Kosmetika, die an Tieren getestet wurden, dürfen in der EU nicht mehr vermarktet werden – so heißt es in der Pressemitteilung der Europäischen Kommission von 2013.
Also alles okay? Einfach ins Regal im Drogeriemarkt greifen und reinen Gewissens die Tiegelchen zur Kasse tragen? So einfach ist es nicht, denn es gibt Ausnahmen.
Kosmetik: Trotz EU-Richtlinien nicht komplett tierversuchsfrei
Der Verkaufsstopp gilt nicht für Produkte, die besonders komplizierte Nebenwirkungen haben könnten – also langfristig schädlich sein könnten, die Haut nachhaltig verändern oder eventuell die Fruchtbarkeit beeinflussen.
Für einige Inhaltsstoffe gilt außerdem das Chemikaliengesetz, das Tierversuche zulässt. Dies wird von Tierschützern scharf kritisiert:
Kosmetikhersteller dürfen auch zukünftig chemische Substanzen verwenden, die in anderen Produkten wie Reinigungsmitteln, Wandfarben oder Medikamenten eingesetzt werden, da in diesen Bereichen gesetzliche Regelungen leider nach wie vor zur Marktzulassung eine Prüfung der Stoffe in Tierversuchen vorschreiben (z.B. in der EU-Chemikalienverordnung).
Ebenfalls macht der Tierschutzbund auf seiner Website darauf aufmerksam, dass die Regeln nur für neue Produkte und Inhaltsstoffe gelten: „Die 'alten' dürfen leider weiterhin uneingeschränkt verkauft werden, so dass nach wie vor Produkte in den Verkaufsregalen zu finden sind, für die Tierversuche durchgeführt wurden.“
Gesetze für die Wissenschaft Tierversuche: Was erlaubt ist und was nicht
Wenn wir „Tierversuche“ hören, sind wir schnell dabei, uns zu empören. Aber vieles wäre ohne Tierversuche vielleicht nicht möglich – vor allem in der Medizin. Und es gibt strikte Regeln für die Versuche in der Wissenschaft.
Auch Vertreter der Kosmetikindustrie halten Begriffe wie tierversuchsfrei offenbar für irreführend. „Die Sicherheit praktisch aller Inhaltsstoffe in Kosmetikprodukten [...] beruht auf Daten, die zuvor an Tieren gewonnen wurden“, erklärte der europäische Dachverband Cosmetics Europe auf die Einführung der neuen EU-Richtlinien in 2013.
Wer also ganz rigoros sein will, müsste eigentlich bereit sein, weitestgehend auf Pflegeprodukte und Kosmetik zu verzichten. Wer möchte, dass zumindest für das konkrete Produkt keine Tiere genutzt wurden, kann sich an folgenden Tipps orientieren.
Tipp 1: Durchblick bei den Siegeln
1. Der Stempel für kontrollierte Naturkosmetik
Das wichtigste, was man als Verbraucher erkennen sollte, ist die Richtlinie „Kontrollierte Naturkosmetik – BDIH“. Der runde Stempel zertifiziert die meisten reinen Bio-Produkte und verbietet Tierversuche: Weder bei Herstellung, Entwicklung oder Prüfung von Rohstoffen und Endprodukten werden Tests an Tieren durchgeführt oder in Auftrag gegeben. Auf dieses Siegel zu achten, empfiehlt auch das Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit.
2. Das Kaninchen des Deutschen Tierschutzbundes
Das Kaninchen-Siegel mit der schützenden Hand gegen Tierversuche besagt: In dem Produkt wurden zur Entwicklung und Herstellung keine Tierversuche gemacht. Außerdem dürfen keine Inhaltsstoffe verwendet werden, im Auftrag des Herstellers an Tieren getestet wurden. Auch Verbindungen zu Firmen, die Tierversuche durchführen, darf es nicht geben. Die Verbraucherzentrale weist allerdings daraufhin, dass dies schwer zu überprüfen sei.

Im Vergleich zu anderen Labeln ist dieses Kaninchen-Label aber sehr streng. Es gibt auch einen Stichtag an, seit wann keine Inhaltsstoffe mehr im Auftrag des Herstellers getestet werden durften, um das Siegel zu führen: 1.1.1979.
Anders als bei veganer Kosmetik sind tierische Inhaltsstoffe hier erlaubt, solange sie nicht von toten Tieren stammen oder durch Tierquälerei gewonnen wurden. Damit sind die Anforderung härter als für die Naturkosmetik-Siegel.
3. Das springende Kaninchen für Humane Cosmetic Standard
Noch ein Kaninchen gibt es als Siegel: Verschiedene Tierschutzorganisationen haben sich zusammengeschlossen, um ein internationales Tierschutzlabel zu schaffen. Es heißt Leaping Bunny. Wer das Siegel führt, darf für fertige Produkte und einzelne Inhaltsstoffe keine Tierversuche machen, außerdem auch keine in Auftrag geben oder sich daran beteiligen. Auch für Lieferanten gelten strenge Regeln, die der Hersteller regelmäßig schriftlich bestätigen lassen muss.
4. Die grüne Blume der Vegan Society
Das vegane Siegel der Vegan Society verbietet grundsätzlich die Verwendung von Inhaltsstoffen, die von lebenden oder toten Tieren stammen. Tierversuche sind in der Entwicklung und Herstellung von Produkten verboten. Auch einzelne Inhaltsstoffe dürfen weder vom Unternehmen selbst an Tieren getestet werden, noch darf der Auftrag dafür vergeben werden.
Mehr Infos zu einzelnen Siegeln findest du bei der Verbraucherzentrale
Tipp 2: Listen zu „Kosmetik ohne Tierversuche“ im Internet
1. Produkt-Liste des Deutschen Tierschutzbundes
Der Deutsche Tierschutzbund bietet online eine Kosmetik-Positivliste an. Alle in der Kosmetik-Positivliste genannten Kosmetikhersteller haben die Richtlinien des Deutschen Tierschutzbundes in vollem Umfang erfüllt. Aufgeführt werden Hersteller, Läden und Vertriebe. Detaillierte Informationen zu einzelnen Produkten gibt es nicht.
Hier geht's zur Positiv-Liste des Deutschen Tierschutzbundes.
Wissenschaftler berichten So fühlt es sich an, Tierversuche zu machen
Tierversuche gehören in der Wissenschaft an vielen Stellen dazu. Aber wie fühlt es sich an, selbst Tierversuche durchzuführen? Wir haben mit zwei Wissenschaftlern gesprochen, die auf ganz unterschiedliche Weise damit umgehen.
2. Nationale und internationale Liste von Peta
Die Tierschutzorganisation Peta ist wegen ihrer teilweise extremen Aktionen umstritten. Sie führt aber ein umfangreiches Verzeichnis darüber, für welche Produkte keine Tierversuche gemacht wurden. Hier finden Interessierte außerdem auch Infos darüber, welche Kosmetika vegan sind.
Hier geht's zur Liste von Peta für Deutschland „Kosmetik ohne Tierversuche“.
Um die Liste zu erstellen, hat die Organisation bei den Herstellern nachgefragt und sich eine schriftliche Versicherung eingeholt, dass die Pflege- und Kosmetikprodukte wirklich tierversuchsfrei sind. Eine Arbeit, die man sich als Privatperson kaum machen kann.
Dennoch ist auch das Durchsuchen der Listen nicht frei von Aufwand. Wer sich mit den einzelnen Produkten auseinandersetzen will, muss da von sich aus noch ordentlich Zeit reinstecken.
Es gibt außerdem auch eine internationale Datenbank. Hier sind Produkte aus aller Welt erfasst.
3. Produkt-Infos beim Vegan Beauty Blog
Eine ähnliche Liste gibt es auch im Vegan Beauty Blog. Hier werden die Produkte mit verschiedenen Symbolen versehen für tierversuchsfrei, vegan und natürlich. Die hier angegebenen Produkte sind teilweise mit den Stellungnahmen der Hersteller verlinkt.
Tipp 3: Tierversuchsfrei einkaufen mit Apps
1. Listen von Peta und dem Vegan Beauty Blog auch als App
Die Liste des Vegan Beauty Blogs gibt es auch als App zum Mitnehmen in den Drogeriemarkt. Peta stellt eine App zur Verfügung, die den veganen Einkauf erleichtern möchte.
2. Codecheck – Inhaltsstoffe via App checken
Empfehlenswert ist die App Codecheck, mit der sich die gesamten Inhaltsstoff-Listen von Produkten schnell überprüfen lassen. Dabei geht es nicht primär darum, Tierversuche zu vermeiden. Du kannst auch checken, ob die Produkte laktose- oder glutenfrei sind und ob Palmöl oder Mikroplastik verwendet wurden.

Die Vorteile der App:
- Die App ist übersichtlich und intuitiv zu bedienen.
- Es sind Millionen von Produkten enthalten. Vertreten sind viele verschiedene Kategorien – neben Kosmetika auch Lebensmittel oder Produkte für den Haushalt. Bei einem Einkauf ist es schwer, ein Produkt im Laden zu finden, dessen Barcode-Scan kein Ergebnis bringt.
- Außerdem kann man sich durch Produktlisten suchen und speziell nach einem Produkt fahnden, das den eigenen Anforderungen entspricht – auch zu Hause auf der Couch, ohne Barcode in Reichweite.
- Die Informationen sind umfangreich und kommen laut Angaben von CodeCheck von Experten wie Greenpeace, dem WWF oder dem BUND Naturschutz.
- Wenn ein Kunde feststellt, dass eine Angabe nicht stimmt, kann er sie korrigieren lassen. Wie schnell das geschieht, konnten wir nicht testen.
Die Nachteile der App:
- Ein Produkt hat oft viele Inhaltsstoffe. Sie hier durchzuklicken und bei den Angaben genau zu verstehen, was die einzelnen Bewertungen bedeuten, braucht schon ein bisschen Zeit.
- Bei manchen Produkten sind auch Kategorien ausgespart. Hier heißt es dann, eine Einschätzung des Produkts sei nicht möglich. Insbesondere zu Tierversuchen fehlen oft Angaben, was beim Einkaufen nerven kann und dann eben auch nicht weiterhilft.
- Die App platziert außerdem Werbung, solange man nicht bereit ist, für eine werbefreie Version zu bezahlen. Das kostet immerhin einmalig 8,99 Euro.
Tipp 4: Beim Hersteller selbst nachfragen
Wer Lieblingsprodukte hat und da keine Informationen findet, kann natürlich auch selbst eine Anfrage bei dem betreffenden Hersteller stellen. Einige kleinere Produzenten verzichten beispielsweise darauf, ein Label zu erwerben, weil es einfach zu viel kostet. Tierversuchsfrei können die Produkte trotzdem sein.
Wichtig ist, dass du bei einer Anfrage die richtigen Fragen stellst. Hier kannst du dich an den Fragen orientieren, die Peta aufgrund ihrer eigenen Anfragen auch transparent zur Verfügung stellt:
- Führt Ihr Unternehmen Tierversuche für die Produkte (einschließlich der Rezepturen und Inhaltsstoffe) durch oder gibt solche in Auftrag?
- Wie testet Ihr Unternehmen seine Produkte? (Mit Bitte um Angabe der verwendeten In-vitro-Tests)
- Besteht eine Vereinbarung mit Ihren Zulieferern, dass diese nicht an Tieren testen?
- In welchen Ländern sind Ihre Produkte erhältlich? (In China sind Tierversuche für ausländische Hersteller verpflichtend)
Fazit: Tierversuchsfrei einzukaufen ist nicht so einfach
Trotz strikterer Gesetze und engagierten Tierschutzgruppen ist es nicht einfach, als Kunde wirklich sicher zu sein, was in welchen Produkten drinsteckt. Wer nicht nur möchte, dass die Hersteller keine Tierversuche durchgeführt oder in Auftrag gegeben haben, sondern auch sämtliche Inhaltsstoffe niemals an Tieren getestet wurden, ist als Privatperson nahezu aufgeschmissen.
Wer diesen Anspruch hat, aber nicht komplett auf Kosmetika verzichten will (was ehrlich gesagt das einfachste wäre), sollte Zeit und Interesse mitbringen, seine Produkte genau unter die Lupe zu nehmen. Dafür gibt es gute Hilfsmittel, die dem Kunden aber auch nicht jede Arbeit abnehmen können.
Wer sich entscheidet, vor allem bei den Herstellern der Produkte sicher gehen zu wollen, dass sie keine Tierversuche durchführen oder in Auftrag geben, kann sich am besten mit den verschiedenen Siegeln durchhangeln. Am einfachsten ist es auch hier, wenn man immer wieder dieselben Produkte kauft: einmal nachgucken, checken, welche Cremes oder Make-Up-Produkte tierversuchsfrei ausgezeichnet werden und dann bei diesen Produkten bleiben.
Spontaneinkäufe von neuen Produkten gestalten sich schwierig. Apps können helfen, schnelle Entscheidungen im Drogeriemarkt zu treffen – auch das ist aber zeitaufwändig und führt bei manchen Produkten ins Leere. Das heißt nicht, dass jedes nicht aufgeführte Produkt mit Tierversuchen zutun haben muss, aber auf der Packung ist es nicht immer zu finden, die verfügbaren Listen und Apps können natürlich auch nie alle Produkte aufführen und manche Hersteller machen bei den Siegeln eben – aus verschiedenen Gründen – nicht mit.