Es stinkt gar nicht so sehr, wie ich das eigentlich erwartet hatte. Draußen ist es aber auch so eiskalt, dass man den Atem vor dem Gesicht sieht – gefühlte minus 10 Grad. Im Sommer ist die Geruchsbelästigung vermutlich deutlich stärker…
Früher Arbeitsbeginn, hoher Männeranteil
In den Hallen der Entsorgungsbetriebe herrscht um 6 Uhr morgens schon reger Betrieb. Alle bereiten sich auf ihre Touren vor und werfen sich in die entsprechende Arbeitsklamotte. Auch ich bekomme Sicherheitsschuhe, eine orangene Latzhose, eine warme Jacke und Handschuhe in die Hand gedrückt. Etwa 200 Männer sind hier beschäftigt und drei Frauen. Heute vier – mit mir. Zu späterer Uhrzeit weiß ich ganz genau, warum der Männeranteil so viel höher ist…
25 km Restmülltour

Dick eingepackt, bekomme ich erst mal eine Sicherheitseinweisung an der so genannten Schüttungsaufnahme von Carsten. Seit 18 Jahren arbeitet der 41-Jährige schon bei den Entsorgungsbetrieben. „Am Anfang war es halt ein Job und dann bin ich hängen geblieben“, erzählt er. Seit Kurzem ist er bei der Restmülltour dabei. Vorher hat er jahrelang die Biotonnentour gemacht. Es ist strikt geregelt, wer welche Tour macht. Die Biotonnentour ist hart. „Da läuft man schon so um die 20 bis 25 Kilometer.“ Aber auch die Restmülltour hat es mit ihren 15 bis 20 Kilometern Laufweg in sich. Ich bekomme erklärt, dass es verschiedene Arten von Tonnen gibt: „Die Eintonner fährt man immer zu Zweit an das Müllauto ran“, erklärt Carsten. Ich versuche mein Glück mit einer Übungstonne – und scheitere. Na, hoffentlich halte ich später nicht den ganzen Verkehr auf. Viel länger üben ist nicht drin. Um 6.40 Uhr müssen wir los. KA – RL (ich nenne ihn aufgrund seines Kennzeichens so) wartet mit Fahrer Ingo darauf, dass wir endlich einsteigen.
SWR3-Report: Unser Alltag mit Plastik – 10 Mythen über Plastik
Das geht ganz schön in den Rücken…
Um Müllfahrer/-in zu werden, ist keine spezifische Ausbildung nötig, jedoch ist eine entsprechende Fahrerlaubnis erforderlich, die zum Fahren des Müllautos befähigt. Viele lassen sich zum Fahrer umschulen, wenn ihr Körper nicht mehr so richtig mitmacht, wenn die Rückenprobleme zu massiv werden. Auch Ingo war jahrelang Lader, bis er sich irgendwann zum Fahrer hat umschulen lassen. Im Schnitt verdienen Müllmänner in etwa 2.400 Euro brutto. Berufserfahrung, ein LKW-Führerschein und auch der Ort haben Einfluss auf das Gehalt. Da die Lebensunterhaltungskosten im Süden etwas höher sind, verdienen Müllmänner hierzulande etwas mehr. Entscheidend ist auch, ob man bei einem städtischen Unternehmen angestellt ist.
Hupen, Mülleimer holen, entladen

In der Straße angekommen, wartet schon der erste Schock. Weit und breit sind keine Mülltonnen zu sehen, denn die müssen erst aus den Kellern und Hinterhöfen geholt werden. „In Karlsruhe haben wir den Vollservice“, sagt Carsten. „Neben Hamburg gibt es nur wenige Städte, die den Vollservice anbieten.“ Vollservice bedeutet auch: Bei den Haushalten klingeln und warten, bis jemand die Tür öffnet. Irre. Je nach Hinterhof und Keller müssen die Tonnen teilweise den Keller oder steile Treppen hochgezogen werden – blöd, wenn die Tonne knallvoll und sauschwer ist. Aber jammern ist nicht. KA – RL blockiert die enge Straße so, dass kein Auto an ihm vorbei kommt und die Autoschlange hinter ihm wird immer länger, die Insassen darin immer ungeduldiger. Ich fühle mich latent unter Druck gesetzt und bin erleichtert, dass ich die Tonne gleich richtig an das Müllauto ranschieben und entladen kann. Die so genannte Schnecke am Müllauto sorgt dafür, dass der Müll gleich verkleinert wird – so passt mehr rein.
Rheinland-Pfälzer produzieren am meisten Müll
Ratten im Müll

Während Ingo und KA – RL langsam die Straße vor tuckern, laufen wir von Haus zu Haus und entladen die Tonnen. Ich bin hoch motiviert. Als wir jedoch um 9 Uhr zur Frühstückspause zurück in die Hallen fahren, merke ich im warmen Auto erste Schmerzen im unteren Rückenbereich und einen Müdigkeitsflash aufkommen. Zwanzig Minuten später geht es weiter. Zum ersten Mal darf ich außerhalb des Müllautos stehen. An der Seite. Ein Kindheitstraum wird wahr. Doch die Freude ist nur von kurzer Dauer. Viel zu schnell sind wir am Ziel angekommen, wo die nächsten vollen Tonnen darauf warten, entladen zu werden.
Man merkt schnell, in welchen Haushalten man essen wollen würde und in welchen nicht.
Es könne durchaus mal passieren, dass einem eine Ratte entgegen springt. Zum Glück bleibe ich verschont…
Endlich Essen…
Die Schicht geht jeden Tag bis 15 Uhr. Dazwischen gibt es eine Mittagspause von 12 bis 12.30 Uhr und zwei kleinere Snackpausen. Gibt es in einer Woche einen Feiertag, müssen die Jungs täglich dreißig Minuten Dienst dranhängen. Bei zwei Feiertagen in der Woche, muss samstags gearbeitet werden. Die Tonnen leeren sich ja nicht von alleine.
Ab zum Entladen!

Um 12 Uhr bin ich echt am Ende. Das frühe Aufstehen, das Ziehen der teilweise echt schweren Tonnen, geht auf die Kondition. Aber ich möchte bis 15 Uhr durchhalten. Außerdem möchte ich noch das Entladen mitnehmen. KA – RL zählt fleißig mit, wie viele Tonnen wir schon in ihn geschüttet haben und gibt Meldung, wann er einen neuen, leeren Container braucht. In Karlsruhe fährt man an den Güterbahnhof zum Entladen. Ein großer Kran hebt den vollen Container auf einen Zug und setzt einen neuen auf KA – RL. Der Müll wird dann in die Verbrennungsanlage nach Mannheim gebracht, während wir uns wieder weiter ans Tonnen leeren machen.
Riesen-Säuberungsaktion im Pazifik
Feierabend
Um 15 Uhr ist mein Tag als Müllfrau schließlich zu Ende. Ich bin völlig fertig, mir tut alles weh, aber ich bin glücklich. Auch, weil Carsten stolz auf mich ist und meint, dass ich mich gut angestellt habe und dass ich morgen wieder kommen könnte.
Als am nächsten Tag um 7 Uhr mein Wecker klingelt, muss ich daran denken, dass Carsten und seine Jungs schon wieder fleißig am Müll sammeln sind. Ich kann mich vor Muskelkater und Rückenschmerzen kaum aus dem Bett bewegen und hätte nicht gewusst, wie ich einen zweiten Tag als Müllfrau überstanden hätte.
So viel Müll produzieren wir
Rund 615 Kilo Müll produziert jeder Deutsche übrigens im Schnitt. Ohne die Müllmänner, die dafür sorgen, dass die Tonnen regelmäßig entleert werden, würden wir an unserem Müll ersticken. Wenn ich demnächst mal wieder hinter einem Müllauto stehen werde, werde ich mit Sicherheit nicht mehr so ungeduldig sein und mich daran zurück erinnern, wie ich mich über hupende Autofahrer geärgert habe und mit welchen Schmerzen ich am nächsten Tag aufgewacht bin.
Wie gut seid ihr bei der Mülltrennung?