
Manchmal ist es Unwissenheit, manchmal ist es böse Absicht, wenn Dominique Siassia mal wieder ein rassistisches Wort oder einen Satz hört, der sie verletzt. Im vergangenen Jahr wurde sie vor Weihnachten in einer Apotheke um die Ecke mit dem N-Wort beschimpft. Solche Aktionen – sowohl die rassistische Äußerung der Mitarbeiterin, als auch die tatenlose Reaktion der anderen Leute – machen sie fassungslos und traurig. Sie ist in Sachsen-Anhalt geboren, die ersten neun Jahre ihrer Kindheit hat sie in der Republik Kongo verbracht, lebt mittlerweile seit über 30 Jahren wieder in Deutschland und arbeitet als Schauspielerin und Sängerin. Seit sie denken kann, erlebt sie in ihrem Alltag Beschimpfungen und Beleidigungen.
Unsicherheit und Unverständnis führen zu Rassismus
Der Versuch, Rassismus zu rechtfertigen mit Aussagen wie 'Das haben wir schon immer gesagt und damals war es auch nicht schlimm', oder 'Das war doch nur ein Scherz' sind für Dominique Siassia ein absolutes No-Go. Allerdings kann sie verstehen, wenn manche Menschen verunsichert sind, welche Begriffe okay sind und welche nicht. Auch bei den Betroffenen selbst gibt es zu verschiedenen Begriffen unterschiedliche Meinungen.
Sie hat sich entschlossen, über einige Beispiele zu sprechen und aus ihrer Sicht zu erklären, was diese Ausrücke mit ihr und anderen People of Color machen, auch wenn es ihr nicht leicht fällt, über ihre Erfahrungen zu sprechen.
5 Ausdrücke, die Betroffene verletzen können
1. Das N-Wort: „Ein Wort, mit dem viele traumatisiert wurden.“
„Ich habe schlimme Sachen mit diesem Wort erlebt. Eine Gruppe von Skinheads mit Baseballschlägern sind hinter mir hergerannt und wollten mich verprügeln und haben auch das N-Wort benutzt. Sie haben es im Gleichmarsch von sich gegeben, als sie auf mich zugestürmt sind.“ Unzählige Male ist Dominique damit diskriminiert worden, erzählt sie. „Ich verbinde damit sehr viel Druck, sehr viel angstgeprägte Erfahrungen.“ Heutzutage das ursprüngliche N-Wort noch zu benutzen, ob bei einem Eis mit Schokoguss, bei einer Schwarzen Puppe oder auch rein aus Gewohnheit, könne sie einfach nicht verstehen.
Dass sich immer noch Leute darüber aufregen, die noch nicht einmal davon betroffen sind und sagen 'Ich habe das immer benutzt und ich habe damit nichts Schlimmes verbunden' – das glaube ich ihnen. Aber bitte seid einfach so empathisch, so emotional intelligent und sensibel mir zuzugestehen, dass ich damit ganz schlimme Erfahrungen gemacht habe.
2. Ist die Frage 'Wo kommst du her?' rassistisch?

Tahir Della von der Initiative Schwarze Menschen in Deutschland (ISD) setzt sich mit dem Verein für die Interessen von People of Color ein und kämpft für „Gerechtigkeit in der Migrationsgesellschaft.“ Seiner Erfahrung nach sei das eine viel diskutierte Frage, die man wohl am ehesten so beantworten könne:
Leute wollen eigentlich nicht wissen, wo du herkommst, sondern entweder 'Gehst du auch bald wieder mal!' oder 'Wie lange bist du hier schon in Deutschland' und damit sprechen sie ihnen ihre Lebensrealität ab.
Für viele Menschen ist es davon abhängig, in welcher Situation, wann und von wem die Frage gestellt wird. Aus der Erfahrung von Tahir Della kommt sie in den skurrilsten Momenten und vor allem, bevor sie überhaupt nach dem Namen gefragt hätten. Diese Frage mache klar, dass es immer noch Deutsche gibt, denen man ansieht, dass sie deutsch sind, und denen man nicht ansieht, dass sie deutsch sind.
Dominique Siassia hingegen sieht es ganz anders: „Ich habe damit sehr gute Erfahrungen gemacht. Ich fand diese Neugier sehr schön und viel angebrachter, als gleich die Schotten dicht zu machen – als wäre ich ein Fremdobjekt oder irgendein Alien.“ Als sie aber einige ihrer Schwarzen Freundinnen kennenlernte und sie nach ihrer Herkunft fragte, seien diese ganz entrüstet gewesen, erzählt sie. Sie ärgerten sich, wie sie das nur fragen könne. Der Unterschied: Die meisten ihrer Freundinnen seien in Deutschland geboren und haben auch ihre ganze Kindheit hier verbracht. Ganz im Gegensatz zu ihr. Die 41-Jährige erzählt gerne von den ersten neun Jahren, die sie in der Republik Kongo gelebt hat und freut sich, wenn sie jemand danach fragt.
3. Das M-Wort: Rassismus auf Straßenschildern und Geschäften
Ob als Figur auf einer Schokolade, als Name einer Straßen oder eines Cafés – das M-Wort gibt es noch in vielen Facetten. In den letzten Jahren hat das immer wieder zu viel Kritik und großen Diskussionen geführt. Historiker behaupteten, dass die ursprüngliche Absicht dahinter ehrend gemeint sein sollte, erklärt Tahir Della.
Beim N-Wort sind sich noch alle einig, dass das problematisch ist. Bei dem M-Begriff aber nicht, weil dann davon gesprochen wird, dass sie vom afrikanischen Kontinent kamen und an Höfen Musik gemacht, studiert haben und zur Schule gegangen sind. Was aber völlig ausgeklammert wird, ist, dass die Menschen nicht freiwillig kamen.
Versklavung sei also das eine Problem. Das andere, wie das M-Wort heute bei Menschen ankomme – selbst wenn es irgendwann mal ehrend gemeint sein sollte, sagt Tahir Della. Dominique Siassia verbindet mit diesem Begriff keine Erinnerung an Ehre. Ganz im Gegenteil. „Ich finde, dass Menschen mit schwarzer Hautfarbe damit komisch verniedlicht wurden – wie eine Art Puppe. Und sie würden auch teilweise ins Lächerliche gezogen.“
4. Darf man farbig oder dunkelhäutig sagen?
„Für mich total in Ordnung“, so die 41-Jährige. „Ich verstehe aber die Verwirrung. Die einen wollen das nicht und für jemand wie mich ist farbig, dunkelhäutig oder Schwarz total in Ordnung.“ Sich selbst bezeichnet sie als Schwarz-Weiß, Weiß-Schwarz oder gemixt, denn ihre Mutter ist Weiß, ihr Vater Schwarz. Tahir Della hingegen rät davon ab, farbig oder dunkelhäutig zu sagen. Um niemanden zu kränken, sagt man Schwarz (geschrieben mit großem S), People of Color (PoC) oder Menschen of Color.
Man muss sich die Frage stellen: Gibt es gleichbedeutende Beschreibungen für Weiße Menschen? Klar, es gibt hellhäutig, weißhäutig oder ähnliches. Es wird im Sprachgebrauch aber nicht verwendet, weil wir es so gewohnt sind, dass Weiß nicht benannt wird. Dafür gibt es aber zig Beschreibungen für Schwarze Menschen. Und wenn wir von Schwarz sprechen, sprechen wir nicht von der Farbe, sondern von ihrer politischen Positionierung.

SWR3-Report: Rassismus im Alltag Dominique Siassia und der Rassismus in ihrer Karriere
- Dauer
Alltagsrassismus zieht sich quer durch das Leben von People of Color und Schwarzen Menschen. Auch die Afrodeutsche Schauspielerin Dominique Siassia hat ihn oft erlebt. Wir kennen sie aus “Sturm der Liebe” und sie hat auch schon an der Seite von Götz George gespielt. Dominique hat SWR3 Reporterin Sara Talmon erzählt, welche Rassistischen Bemerkungen und Sprüche sie sich im Laufe ihrer Karriere immer wieder anhören musste. Selbst von einer ihrer Schauspiel Dozentinnen...
5. Menschen mit Migrationshintergrund – ein korrekter Ausdruck?
Das Problem hinter diesem Begriff sei, dass nicht genau geklärt ist, wer mit dieser Bezeichnung gemeint wird, sagt Tahir Della. Ein Beispiel aus seiner Familie verdeutlicht das: Seine Frau und er sind Schwarz und deutsch, seine Kinder also ebenfalls. Sie werden aber als Menschen mit Migrationshintergrund wahrgenommen. Als sein jüngster Sohn in die Schule kam, landete er in einer Klasse, in der Kinder beim Deutsch lernen unterstützt wurden. Als er nachfragte, warum das so sei, habe die Lehrerin erklärt: Weil er Raschid heißt.
Tahir Della rät deshalb dazu, Migrationsbiografie oder Migrationserfahrung zu sagen. „Migrationshintergrund ist für mich überhaupt nicht fassbar. Ist das jetzt die zweite oder dritte Generation? Sind die Leute wirklich eingewandert oder sind sie hier geboren und aufgewachsen? Es ist ein softer Ersatz für Ausländer und das finde ich schwierig. Dann lieber beschreiben, welche Erfahrungen Menschen machen mussten.“
Auch für Dominique Siassia ist das ein negativ besetzter Ausdruck.
Den Begriff habe ich immer mitbekommen als eine Art der Problematisierung. Nicht einfach nur eine Beschreibung für einen Menschen wie mich, der durch verschiedene Kulturen geprägt worden ist. Immer wenn ich es in den Nachrichten zum Beispiel gehört habe, war das eine Problematisierung. Das waren immer Verbrechen von Leuten mit Migrationshintergrund. Als das dann in den ganzen Polit-Talkshows kam, dachte ich: Mein Gott, es ist wieder ein neues Problematisierungs-Wort für so Leute wie mich.
Was können wir machen, um uns gegen Rassismus einzusetzen?
„Was die People of Color angeht: ja, wir haben viel erlebt von Kind an und das ist traumatisierend, da gibt es nichts zu beschönigen. Aber: Es ist wichtig, dass auch wir das Verständnis, die Sensibilität, die Empathie für einen offenen Diskurs behalten. Sonst ist keine Entkrampfung möglich.“ Ihre Botschaft geht an beide Seiten, denn auch von Schwarzen Menschen hat sie Rassismus erlebt. Sie will ernst genommen und nicht belächelt werden, sobald sie von ihren Erlebnissen erzählt.
Die 41-Jährige erinnert sich auch an die Situation in der Apotheke zurück. Kein anderer Kunde beschimpfte sie, aber es unterstütze sie auch niemand. Alle waren schockiert von der Verkäuferin. Aber das reicht Dominique Siassia nicht. Sie sagt: „Es wäre so schön gewesen, wenn da nur ein Mensch mal was gesagt hätte.“