Informationswege.

Ablauf bei öffentlichen Rückrufen

Ein Hersteller merkt durch Eigenkontrollen, dass zum Beispiel Plastikteile in die Fertigpizza geraten sind. Dann stoppt er – soweit möglich – die Auslieferung oder wenn das schon geschehen ist, informiert er seine Kunden (Groß- und Einzelhändler) und die Kommunale Lebensmittelüberwachungsbehörde, die für ihn zuständig ist. Von den Kommunen wird zum Beispiel in Rheinland-Pfalz die Meldung an das Landesuntersuchungsamt (LUA) weitergeleitet. Das LUA kontaktiert ebenfalls die betroffenen Händler und überprüft, ob die Produkte aus dem Handel genommen wurden. Das geschieht stichprobenartig und telefonisch. Das LUA informiert dann das Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit, unter dessen Verantwortung die Seite Lebensmittelwarnung.de steht.

Lebensmittelwarnung: Das Portal der Bundesländer und des BVL

Auf dieser Seite werden die Produkte und Namen der Hersteller veröffentlicht. Verbraucherschützer von Foodwatch kritisieren allerdings, dass diese Seite zu unbekannt ist. Warnungen werden dort eingestellt, wenn davon auszugehen ist, dass Lebensmittel überregional beim Verbraucher angekommen sind. Es wird von den Überwachungsbehörden der 16 Bundesländer unter Verweis auf entsprechende Meldungen der Lebensmittelunternehmer bestückt – für Rheinland-Pfalz vom LUA.

Marktcheck: Wenn Lebensmittel zur Gefahr werden!

Wie niedrig ist die Schwelle, Produkte zurückzurufen?

Die Schwelle ist ganz klar so definiert, dass zurückgerufen wird, wenn eine Gefährdung der Gesundheit besteht. Das heißt aber nicht, dass bei jeder Rückrufaktion auch tatsächlich Lebensgefahr besteht. Es gibt ja höchst unterschiedliche Gründe für Rückrufe. Die häufigsten Gründe für Warnungen waren mikrobiologische Verunreinigungen, zum Beispiel Salmonellen oder Fremdkörper und Kennzeichnungsmängel. Besonders oft wurde vor Waren der Produktkategorien „Fleisch, Wild, Geflügel und Erzeugnisse daraus“, „Milch und Milchprodukte“ und „Getreide und Backwaren“ gewarnt. Außerdem macht die Lebensmittelüberwachung der Länder regelmäßig Stichproben.

Der Fall „Wilke-Wurst“

Im Fall der „Wilke-Wurst“ waren Listerien gefunden worden. Listerien sind aggressive Keime und treten (ähnlich wie Salmonellen) häufig in tierischen Lebensmitteln auf. Bei Menschen mit geschwächten Immunsystem und Schwangeren können sie tödliche Folgen haben. Gesunde Menschen dagegen bemerken die Aufnahme der Keime zum Teil gar nicht oder haben nur milde Erkältungssymptome, wie Kopf- und Gliederschmerzen oder leichtes Fieber.

Achtung, Allergiker!

Ähnliches gilt für Allergiker. Wird zum Beispiel „vergessen“, eine allergieauslösende Zutat auf die Verpackung zu drucken, so kann das für eine kleine Gruppe von Allergikern fatale Folgen haben. Die große Masse der Konsumenten ist aber nicht betroffen.   

Wie gefährlich ist es, wenn ich Rückruf-Ware esse?

In Baden-Württemberg wurden im letzten Jahr zwar 19 Prozent aller Proben beanstandet, allerdings wurde in weit mehr als der Hälfte der Fälle eine falsche Kennzeichnung oder eine irreführende Aufmachung gerügt. Wirklich gesundheitsschädlich waren lediglich 0,3 Prozent der Proben. Auch wenn die Lebensmittelüberwachung oft kritisiert wird und Verbraucherschützer wie Foodwatch eine bessere und schnellere Aufklärung der Bevölkerung fordern, so sind Fälle mit tödlichem Ausgang äußerst selten.

Kritik an der Lebensmittelüberwachung

Verbraucherschützer wie Foodwatch & Co üben oft harsche Kritik an der Öffentlichkeitsarbeit der Lebensmittelüberwacher aus. Der Ruf nach einer zentralen Kontrollinstanz, einer Art „Lebensmittelpolizei“, wird lauter. Tatsache ist: Von den rund 1,2 Millionen Lebensmittelbetrieben in Deutschland wurden 2018 gerade einmal 42 Prozent von der Lebensmittelüberwachung unangekündigt kontrolliert. Zudem sind die Behörden mit Kontrolleuren oft chronisch unterbesetzt. Die Folge: Die Zahl der untersuchten Proben sinkt seit Jahren. Selbst der EU-Rechnungshof mahnte im Januar, die EU-Staaten seien überfordert mit den Lebensmittelkontrollen.

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